Friedensnobelpreis
Frontfrauen im Kampf für gleiche Rechte
Premiere in Oslo: Erstmals in der Geschichte des Friedensnobelpreises werden drei Frauen zugleich geehrt. Die Liberianerinnen Gbowee und Johnson-Sirleaf sowie die Jemenitin Karman setzen sich gewaltfrei für Demokratie und Frauenrechte ein - teilweise unter Einsatz ihres eigenen Lebens.
Friedensnobelpreis: Frontfrauen im Kampf für gleiche Rechte
Foto: REUTERS
Oslo - Liberia und der Jemen - das sind die Länder, in denen sich Leymah Roberta Gbowee, Ellen Johnson-Sirleaf und Tawakkul Karman seit Jahren engagieren. Ihr Einsatz aber ist grenzüberschreitend: Er richtet sich gegen Krieg und Gewaltherrschaft - und ganz besonders gegen die Unterdrückung von Frauen. Dafür wurden die drei Frauen jetzt mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Das Nobelpreis-Komitee betonte in seiner Begründung die tragende Rolle der Frauen in gesellschaftlichen Reformprozessen. "Wir können keine Demokratie und dauerhaften Frieden in der Welt erreichen, wenn Frauen nicht die gleichen Möglichkeiten wie Männer haben, um die Entwicklungen auf allen Ebenen der Gesellschaft zu beeinflussen", hieß es in einer Stellungnahme des Komitees.
Wer sind die Preisträgerinnen? SPIEGEL ONLINE stellt die drei Frauen in Kurzporträts vor.
Tawakkul Karman - Gesicht der jemenitischen Revolte
Tawakkul Karman ist eines der Gesichter der jemenitischen Revolte. Über Twitter und Facebook, vor allem aber auf der Straße und zeitweise auch aus dem Gefängnis heraus gehörte sie von Beginn an zu den entschiedensten und eloquentesten Kritikern der betonierten Zustände im Jemen unter Ewig-Machthaber Ali Abdallah Salih.
Doch ihr Engagement begann nicht erst mit der Revolte Anfang dieses Jahres - auch wenn ein Foto, das sie im Februar beim Anführen einer Demonstration zeigte, sie zur Ikone machte. Schon zuvor hatte sie ihren Mut unter Beweis gestellt, gegenüber al-Dschasira schon Wochen vorher über eingesperrte Journalisten gesprochen.
"Die Nacht muss ein Ende haben": Mit diesem Slogan, übernommen aus der tunesischen Revolution, stellte
Karman sich im Januar den jemenitischen Sicherheitsbehörden gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen entgegen. Im britischen "Guardian" beschrieb sie im April, wie die Revolte sich nach dieser ersten Kundgebung verstetigte: "An jenem Abend kamen Studenten und Anführer der Jugendlichen zu mir, auch die Menschenrechtsaktivisten Ahmad Saif Haschid und Abd al-Bari Tahir. Wir waren uns einig, dass wir diesen historischen Moment nicht vorbeiziehen lassen konnten, dass auch wir eine Revolution entfachen können. Wir entschieden, dass es kein Zurückweichen geben würde, auch wenn wir wussten, dass es Repressionen geben würde."
Kurz danach, am 23. Januar, wurde sie festgenommen. Später erklärte sie, sie habe die Zeit in Haft genutzt, um mit ihrem Mitinhaftierten über Frauen- und Menschenrechte zu sprechen. Nach 38 Stunden kam sie wieder frei, doch erhielt weiterhin SMS und andere Botschaften, in denen ihr mit dem Tod gedroht wurde, falls sie sich nicht zurückhalte. Der "Washington Post" berichtete sie, dass sogar der Präsident ihr eine Nachricht zukommen ließ - und ihr unverhohlen mit dem Tod drohte.
Gegenüber al-Dschasira sagte sie Minuten nach der Verkündung der Entscheidung des Komitees, dass sie "glücklich" sei, der Preis aber an alle Revolutionäre der arabischen Welt ging. "Wir sind nun in einer neuen Phase", erklärte sie.
