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G8 in Deauville: Demonstranten müssen draußen bleiben

Foto: PASCAL ROSSIGNOL/ Reuters

G8 in Deauville Monsieur erfindet den e-Gipfel

Typisch Sarkozy: G-8-Gipfel plus Gäste ist ihm nicht spektakulär genug. Wenn die Prominenz ab Donnerstag in Deauville tagt, muss schon Historisches dabei herauskommen. Also spendiert er noch einen Vorgipfel - samt Brainstorming zum Thema Internet. Die Weltpolitik entdeckt das Netz.

Blauer Himmel, Sonne, Möwenschreie, der Geruch von Meer und Crêpes, an der Strandpromenade flanieren wohlhabende Touristen: Die mondäne Kleinstadt Deauville, gelegen an der malerischen Küste der Normandie, verbreitete noch kürzlich die Atmosphäre von anhaltender Sommerfrische.

Passé. Denn am Donnerstag tagt in dem Badeort, nur zwei Autostunden von Paris entfernt, die politische Elite der Welt.

Frankreich erwartet die Führer der wichtigsten Industriestaaten zum Stelldichein des G-8-Gipfels - und damit das Treffen nicht den Charakter eines allzu exklusiven Clubs erhält, hat Gastgeber Nicolas Sarkozy neben US-Präsident Barack Obama, dessen Kollegen Dmitrij Medwedew, Japans Premier und Kanzlerin Angela Merkel auch noch Führer aus dem Maghreb und Schwarzafrika geladen - insgesamt 25 Staats- und Regierungschefs, und dazu die Spitzen von EU, Uno und Weltfinanz.

Deauville steht Kopf. Am Montag begann die Polizei im requirierten Festsaal mit der Verteilung von Ausweisen an jene Bürger, die in der engen, acht Hektar großen Zone um das Internationale Konferenzzentrum wohnen. Wer sein Auto benutzen will, muss es außerhalb der Sicherheitszonen parken. Insgesamt werden die Sicherheitsbehörden 15.000 Bescheinigungen ausgeben, an Bürger, Journalisten und Delegationsteilnehmer. Ab Donnerstag werden nicht nur Möwen über dem Zentrum kreisen, auch eine Beobachtungsdrohne wird den Luftraum überwachen. Frankreich geht kein Risiko ein, die Ausrichtung des Mega-Gipfels kostet rund 200 Millionen Euro. "Ein eher knapp kalkuliertes Event", betont man im Elysée.

Bulletin der internationalen Bauchschmerzen

Das betrifft auch die politische Organisation des Gipfels. Seit Anfang Januar tagen die "Sherpas" der beteiligten Staaten, die diplomatischen Wasserträger feilen an Erklärungen und Entschließungen, die den Erfolg des Treffens von Deauville für die Öffentlichkeit deutlich machen sollen. Denn die Themenliste der zwei Dutzend Spitzenpolitiker liest sich wie ein Bulletin der internationalen Probleme: Dazu gehören Dauerbrenner wie "Frieden und Sicherheit", also die Rundumsicht auf die Krisenherde zwischen Nahost und Nordkorea, über Afghanistan, Pakistan und den Irak.

Natürlich sollen auch die "Jasmin-Revolution" und ihre Folgen gewürdigt werden, der Krieg mit Libyen inklusive. Schließlich stehen Terrorismus und Drogenbekämpfung auf dem Zettel, Klimawandel, Umweltschutz und - angesichts des Fukushima-GAUs - auch atomare Sicherheit.

Für den eindrucksvollen Katalog haben die Führer genau 25 Stunden Zeit, verteilt auf Plenarsitzungen und Arbeitsessen, nebenbei nutzen die Staats- und Regierungschefs den Gipfel auch noch zu intimeren Zweiertreffen. Für Obama, seit Montag auf Europa-Tournee, geht es darum, den Eindruck zu verwischen, die amerikanische Großmacht handele gegenüber alten Freunden im Alleingang. Zugleich sorgt sich Washington um seinen bröckelnden Einfluss etwa in Nahost.

Genug zu debattieren, aber nicht genug für Gastgeber Sarkozy. Damit Deauville nicht als Routine-Gipfel "G8 mit Gästen" untergeht, hat sich der Staatschef einen eigenen Themenschwerpunkt auserkoren: das Internet. "Eine Premiere", freuen sich Frankreichs Diplomaten über die gelungene Überraschung, die sicherstellen soll, dass an der Küste der Normandie Geschichte geschrieben wird. Und die Führer der wichtigsten Staaten der Welt sollen den Gegenstand gleich in aller Tiefe ausloten. "Die Entwicklung des Internets", zählt die Gipfel-Prosa des Elysée als Programmpunkt auf, "dessen Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum, auf die Veränderungen unserer Gesellschaften, sowie auf die Förderung der Menschenrechte und demokratischen Freiheiten".

Digitaler Olymp unter Zelten in Paris

Um dem Anspruch gerecht zu werden, hat Sarkozy dem eigentlichen Treffen ein Vorprogramm in Paris verordnet, einen "elektronischen Gipfel" unter dem Kürzel "e-G-8": Rund tausend Persönlichkeiten, der "Gotha des Webs wird in Paris versammelt", freut sich die Tageszeitung "Le Figaro". Zum digitalen Olymp unter Zelten in den Tuilerien-Gärten in Paris sind unter anderem die Chefs von Facebook, Amazon, und Google angereist, außerdem Wikipedia-Gründer Jimmy Wales und einige wenige Netz-Bürgerrechtler wie John-Perry Barlow, Gründer der Electronic Frontier Foundation. Diskutiert wird über 15 Schwerpunkte, darunter Inhalte, Kontrollen oder Unterstützung für angehende Web-Unternehmen. Gesponsert von den Multis der Branche, darf eine handverlesene Gruppe der Web-Promis anschließend in Deauville erscheinen, um den Staats- und Regierungschefs die Ergebnisse des informellen Brainstormings zu erläutern.

Nicht nur die Diplomatie hat für Deauville mobil gemacht, das taten auch die Gipfel-Gegner - Gewerkschafter, Globalisierungskritiker, Grüne und linke Parteien. Schon am Wochenende trafen sich rund 7000 Demonstranten in der Normandie zum kritischen Gegen-Event. Allerdings musste die bunte Kundgebung auf Distanz zum Tagungsort gehen - das Treffen fand daher in Le Havre statt, auf der anderen Seite der Seine-Mündung.

Nichtregierungsorganisationen wollen dennoch die Gelegenheit nutzen, um die politischen Führer vor allem an ihre eigenen Zusicherungen gegenüber der Dritten Welt zu erinnern. Konkrete Maßnahmen zur Einlösung ihrer angekündigten Entwicklungshilfe fordert etwa Oxfam von den G-8-Staaten und erinnert daran, dass "in der Bilanz zur Umsetzung der Versprechen eine Lücke von 19 Milliarden US-Dollar klafft", so Jörn Kalinski, Kampagnenleiter von Oxfam Deutschland. "Die G8 sind bei der Entwicklungsfinanzierung als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet."

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