Besuch in Jerusalem Gauck irritiert wachsende Israel-Kritik in Deutschland

Bundespräsident Gauck ist nach Israel gereist, um ein Zeichen für die deutsch-israelische Freundschaft zu setzen. Das Staatsoberhaupt signalisierte in Jerusalem, dass ihn die kritische Haltung vieler Landsleute zum jüdischen Staat beunruhige.
Besuch in Jerusalem: Gauck irritiert wachsende Israel-Kritik in Deutschland

Besuch in Jerusalem: Gauck irritiert wachsende Israel-Kritik in Deutschland

Foto: Wolfgang Kumm/ dpa

Jerusalem - "Deutschland und Israel sind enger verbunden als jemals zuvor", sagte Bundespräsident Joachim Gauck am Dienstag bei einer kurzen Ansprache in Jerusalem. Die Betonung der deutsch-israelischen Freundschaft ist dem Staatsoberhaupt bei seinem Staatsbesuch in Israel wichtig. Umso mehr irritiert Gauck die wachsende Kritik an Israel in Deutschland: "Ohne Umfragen überzubewerten: Als Freund Israels besorgen mich die Ergebnisse dennoch", antwortete er der Zeitung "Haaretz" auf eine Frage nach dem sinkenden Ansehen Israels in Deutschland.

Eine Umfrage hatte kürzlich ergeben, dass 70 Prozent der Deutschen Israel vorwerfen, seine Interessen ohne Rücksicht auf andere Völker zu verfolgen, und 59 Prozent die israelische Politik für aggressiv halten.

"Aus den Abgründen seiner Geschichte kommt Deutschland eine einzigartige Verantwortung gegenüber Israel zu", sagte Gauck. "Wachsende Ressentiments gegenüber Israel sind zwar nicht allein ein deutsches Phänomen, aber wir Deutsche sollten uns besonders kritisch fragen: In welchem Geist urteilen wir über israelische Politik? Doch bitte nur im Geist der Freundschaft. Da ist durchaus auch Platz für Kritik, nicht aber für Vorurteil", betonte der Bundespräsident.

Die umstrittenen Äußerungen von Literaturnobelpreisträger Günther Grass, Israel bedrohe den Weltfrieden, bezeichnete Gauck als dessen persönliche Meinung. Sie entspreche jedoch nicht der deutschen Politik. "Wir treten dafür ein, dass Israel in Frieden und in gesicherten Grenzen leben kann", betonte Gauck. Dafür sei die Zwei-Staaten-Lösung und die Berücksichtigung der "berechtigten Anliegen des palästinensischen Volkes" entscheidend.

Gauck war zuvor von Israels Präsident Schimon Peres im Präsidentenpalast mit militärischen Ehren begrüßt worden. Auch Peres betonte die "enge Freundschaft" zwischen beiden Ländern.

Gauck will in Israel "ein Zeichen der Solidarität in schweren Zeiten" setzen. Peres hatte den Bundespräsidenten zu dem Staatsbesuch eingeladen.

Gauck pochte in Israel auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Das Existenzrecht Israels müsse geschützt werden, andererseits müssten auch die berechtigten Belange des palästinensischen Volkes geachtet werden. Nötig sei "eine Lösung, die Wirklichkeit werden kann, wenn beide Seiten aufeinander zugehen und die Rechte des jeweils anderen anerkennen". Hintergrund ist der seit Monaten erneut stockende Friedensprozess und der anhaltende Bau jüdischer Siedlungen in den von Israel besetzten Palästinenser-Gebieten.

Gauck, der von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt begleitet wird, war am Montag in Israel eingetroffen. Am Dienstag steht auch ein Treffen mit Überlebenden und Hinterbliebenen des Attentats auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen 1972 in München auf dem Programm.

Zum Mittagessen trifft Gauck den Schriftsteller und Friedensaktivisten David Grossman, der 2010 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden war. Auch ein Treffen mit Außenminister Avigdor Lieberman war vorgesehen.

Zum Abschluss der Reise wird Gauck am Donnerstag auch die palästinensischen Gebiete besuchen. Es ist der erste offizielle Staatsbesuch seiner Amtszeit und die erste Reise als Bundespräsident in ein außereuropäisches Land. Zuletzt hatte Bundespräsident Christian Wulff 2010 Israel besucht.

hen/dpa/dapd/Reuters
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