Die 32-Jährige, die Vorsitzende einer Journalistenorganisation und Mitglied der islamischen Islah-Partei ist, wurde in Taiz im Süden des Landes in einer Mittelstandsfamilie geboren. Sie hat drei Kinder. Ihr Vater war eine Zeit lang Minister. Tawakkul Karman studierte Psychologie in der Hauptstadt Sanaa; dort, so die "Washington Post", begann ihre Politisierung, die sie schließlich zur Frontfrau der Revolte im Jemen machte - und heute zur Friedensnobelpreisträgerin.
Leymah Roberta Gbowee - Kämpferin gegen das Taylor-Regime
Die liberianische Bürgerrechtlerin Leymah Roberta Gbowee hat den Friedensprozess in dem ehemaligen westafrikanischen Bürgerkriegsland maßgeblich vorangetrieben. Gewaltfreie Protestaktionen von Frauen und Müttern gegen den damaligen Präsidenten Charles Taylor standen im Mittelpunkt ihrer Initiativen. Als Zeichen für Reinheit und Friedenswillen trugen alle Teilnehmerinnen damals konsequent weiße Kleidung.
Vor zehn Jahren wurde sie Koordinatorin der Organisation Women in Peacebuilding. Ein Jahr später gründete sie die Bewegung Women of Liberia Mass Action for Peace.
Schon in jungen Jahren arbeitete die heute 39-Jährige als Streetworkerin. Sie versuchte, den unzähligen vom Krieg gezeichneten liberianischen Kindern und Jugendlichen zu helfen.
Gbowee, die in den USA an der Eastern Mennonite University in Harrisonburg (Virginia) studierte, wurde zudem 2004 in die Wahrheits- und Versöhnungskommission von Liberia berufen, die es sich nach südafrikanischem Vorbild zur Aufgabe gemacht hat, Dialog und Stabilität wiederherzustellen. 2006 wurde sie zur regionalen Beraterin des Women Peace and Security Network Africa ernannt. Heute leitet sie die Organisation.
Ellen Johnson-Sirleaf - Erste Staatschefin Afrikas
Ellen Johnson-Sirleaf hat eine atemberaubende Karriere hinter sich: Die 72-jährige Liberianerin hat in Harvard studiert und erklomm anschließend Schritt für Schritt die Karriereleiter - unter anderem bei den Vereinten Nationen und der Weltbank. Den Höhepunkt ihrer Laufbahn erreichte sie, als sie 2006 als erste gewählte Staatschefin Afrikas überhaupt vereidigt wurde.
"Dies öffnet die Tür für Frauen auf dem gesamten Kontinent", sagte Johnson-Sirleaf damals. "Und ich bin stolz darauf, dass ich diejenige bin, die diese Tür öffnet." Obwohl sie als Eiserne Lady gilt - integer, unbeugsam und willensstark - war die Aufgabe, die sie dann erwartete, alles andere als einfach.
Die 1938 in Monrovia geborene Ökonomin musste die Zügel eines Landes in die Hand nehmen, das nach mehr als zehn Jahren Bürgerkrieg am Rande des Abgrunds stand. Eine der Prioritäten der vierfachen Mutter und achtfachen Großmutter war von Anfang an die Reintegration traumatisierter Ex-Kindersoldaten.
Zudem hat sie eine Wahrheits- und Versöhnungskommission nach südafrikanischem Vorbild eingerichtet, die die Schreckenstaten des Bürgerkriegs untersuchen und Frieden und Stabilität in dem Krisenland wiederherstellen soll.
Die Zeitschrift "Newsweek" wählte
Johnson-Sirleaf 2010 in die Top Ten der besten Staatschefs der Welt, der "Economist" bezeichnete sie als das beste Staatsoberhaupt, das Liberia je hatte. Johnson-Sirleaf hat für ihre unermüdliche Arbeit schon vor dem Friedensnobelpreis zahlreiche Auszeichnungen erhalten.