Frankreichs Herabstufung Sarkozy bangt um seinen Job im Élysée

Sarkozy: "Wenn wir das Dreifach-A verlieren, bin ich tot."
Foto: Eric Feferberg/ dpaAuf die Herabstufung Frankreichs durch die Rating-Agentur Standard & Poor's reagierte Nicolas Sarkozy zunächst mit Schweigen. Der Präsident lud zur Krisensitzung in den Élysée und schickte erst einmal seine Fachleute mit tröstenden Worten vor die Kameras. Die Opposition dagegen schob den Verlust der Spitzennote AAA umgehend dem amtierenden Staatschef zu: Sarkozy wurde als "Präsidenten eines abgewirtschafteten Frankreich" gerügt oder als Politiker, der die Bezeichnung "Beschützer der Nation" nicht länger verdiene.
Für den Herrscher im Élysée kommt die Hiobsbotschaft aus London zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Notorisch unbeliebt, hatte er in den vergangenen Wochen bei Umfragen zur Präsidentenwahl just zu seinem sozialistischen Herausforderer François Hollande aufgeschlossen. Jetzt, just hundert Tage vor dem ersten Urnengang am 22. April, ist die Herabstufung von Europas zweitgrößter Volkswirtschaft auf den Wert AA+ für Sarkozy eine Dreifach-Abfuhr: Er ist durch den Verlust der Bonitäts-Bestnote wirtschaftlich, politisch und persönlich blamiert.
Der Katastrophen-Nachricht war ein Zickzack-Kurs der Regierung gegenüber den Finanzagenturen vorausgegangen. Nach der ersten Wirtschaftskrise 2007/2008 wurde der Einfluss der Rating-Firmen konsequent heruntergeredet, bevor im vergangenen Herbst - nach den ersten Gerüchten über eine Herabstufung Frankreichs - der Parteienzoff um das Dreifach-AAA zum zentralen Dauerthema des einsetzenden Wahlkampfes aufstieg. Mal wetterte die Sozialistische Partei (PS) gegen die Konservativen der Regierungspartei UMP, sie hätten sich entschieden, "Frankreich den Bankrott zu bescheren", der Kampagnen-Chef von PS-Kandidat Hollande sah die Schuld am ökonomischen Negativ-Image des Landes bei Sarkozy: Dessen Herrschaft habe "Frankreich um 500 Milliarden" verschuldet.
Völlig falsch, konterte Haushaltsministerin Valérie Pécresse und geißelte das Programm der Sozialisten als verwegen "spendierfreudig", angesichts der eigenen Vision einer "glaubwürdigen, verantwortungsvollen Wirtschaftspolitik". Sollte das Programm der PS umgesetzt werden, höhnte Finanzminister François Baroin, "würde Frankreichs Note binnen zwei Minuten herabgestuft werden." Premier François Fillon vergaß seine Zurückhaltung und schimpfte den Oppositionskandidaten schlicht als "Defätisten, der den nationalen Interessen zuwiderhandelt."
Dabei machten sich angesichts Rezession, wachsender Verschuldung und steigender Arbeitslosigkeit offenbar auch im Élysée Zweifel an der Wirksamkeit der bereits verabschiedeten Sparprogramme breit - und den möglichen Auswirkungen der Misere auf Frankreichs Status als Qualitäts-Ökonomie. Vor seinen Getreuen, berichtete die Zeitung "Canard enchaîné", habe Sarkozy schon Ende Oktober über die dramatischen Konsequenzen des Bonitätsverlustes orakelt: "Wenn wir das Dreifach-A verlieren, bin ich tot."
Durchhalteparolen drei Monate vor der Wahl
Während nach außen hin Optimismus zur Schau gestellt wurde, stimmte die Regierung die Öffentlichkeit aber auch schrittweise auf das Desaster ein. Einerseits wurde Sarkozy als erfahrener Krisenmanager gelobt, andererseits der Verfall der Bonität vorab als verkraftbarer Kollateralschaden bezeichnet. "Das Dreifach-A ist eine Möglichkeit, billiger Schulden zu bezahlen, aber es ist kein Fetisch", erläuterte Premier Fillon. "Eine Abwertung des Prädikats wäre keine gute Nachricht, aber keine Katastrophe", sekundierte Außenminister Alain Juppé. Und Sarkozy erklärte, dass eine derartige Ansage "eine Schwierigkeit mehr, aber nicht unüberwindbar" wäre.
Mit dieser Argumentation, die von den Mediengurus des Élysée an die Regierungs- und Parteiprominenz getwittert wurde, trat am Freitagabend zunächst Finanzminister Baroin vor die Kameras: "Keine gute Nachricht, aber auch keine Katastrophe", so der smarte Politiker aus der Nachwuchsriege der UMP. Er empfahl seinen Landsleuten erst einmal, "ruhig Blut" zu bewahren. Nicht nur Frankreich sei durch die Entscheidung der Rating-Angentur bestraft worden. Verantwortlich an dem Debakel sei in Wahrheit die europaweite Verschuldung. Baroin: "Wir brauchen keine neuen Sparpläne, sondern neue Impulse für Wachstum und Beschäftigung."
Ob solche Durchhalteparolen am Ende von fünf Jahren Sarkozy-Herrschaft und drei Monate vor der Wahl noch überzeugen, ist fraglich. Paris muss allein in diesem Jahr 180 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufnehmen, mit der Bonitätsstufe AA+ drohen Auswirkungen auf Kaufkraft und Kredite, sollten die teureren Zinsen auf die Liquidität der Banken durchschlagen.
Doch nicht nur der ökonomische Status der Nation, auch die politische Bonität von Frankreichs Präsident gerät jetzt mächtig unter Druck: Für das Ausscheiden der Nation aus der Spitzenliga machten zwei Drittel der Bürger bei einer Umfrage Ende Dezember den Staatschef persönlich verantwortlich.
Das ist verhängnisvoll für den Wahlkampf eines Präsidenten, der, so hieß es in der Zeitung "Le Monde", die Bestnote zum "heiligen GrAAAl" seiner Politik erhob und noch vor wenigen Monaten gelobte: "Ich werde nicht zulassen, dass wir unser Ranking verlieren."