Gaza Israels blutigster Militäreinsatz seit mehr als einem Jahr
Gaza - Kurz vor Sonnenaufgang drangen israelische Soldaten, Panzer und Helikopter in den Norden des Gaza-Streifens ein. Nach Angaben einer Militärsprecherin wurden die vordringenden Truppen von bewaffneten Einwohnern mit Mörsergranaten und Schnellfeuergewehren angegriffen. Eine Gruppe bewaffneter Männer sei mit Unterstützung der Luftwaffe beschossen worden.
Ersten offiziellen Angaben zufolge wurden bei dem Angriff neun Palästinenser getötet, mittlerweile stieg die Zahl der Opfer auf 19. Mehr als 50 Menschen sind nach Angaben der Ärzte zum teil verletzt worden. Unter den Verletzten war auch ein acht Jahre alter Junge. Viele Opfer hätten Gliedmaßen verloren, sagte der Arzt Moaija Hassanain vom Gesundheitsministerium. Angesichts der vielen Verwundeten rief das Schifa-Krankenhaus zu Blutspenden auf.
Unter den Toten war nach Krankenhausangaben ein Sohn des Hamas-Führers Mahmud al-Sahar. Der 23-jährige Hussam al-Sahar sei bei den Kämpfen im Viertel Saitun in Gaza getötet worden, hieß es aus palästinensischen Kreisen. Mahmud al-Sahar soll angekündigt haben, "Israel auf die einzige Weise zu antworten, die es versteht". Bei den bisher schwersten Gefechten seit einem Jahr starben nach Angaben der Ärzte vierzehn Mitglieder der Kassam-Brigaden, des bewaffneten Arms der radikalislamischen Hamas.
Nach dem Tod von Hussam Sahar feuerte die Hamas nach eigenen Angaben 17 Geschosse auf zwei kleinere Grenzübergänge mit Israel und drei Raketen auf die Stadt Sderot ab. Fünf Personen wurden nach Angaben von Rettungskräften leicht verletzt. Zuvor hatte den Streitkräften zufolge eine Rakete die Stadt Aschkelon getroffen.
"Israel handelt, um seine Zivilbevölkerung vor dem täglichen Raketenbeschuss zu schützen", sagte der israelischen Regierungssprecher Mark Regev. Nach Worten einer israelischen Armeesprecherin gingen die Streitkräfte "gegen terroristische Bedrohungen" vor. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte das israelische Vorgehen als "Massaker" am palästinensischen Volk.
"Was heute passiert ist, ist ein Massaker, ein Gemetzel", sagte Abbas vor Journalisten in Ramallah im Westjordanland: "Derartige Massaker werden keinen Frieden bringen." Der Palästinenserpräsident fügte allerdings hinzu, wenn es Israel mit dem Frieden im Nahen Osten ernst sei, gehe er von einem Friedensvertrag noch vor Jahresende aus.
Im Verlauf der Gefechte erschoss ein palästinensischer Heckenschütze in einem israelischen Grenzort einen 20-jähriger freiwilliger Helfer aus Ecuador in einem Kibbuz. Der junge Mann arbeitete den Angaben zufolge in der Nähe des Grenzzauns auf einem Feld, als er getroffen wurde. Die Kassam-Brigaden, der militärische Flügel der Hamas, bekannten sich in einer in Gaza veröffentlichten Erklärung zu den tödlichen Schüssen.
Israel und die Palästinenser verhandeln seit der internationalen Nahost-Konferenz von Annapolis im November wieder über einen Friedenschluss. Nach dem Willen von US-Präsident George W. Bush soll dieser noch vor seinem Ausscheiden aus dem Amt im Januar 2009 zustande kommen.
Die Hamas hatte den Gazastreifen im Juni 2007 unter ihre Kontrolle gebracht. Seither sieht Israel das Palästinensergebiet als "feindliche Einheit" und hat harsche Sanktionen gegen die Bewohner verhängt. Die Zahl der vom Gazastreifen aus auf den Süden Israels abgefeuerten Raketen hat seit der Machtübernahme der Hamas massiv zugenommen. Israel seinerseits hat die Zahl seiner Luftangriffe auf den Gazastreifen seither stark erhöht.
cjp/amz/AP/dpa/AFP