Streit über Freihandelsabkommen USA verweigern deutschen Abgeordneten Zugang zu TTIP-Dokumenten

Deutsche Ministerialbeamte dürfen die amerikanischen TTIP-Verhandlungstexte einsehen, die Bundestagsabgeordneten hingegen nicht. Parlamentspräsident Lammert protestiert nun bei EU-Kommissionschef Juncker.
Protest gegen TTIP (Aufnahme vom April 2015 in Berlin): Streit über die Transparenz der Verhandlungen

Protest gegen TTIP (Aufnahme vom April 2015 in Berlin): Streit über die Transparenz der Verhandlungen

Foto: Tim Brakemeier/ dpa

Erst waren es die Chlorhühnchen, dann die Schiedsgerichte. Jetzt hat sich die Auseinandersetzung um das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP auf die Frage zugespitzt, wie transparent die Verhandlungen zwischen den USA und der EU geführt werden. Hinter verschlossenen Türen behandelte eines der gewichtigsten Gremien der Republik den Streit: der Ältestenrat des Deutschen Bundestages. Unter Leitung von Präsident Norbert Lammert (CDU) wurde eine Resolution beschlossen, damit die Parlamentarier Einblick in die sogenannten konsolidierten Verhandlungstexte nehmen können. "Der Entschluss fiel einstimmig", sagte Parlamentssprecher Ernst Hebeker zu SPIEGEL ONLINE.

Der Ältestenrat beschäftigte sich auf Wunsch der parlamentarischen Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, mit dem Freihandelsabkommen. Die Abgeordnete hatte das Bundeswirtschaftsministerium gefragt, wer Zugang zu den Texten der amerikanischen Verhandlungsdelegation hat, die in einem Lesesaal der US-Botschaft in Berlin ausgelegt sind. Die Antwort: 139 Mitarbeiter diverser Bundesbehörden haben eine offizielle Erlaubnis, die Texte zu lesen - aber kein einziger Parlamentarier. "Es kann doch nicht sein, dass wir Abgeordneten, die am Ende über TTIP entscheiden sollen, keinen Einblick in den Verlauf der Verhandlungen nehmen können", empörte sich Haßelmann.

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE versprach Lammert in der Sitzung des Ältestenrats, sich in der kommenden Woche mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu treffen. "Er will ihn dazu auffordern, den Parlamentariern des Bundestags in Brüssel Zugang zu den Dokumenten zu gewähren", so Parlamentssprecher Hebeker. Lammert hat sich der Kritik von Haßelmann angeschlossen. Auch er will maximale Einsicht des Parlaments in die Verhandlungen, gegen die es in der Bevölkerung großes Misstrauen gibt.

Erst auf großen Druck von Nichtregierungsorganisationen hatten sich die EU-Kommission und die US-Regierung in diesem Frühjahr dazu bereit erklärt, einen Teil der Verhandlungstexte einem ausgewählten Kreis von Personen zu öffnen. Die Texte der EU-Unterhändler waren daraufhin auf einem internen Server des Bundestages für die Abgeordneten einsehbar. Diese Dokumente wurden geleakt, tauchten auf der Webseite des Investigativ-Blogs Correctiv auf .

Empört untersagte daraufhin die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström dem Parlamentspräsidenten Lammert, die Texte weiterhin auf einem Server bereitzuhalten. Malmström vermutete den Informanten in den Reihen des Parlaments. Die Volksvertreter sollten ab sofort nur noch in den Lesesälen der EU die Texte zu Gesicht bekommen. Gegen dieses Vorgehen hatte selbst Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in einem Brief an Malmström protestiert.

Jetzt hat sich der Streit auf die Dokumente der Amerikaner ausgeweitet. Für den 10. Oktober hat ein Aktionsbündnis von TTIP-Gegnern zu einem großen Protestmarsch in Berlin aufgerufen. Die Aktivisten dürften sich über die neuerliche Kontroverse freuen, scheint es doch die schlimmsten Befürchtungen der Gegner zu bestätigen.

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