G-20 und die Folgen Merkels Sparsieg

Merkel mit Medwedew (li.) und Sarkozy: Und alle haben sich wieder lieb
Foto: Eric Feferberg/ APAngela Merkel kann diese Schwarz-Weiß-Malerei nicht leiden. Wer hat gewonnen, wer hat verloren? Wer hat sich durchgesetzt, wer ist eingeknickt? Nein, das sind nicht die Kategorien, in denen sie denken will. Statt von Streit spricht sie lieber von "produktiven Prozessen", in denen Meinungen ausgetauscht werden. Am Ende dieser Prozesse erkennt dann jeder der Diskutanten das Gute im Standpunkt des Anderen. Und alle haben sich wieder lieb.
Gipfeltreffens im kanadischen Huntsville und in Toronto
So wollte sie auch die seit langem schwelende Kontroverse mit den Amerikanern um die richtige Wachstumsstrategie verstanden wissen. Man sei sich doch im Grundsatz einig, hat sie nach einem Funken Gemeinsamkeit gesucht. Und bei den Gesprächen des am Wochenende, da habe es doch viel Verständnis füreinander gegeben. Streit? Nein, nein.
Doch bei aller zur Schau gestellten Konzilianz - am Sonntag wollte sich dann doch ein bisschen als Siegerin fühlen. "Mehr als ich erwartet habe", steht plötzlich im Abschlussdokument der . Die entwickelten Industrienationen wollen sparen, bis 2013 ihre Defizite halbieren, bis 2016 den Haushalt ausgleichen. Das ist ganz nach deutschem Geschmack. Und sogar hat dem zugestimmt.
Verbindlich sind diese Ziele nicht, ihre Umsetzung ist also ungewiss, auch auf deutscher Seite. Politisch aber ist das Bekenntnis im Schlusskommuniqué ein Achtungserfolg für Merkel. Und das spricht sie auch aus. Die Formel für "wachstumsfreundlichen Defizitabbau" entspreche "eigentlich genau unserer Zeitachse", findet sie. Beim Statement vor den Journalisten klang das fast ein bisschen so, als würde sie den Punktgewinn selbst erst gerade realisieren.

Es ist also seit langem mal wieder ein guter Tag für Angela Merkel. Sie hat ein wenig von ihrer einst international so gerühmten Führungsstärke zurückgewonnen. Dass es mit der Finanztransaktionssteuer und der Bankenabgabe nichts werden würde, das war absehbar. Doch im Wachstumsstreit, wie ihn die Kanzlerin natürlich nie nennen würde, da ist sie nicht nur ihrer Linie treu geblieben. Sie hat sogar den amerikanischen Präsidenten ausgestochen. Zumindest auf dem Papier. Von den zuletzt so lautstark vorgetragenen Wünschen aus Washington, Überschussländer wie Deutschland sollten sich notfalls weiter verschulden, findet sich im Abschlussdokument nichts.
Und dann ist da noch der grandiose 4:1-Sieg der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Südafrika gegen die Engländer - die Amtskollegen gratulierten in Toronto reihenweise, so als sei die Regierungschefin für die Leistung des Teams höchstpersönlich verantwortlich. Die prächtige Laune verdrängte für eine Weile sogar die Müdigkeit, als Merkel am Sonntagnachmittag auf dem Flughafen von Toronto wieder in die Kanzlermaschine Richtung Heimat stieg.
Zu Hause kann sie den Stimmungsaufheller gut gebrauchen. Etliche Probleme sind in der schwarz-gelben Regierung ungelöst, die Gesundheitsreform, die Zukunft der Atommeiler, auch das eigene Sparpaket wird weiter hitzig diskutiert. Gerade erst ist in diesem Zusammenhang der koalitionsinterne Wettbewerb um die ausgefallensten Beschimpfungen wieder aufgeflammt. CSU-Sozialministerin Christine Haderthauer glaubte, die FDP mit dem chilenischen Ex-Dikator Pinochet vergleichen zu müssen. Und am Mittwoch steht die Neuwahl des an.
In der Bundesversammlung hilft Merkel der leichte Gipfelglanz nicht. Ein paar Wahlleute der Liberalen wollen für den Oppositionsbewerber Joachim Gauck stimmen, das haben sie offen angekündigt. Dazu haben die ehemaligen CDU-Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Roman Herzog sowie Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf eine Wahl frei von Partei- und Fraktionszwängen gefordert.
Die Union hängt die Latte niedrig
"Manchmal habe ich gewisse Zweifel, dass es im ersten Wahlgang glückt", sagte Kandidat Wulff selbst am Samstag. Dabei ist die schwarz-gelbe Mehrheit eigentlich komfortabel. In der Union will man vom Druck, den eigenen Mann auf Anhieb durchbringen zu müssen, zwar nichts wissen. Ganz bewusst hängt man die Latte niedrig. "Gewonnen ist gewonnen", heißt es in Koalitionskreisen.
Tatsächlich würde eine Schlappe im ersten Wahlgang nicht zwingend das Aus für das Regierungsbündnis bedeuten. Doch für das Vertrauen in der Koalition wäre eine Wahl mit Hindernissen wahrlich nicht förderlich. Und die ohnehin schwelende Führungsdiskussion, das weiß auch die Kanzlerin, würde unweigerlich an Dynamik gewinnen.
Zumal die CDU-Chefin im Herbst ohnehin fast ihre gesamt engste Spitzenmannschaft in der Partei neu aufstellen muss. Hessens Ministerpräsident Roland Koch zieht sich zurück, sein nordrhein-westfälischer Kollege Jürgen Rüttgers ebenfalls, und Niedersachsens Wulff zieht - trotz aller Unwägbarkeiten - wohl ins Schloss Bellevue ein. Damit sind drei von vier Stellvertreterposten der Parteivorsitzenden neu zu besetzen. Dafür braucht sie auch ein paar starke Persönlichkeiten, die die Flügel der Partei zufriedenstellen. Sonst droht permanenter Ärger.
Die Zeiten werden wohl vorerst nicht ruhiger werden für Angela Merkel - daran ändert auch ein selbstbewusster Auftritt im Kreis der mächtigsten Staatenlenker dieser Welt nichts. Es ist eben nur ein kleiner Sieg, den sie dort feiern konnte, ein Sparsieg sozusagen.
Immerhin: Sollte die Präsidentenkür am Mittwoch wenig glorreich ausfallen, besteht schon am nächsten Wochenende die Chance auf einen weiteren internationalen Erfolg. Am Samstag will die Kanzlerin möglichst nach Kapstadt reisen, wo die Nationalmannschaft im Viertelfinale auf Argentinien trifft. Vielleicht kann sich Merkel dann wieder ein bisschen im Siegerglanz sonnen.