Gaddafi-Sohn Saif al-Islam Überraschender Auftritt eines Gejagten

Gaddafi-Sohn Saif al-Islam: Überraschender Auftritt eines Gejagten
Foto: DARIO LOPEZ-MILLS/ AFPKairo/Tripolis - Es war ein überraschender Auftritt in der Nacht zum Dienstag: Der wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesuchte Gaddafi-Sohn Saif al-Islam ist nach Berichten der britischen BBC nicht in der Hand der libyschen Rebellen. Der 39-Jährige sei auf freiem Fuß und in Tripolis im Hotel Rixos mit Journalisten zusammengetroffen, hieß es auf der Internetseite des Senders. Er sei in einem gepanzerten Fahrzeug vorgefahren. In dem Hotel, das in einem von Regierungstruppen kontrollierten Gebiet liegt, haben zahlreiche ausländische Journalisten ihr Quartier.
Saif konterte demnach Berichte, wonach der Sieg der Rebellen nahezu perfekt sei. "Ich bin gekommen, um die Gerüchte zu zerstreuen", sagte er vor den Journalisten. "Wir haben den Rebellen das Rückgrat gebrochen", habe er laut BBC während des Kurzauftritts erklärt. Auf die Frage, ob sein Vater sich noch in Tripolis befinde und in Sicherheit sei, habe er achselzuckend "selbstverständlich" erwidert. "Tripolis ist unter unserer Kontrolle", sagte der Gaddafi-Sohn laut CNN. Er habe angekündigt, eine Tour durch die Stadt unternehmen zu wollen, um zu zeigen, dass dies sicher sei.
Dem BBC-Bericht zufolge blieb bei dem kurzen Auftritt am Hotel unklar, ob Saif al-Islam al-Gaddafi aus der Hand der Rebellen freigekommen sei oder sich überhaupt nicht in ihrer Gewalt befunden habe. Wie es weiter hieß, strahlte der regierungstreue Sender al-Urubah in der Nacht jedoch eine kurze Erklärung des Gaddafi-Sohns aus, in der dieser bestritt, gefangen genommen worden zu sein.

Machtkampf in Libyen: Saif al-Islams Auftritt vor Reportern
Der Auftritt zeigt, wie diffus die Lage in Tripolis ist. Viele Meldungen lassen sich von unabhängiger Seite nicht bestätigen. So hatten die Aufständischen mitgeteilt, dass sie Saif al-Islam am Sonntagabend gefangen genommen hätten. Er wird ebenso wie sein Vater und dessen Schwager, Geheimdienstchef Abdullah Sanussi, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht. Chefankläger Luis Moreno-Ocampo hatte am Montag bereits mit Vertretern des libyschen Übergangsrates über eine mögliche Überstellung des 39-Jährigen nach Den Haag gesprochen.
Kampf um Gaddafis Residenz
Unterdessen gingen die Kämpfe rund um die Residenz Gaddafis in Tripolis auch in der Nacht weiter. Wie der arabische Nachrichtensender al-Arabija unter Berufung auf Angaben der Rebellen berichtete, griff auch die Nato das Anwesen im Stadtteil Bab al-Asisija an. Es seien schwere Explosionen zu hören gewesen.
Die Rebellen kontrollieren nach ihrem Einmarsch in der Nacht zum Montag nach eigenen Angaben nun bis zu 95 Prozent der libyschen Hauptstadt. Die Residenz des Diktators auf einem schwer gesicherten Militärgelände ist aber weiter in der Hand der Regierungstruppen. Ein Bunkersystem unter der Anlage gilt als ein möglicher Aufenthaltsort Gaddafis. Anderen Spekulationen zufolge könnte sich der Diktator in Richtung algerische Grenze oder in seinen Heimatort Sirte abgesetzt haben, der ebenfalls noch von Regierungstruppen kontrolliert wird.
Wie der arabische Nachrichtensender al-Dschasira in der Nacht zum Dienstag berichtete, fanden Rebellen zwei Leichen, bei denen es sich um die von Sanussi und die von Chamis al-Gaddafi, eines weiteren Sohnes des Diktators, handeln könnte. Eine Bestätigung dafür gab es aber nicht. Chamis al-Gaddafi, der eine Eliteeinheit der Truppen seines Vaters im Kampf gegen die Rebellen kommandierte, wurde bereits mehrfach von den Aufständischen für tot erklärt. Das Regime hatte die Angaben jedes Mal zurückgewiesen. Am Montag war Gaddafis ältestem Sohn Mohammed nach Berichten der Rebellen die Flucht gelungen. Er hatte sich den Angaben zufolge beim Einmarsch der Aufständischen am Sonntagabend ergeben und war unter Hausarrest gestellt worden. Später sei er mit Hilfe von Regierungstruppen entkommen, hieß es.
Hilfe aus Misurata
Die libyschen Rebellen stellen sich auf einen längeren Kampf um das Anwesen von Diktator Muammar al-Gaddafi in Tripolis ein. "Ich gehe nicht davon aus, dass die Eroberung leicht sein wird", sagte Abdul Hakim Ghoga, Sprecher des Nationalen Übergangsrats, in einem Interview mit al-Dschasira. Die Bewohner hätten aber nur geringe Chancen, aus Bab al-Asisija zu entkommen. Am Stadteingang von Tripolis seien zudem Kontrollpunkte errichtet worden, so dass auch Gaddafis Sohn Mohammed nicht flüchten könne.
Bei ihrem Kampf um die Kontrolle von Tripolis haben die Rebellen weitere Verstärkung aus der Hafenstadt Misurata erhalten. Mehrere Schiffe mit rund 500 Kämpfern und Waffen an Bord hätten am Montag die Stadt erreicht, weitere Aufständische seien über die Küstenstraße vorgedrungen, teilte der Militärrat von Misurata mit. Gaddafis Soldaten hätten den Konvoi auf dem Weg nach Tripolis beschossen und dabei drei Rebellen getötet. Weitere Kämpfer hätten von Misurata aus ihren Vormarsch auf Sirte, Gaddafis Geburtsort, fortgesetzt.
In der Nähe der Stadt haben die libyschen Streitkräfte laut US-Angaben am Montagabend erneut eine Scud-Rakete abgefeuert. Wo das Geschoss landete und ob es Verletzte gab, war zunächst nicht bekannt. Die libyschen Regierungstruppen hatten am 15. August erstmals seit Beginn des Konflikts eine Scud-Rakete abgefeuert. Sie wurde ebenfalls in der Nähe von Sirte abgeschossen und landete in der Wüste außerhalb von Brega. Verletzt wurde niemand.