Friedensnobelpreis China verdammt Ehrung für Liu
Peking - Chinesische Menschenrechtler reagierten hocherfreut auf die Nachricht aus Oslo: Liu Xiabo hat den Friedennobelpreis erhalten. Doch die Führung in Peking schäumt. Liu sei "ein Krimineller", der wegen Gesetzesverstößen durch chinesische Justizorgane verurteilt worden sei, hieß es am Freitag in einer Erklärung des Außenministeriums. "Die Vergabe durch das Nobelkomitee an solche Leute widerspricht völlig dem Ziel des Preises."
Die Entscheidung des norwegischen Nobelkomitees werde den Beziehungen zwischen Norwegen und China schaden, erklärte das Ministerium. Der Nobelpreis für Liu sei unanständig. Zunächst hatte es nur geheißen, die Entscheidung sei "zur Kenntnis" genommen worden.
Nun aber macht die chinesische Führung ernst: Der norwegische Botschafter in Peking wurde am Freitag ins chinesische Außenministerium einbestellt. In Oslo traf der chinesische Botschafter mit dem Staatssekretär des norwegischen Außenministeriums zusammen. Beide Treffen sind den Angaben zufolge auf den Wunsch der chinesischen Regierung zustande gekommen.
Peking hatte in den Tagen vor der Entscheidung Druck ausgeübt auf das Nobelkomitee und davor gewarnt, den Preis an Liu zu vergeben. Der norwegische Außenminister Jonas Gahr Støre betonte jedoch, das Komitee entscheide unabhängig von der Regierung.
Liu Xiaobo galt als heißer Favorit für den diesjährigen Friedensnobelpreis. Am Freitag war es dann endlich so weit: Komiteechef Thorbjørn Jagland begründete die Entscheidung mit dem "langen und gewaltlosen Kampf" des chinesischen Dissidenten für die Menschenrechte in seinem Land. Der 54-jährige Dissident war im vergangenen Dezember wegen Subversion zu einer elfjährigen Haft verurteilt worden und sitzt seitdem in einem Gefängnis. Auch zuvor schon musste er wegen seiner Überzeugungen lange Zeit hinter Gittern und in einem Umerziehungslager verbringen.
Liu ist das erste Mitglied der chinesischen Dissidentenbewegung, das mit einem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Er ist Mitautor der "Charta 08", in der Dissidenten Reformen, Freiheiten und das Ende des Machtmonopols der Kommunistischen Partei in China forderten. Im Februar wies ein chinesisches Gericht Lius Berufungsantrag zurück. Menschenrechtsgruppen sprachen damals von einem direkten Schlag gegen internationalen Druck auf China in Menschenrechtsfragen.
Mehrere Bürgerrechtler begrüßten die Auszeichnung. "Es ist eine Ermutigung für die Demokratiebewegung", sagte der langjährige Rechtsaktivist Yao Lifa der dpa. "Die internationale Gemeinschaft zeigt, dass sie sich um jene sorgt, die in China in der Demokratiebewegung mitarbeiten und die Menschenrechte voranbringen wollen." Auch die Frau von Liu zeigte sich hoch erfreut. "Ich bin glücklich, aber ich kann nicht herauskommen", sagte Liu Xia am Telefon in ihrer Wohnung in dem von der Polizei abgeriegelten Apartmentkomplex. "Ich stecke hier fest - mit der Polizei", sagte Liu Xia.
Bei spontanen Feiern wurden in Peking rund 20 prodemokratische Aktivisten festgenommen worden. Wie die Bürgerrechtlerin Wang Lihong der Nachrichtenagentur dpa telefonisch aus dem Polizeigewahrsam berichtete, hätten sie zunächst Karaoke gesungen und dann in einem Restaurant nahe des Ditan-Parkes gefeiert. "Wir waren so glücklich." Plötzlich seien rund zehn Polizeifahrzeuge mit rund 50 Polizisten gekommen und hätten sie festgenommen.

Liu Xiaobo: Friedensnobelpreis für den Dissidenten
Nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Nobelpreiskomitees forderte die Bundesregierung von China die Freilassung Lius. "Die Bundesregierung wünscht sich, dass er aus der Haft freikommt und den Preis selber in Empfang nehmen kann", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Die Auszeichnung wird am 10. Dezember im norwegischen Oslo verliehen. Wer den Preis in Empfang nehme sei noch unklar, sagte Jagland. "Das ist etwas, das wir außer Acht lassen, wenn wir den Preisträger bestimmen." Das Komitee habe bislang weder Liu noch seine Frau anrufen können, um ihnen die Entscheidung mitteilen zu können. "Wir werden die chinesischen Behörden bitten, die Nachricht Liu zu überbringen", sagte Jagland.
Die Initiative, Liu für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen, ging von Bürgerrechtlern wie dem ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Václav Havel aus. Auch der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu und der Dalai Lama, das religiöse Oberhaupt der Tibeter, hatten sich für Liu stark gemacht.
Im vergangenen Jahr hatte US-Präsident Barack Obama den Preis erhalten. Wieder einmal leer ausgegangen ist dagegen Altbundeskanzler Helmut Kohl. Der 80-Jährige war auch in diesem Jahr wegen seiner Verdienste um die deutsche Wiedervereinigung und die Einheit Europas zum Anwärterkreis für den vielleicht prestigeträchtigsten Preis der Welt gerechnet worden.