Verschärftes Asylgesetz Flüchtlingsdebatte spaltet Macron-Lager

Effizientere Verfahren, kürzere Fristen, schnellere Abschiebungen: Die französische Regierung hat ein umstrittenes Asylgesetz auf den Weg gebracht. Macrons Ideen gehen selbst konservativen Anhängern zu weit.
Präsident Emmanuel Macron

Präsident Emmanuel Macron

Foto: LUDOVIC MARIN/ EPA-EFE/ REX/ Shutterstock

Von einer großen Reform kann wahrhaftig keine Rede sein. Der französische Staatsrat empfiehlt gar, den Vorschlag fallen zu lassen, weil die Veränderungen zweitrangig seien. Und doch hat kein neuer Gesetzentwurf in der zehnmonatigen Amtszeit von Präsident Emmanuel Macron so sehr die politischen Gemüter in Paris bewegt wie das vom Ministerrat gebilligte neue französische Asylgesetz.

Sogar Macrons bisher so disziplinierte Mehrheitsfraktion in der Nationalversammlung ist über den Gesetzestext zerstritten. Da geht es zum Beispiel um die Frage: Darf man Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, 90 Tage lang einsperren? Das verlangt der neue Gesetzentwurf. Bisher aber waren in Frankreich nur 45 Tage Verwahrungshaft für Flüchtlinge legal.

Die Kritik, die daran auch aus seiner eigenen Partei kommt, dürfte Macron nicht gefallen. "In Frankreich sind die Verwahrungszentren zu Gefängnissen geworden und unserer Republik unwürdig", sagte Sonia Krimi, eine brillante Ökonomin tunesischer Abstammung, vor der Abstimmung.

Verständnis für Merkels Flüchtlingspolitik

Im Grunde geht es um eine Debatte, die in Deutschland viel ausführlicher geführt wird, als in Frankreich: Es geht um die Flüchtlingspolitik. Macron hat als einer der wenigen auch öffentlich stets Verständnis für die Linie der deutschen Kanzlerin Angela Merkel geäußert. Er attestierte ihr, mit ihrer umstrittenen Entscheidung 2015 die "kollektive Würde" Europas gerettet zu haben.

Doch wie Merkel selbst ist nun auch Macron dabei, die ihm anhaftende Aura der Großzügigkeit gegenüber Flüchtlingen zu zerstören. Sie scheint ihn politischen Kredit zu kosten. Zwei Drittel der befragten Franzosen sagen in Umfragen, seine Ausländerpolitik sei zu lasch und locker. Und nach Monaten des Anstiegs fallen seine Beliebtheitswerte in der Bevölkerung wieder. Also reagierte er: "Ich bin die Frucht der Brutalität der Geschichte", erinnerte er vergangene Woche in einer Ansprache vor Journalisten an seinen hartgeführten Wahlkampf gegen die Rechtsradikale Marine Le Pen. Und wollte damit doch nur sagen, dass auch er "brutal" werden kann.

Fotostrecke

Macrons Migrationspolitik: Weniger Humanität, mehr Härte

Foto: POOL/ REUTERS

Frankreichs Asylbewerber sollen das nun als erste zu spüren bekommen. Zumindest sollen das die Franzosen glauben - das ist der Sinn des neuen Gesetzentwurfs. Er sieht vor, das Asylverfahren zu verkürzen. Doch nicht nur die Behörden sollen schneller arbeiten, auch die Flüchtlinge sollen schneller reagieren: Statt 120 haben sie in Zukunft nur noch 90 Tage Zeit, um nach der Ankunft in Frankreich einen Asylantrag zu stellen. Und wessen Antrag abgelehnt wurde, hat nur noch 15 statt bisher 30 Tage, um ein Berufungsverfahren zu beantragen.

Einwanderer prägen Frankreich

In der Praxis aber haben Flüchtlinge oft keinen eigenen Briefkasten und erhalten Gerichtspost nicht innerhalb von 15 Tagen. Wie sollen sie dann noch Einspruch erheben? Die neuen Fristen seien "Anschläge auf die Rechte der Urteilsempfänger und ihrer Verteidigung", schimpfte Olivier Chemin, der dem Verband der im Ausländerrecht spezialisierten Anwälte in Frankreich vorsteht.

Die Debatte zeigt indessen auch, wie sehr Frankreich immer noch Einwanderungsland ist. Am härtesten wird derzeit die Auseinandersetzung um die Verwahrungshaft für Flüchtlinge geführt. Einen Menschen, der nichts verbrochen hat, für 90 Tage seiner Freiheit zu berauben - das geht auch vielen konservativen Abgeordneten in der Macron-Fraktion zu weit. Einwanderer seien schließlich auch Menschen und haben Rechte.

Macron aber will effizientere Verfahren. Wer abgelehnt wird, soll auch schleunigst verschwinden. Genau so aber läuft es bisher nicht. Zwar erhalten in Frankreich nur ganz wenige Asyl - vergangenes Jahr waren es 9000 bei 100.000 Anträgen. Es gibt aber noch zahlreiche Menschen, die sich illegal im Land aufhalten. Nach Expertenschätzung reicht sie bis zu einer halben Million. Bisher müssen diese wenig Angst vor Verfolgung haben. Der neue Gesetz aber sieht Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren und Geldbußen bis 75.000 Euro für diejenigen vor, die sich ohne gültige Papiere im Land aufhalten und größtenteils bereits arbeiten.

"Ich sehe in mir eine Einwanderin aus wirtschaftlichen Gründen", hatte die Abgeordnete Sonia Krimi von der Macron-Fraktion im Parlament auch noch gesagt. Genau hier will Macron den Trennstrich ziehen: keine Wirtschaftsflüchtlinge mehr. Mit Merkel ist er sich da einig. Auch mit denen, die im letzten Jahr Le Pen wählten. Nur in Frankreich, wo viele Millionen Bürger eine eigene Migrationsgeschichte haben, ist das nicht so leicht durchzusetzen. Viele kamen aus wirtschaftlichen Gründen. Und die wenigsten hatten Einwanderungspapiere, so wie sie Macron in Zukunft für jeden Nicht-Asylberechtigten verlangen will.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten