Nobelpreisträger OPCW Wie Bush die Chemiewaffenjäger einschüchtern ließ

Der Friedensnobelpreis für die Chemiewaffenkontrolleure der OPCW wurde auf der ganzen Welt begrüßt. Doch die Organisation hatte besonders in den USA zu kämpfen. Die Bush-Regierung bedrängte sie 2001 massiv - und erzwang vor der Irak-Invasion den Rausschmiss des Chefs.
Bustani 2002 in Den Haag: "Sie wollen deinen Kopf rollen sehen"

Bustani 2002 in Den Haag: "Sie wollen deinen Kopf rollen sehen"

Foto: SERGE LIGTENBERG/ ASSOCIATED PRESS

Hamburg - Die Glückwünsche kamen aus aller Welt, als die Organisation zum Verbot von Chemiewaffen (OPCW) vergangene Woche den Friedensnobelpreis erhielt. Bundesaußenminister Guido Westerwelle würdigte die "verdiente Auszeichnung für langjährige erfolgreiche Arbeit und mutiges Engagement".

Die OPCW ist für die Umsetzung der Chemiewaffenkonvention aus dem Jahr 1997 zuständig. Sie soll die Bestände der Vertragsstaaten überprüfen und die Vernichtung der Kampfstoffe kontrollieren. US-Außenminister John Kerry lobte nach der Preisvergabe am Freitag den "Mut und die Entschlossenheit" der OPCW-Fahnder.

So beliebt war die OPCW in den USA nicht immer. Im Gegenteil: In den Vereinigten Staaten hatten die Kontrolleure in der Vergangenheit erhebliche Probleme - die mit dem Amtsantritt von George W. Bush 2001 begannen. Mehrfach verwehrten US-Behörden damals den Experten den Zugang zu bestimmten Einrichtungen. Der Kongress verabschiedete zudem ein Gesetz, das es dem Präsidenten erlaubte, die Inspektoren abzuweisen, wenn deren Tätigkeit "die Sicherheit der Vereinigten Staaten" gefährde.

Die "New York Times" berichtet in einem aktuellen Artikel  von einer regelrechten Kampagne der Bush-Administration gegen die OPCW und ihren damaligen Chef José Bustani - offenbar in Zusammenhang mit der Irak-Invasion.

Mit den ersten Plänen im Herbst 2001 für einen Irak-Krieg sei der Druck auf die OPCW gestiegen, so Bustani. Ende des Jahres 2001 sei er von den Amerikanern ernsthaft bedrängt worden - die Inspektoren bereiteten sich gerade auf einen Einsatz zur Kontrolle der irakischen Chemiewaffen vor. "Die Leute sagten mir: 'Sie wollen deinen Kopf rollen sehen.'" Die USA drohten zudem, ihre finanziellen Beiträge für die OPCW zu streichen.

Bustani sagte, seiner Organisation sei damals klar gewesen, dass die Experten keine chemischen Waffen finden würden, denn die Arsenale seien in den neunziger Jahren zerstört worden. Aber diese Einschätzung wurde in Washington offenbar nicht gerne gehört. Die Bush-Regierung beharrte mit fragwürdigen Beweisen darauf, dass der Irak angeblich Massenvernichtungswaffen besaß. 2003 erklärte sie Saddam Hussein den Krieg. Der Diktator wurde gestürzt - das Waffenarsenal nie gefunden.

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Foto: DPA/ Local Commitee of Aberdeen

Zuvor hatte die Bush-Regierung noch die Absetzung Bustanis erreicht. Der ranghohe Diplomat John R. Bolton, Vertrauter des damaligen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, sei eines Tages in sein Büro gekommen und habe laut Bustani angekündigt, er habe 24 Stunden für einen Rücktritt. Sonst würde er die Konsequenzen zu spüren bekommen.

Die USA warfen dem Brasilianer Bustani "Kompetenzüberschreitung" vor. Bolton bestätigte der "New York Times" diese Einschätzung am Wochenende.

Auch der brasilianische Außenminister zu jener Zeit, Celso Lafer, äußerte sich in dem Artikel. Die USA "und besonders John Bolton und Donald Rumsfeld" hätten Bustani aus dem Amt drängen wollen. "Ich glaube, dass die Neocons freie Hand haben wollten, ohne multilaterale Beschränkungen."

Tatsächlich schmiedeten sie eine Allianz zur Absetzung des als störrisch und eigensinnig gebrandmarkten Direktors. Im April 2002 erzwang die Bush-Regierung den Rausschmiss des noch ein Jahr zuvor einstimmig in seinem Amt bestätigten Bustani.

Nach der entscheidenden Abstimmung in Den Haag, durch die er gefeuert wurde, protestierte Bustani gegen den "gefährlichen Präzedenzfall", bei dem erstmals auf Druck der USA der Chef einer multilateralen Institution während seiner laufenden Amtszeit davongejagt wurde.

kgp
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