Gewalt am Grenzzaun Uno will Untersuchungskommission nach Gaza entsenden

Angesichts der Eskalation der Gewalt am Grenzzaun zum Gazastreifen will die Uno eine Untersuchung einleiten. Der türkische Präsident Erdogan verurteilte das Vorgehen Israels derweil mit scharfen Worten.
Palästinensische Frauen protestieren im Grenzgebiet zu Israel

Palästinensische Frauen protestieren im Grenzgebiet zu Israel

Foto: Khalil Hamra/ AP

Nach dem gewaltsamen Vorgehen israelischer Soldaten gegen Demonstranten in Gaza will der Uno-Menschenrechtsrat eine unabhängige Untersuchungskommission in den Gazastreifen schicken. Experten sollen prüfen, ob dort das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte verletzt wurden, wie es in einer verabschiedeten Resolution heißt. 29 Länder sprachen sich dafür aus, die USA und Australien dagegen und 14 Länder enthielten sich der Stimme, darunter Deutschland.

Israel wies die Resolution als einseitig zurück. "Sie beweist einmal mehr, dass es sich um eine Organisation mit einer automatischen anti-israelischen Mehrheit handelt, in der Heuchelei und Absurdität die Oberhand haben", hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums in Jerusalem.

Am vergangenen Montag hatten die USA ihre Botschaft in Jerusalem eröffnet. Im Gazastreifen kam es parallel zu gewaltsamen Protesten. Nach Informationen des Gaza-Gesundheitsministeriums gab es am Montag 60 Tote, am Dienstag zwei weitere. Insgesamt wurden an beiden Tagen rund 3000 Palästinenser verletzt. Am Donnerstag flog Israel gezielte Luftangriffe auf Ziele im Gaza-Streifen.

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Proteste im Gazastreifen: Brennende Reifen, fliegende Steine

Foto: Dawoud Abo Alkas/ dpa

Erdogan: "Methoden, die denen der Nazis in nichts nachstehen"

Die jüngste Gewalt am Grenzzaun zwischen Israel und dem Gazastreifen war auch Thema beim Gipfel der Organisation Islamischer Kooperation (OIC) in Istanbul. Recep Tayyip Erdogan hatte das Spitzentreffen der Organisation, die 57 Staaten umfasst, am Dienstag einberufen. Auf der Teilnehmerliste des türkischen Außenministeriums fanden sich neben Erdogan nur zwölf Staats- und Regierungschefs, darunter der iranische Präsident Hassan Rohani. Die Türkei hat derzeit den rotierenden Vorsitz der OIC inne. Erdogan gehört zu den schärfsten Kritikern der israelischen Regierung.

Recep Tayyip Erdogan

Recep Tayyip Erdogan

Foto: Getty Images

Bei einer Großkundgebung unmittelbar vor dem Gipfel der Organisation für islamische Kooperation (OIC) rief Erdogan Muslime weltweit dazu auf, nach dem Vorgehen Israels in Gaza Geschlossenheit zu zeigen. Das gewaltsame Vorgehen Israels gegen Palästinenser verglich er mit Methoden der Nationalsozialisten im Dritten Reich. "Die Kinder der Menschen, die im Zweiten Weltkrieg in Konzentrationslagern auf jede erdenkliche Weise gefoltert wurden, greifen heute leider mit Methoden, die denen der Nazis quasi in nichts nachstehen, unschuldige Palästinenser an."Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim Israel Völkermord an den Palästinensern vor.

Seit dem 30. März kamen bei den Protesten am Grenzzaun nach Angaben des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, mehr als 100 Menschen ums Leben. Mindestens 87 Palästinenser seien von israelischen Soldaten erschossen worden. Erdogan wies Rechtfertigungen Israels zurück, dass die Sicherheitskräfte alles täten, um die Opferzahlen so niedrig wie möglich zu halten: "Dafür gibt es so gut wie keine Anzeichen." Die Palästinenser seien unter Israel als Besatzungsmacht "eingepfercht in einen giftigen Slum von der Geburt bis zu Tod, jeder Würde beraubt."

Israelische Botschafterin: "Hamas versteckt sich hinter Frauen und Kindern"

Die israelische Botschafterin in Genf, Aviva Raz Shechter, wies alle Vorwürfe zurück. Israel verteidige sich lediglich gegen Angriffe. Sie warf der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas vor, Frauen und Kinder an die Front zu schicken, um sich dahinter zu verstecken. Hamas-Chef Ismail Hanija kündigte eine Fortsetzung der Massenproteste an der Grenze zu Israel an. Ägypten will einen eigenen Grenzübergang zum Gazastreifen während des gesamten muslimischen Fastenmonats Ramadan geöffnet halten.

Der Menschenrechtsrat hat auch schon 2009 und 2014 Untersuchungskommissionen zu Gaza eingesetzt. Die israelische Regierung verweigerte jeweils die Zusammenarbeit. Die Kommission kann deshalb in Israel nicht recherchieren und hört, so weit es geht, Zeugen außerhalb des Konfliktgebietes an oder verlässt sich auf Zulieferungen von Beobachtern vor Ort.

Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums wollte sich am Freitag nicht zu der Frage äußern, ob Israel dem Untersuchungsteam dieses Mal die Einreise erlauben werde. Die Ergebnisse einer solchen Untersuchung seien von vornherein bekannt. "Es ist allen klar, dass das Ziel des Rats nicht die Wahrheitsfindung ist." Es gehe vielmehr darum, Israel daran zu hindern, sein Recht auf Selbstverteidigung auszuüben und den jüdischen Staat zu dämonisieren.

Bei neuen Konfrontationen an der Gaza-Grenze wurden am Freitag mehrere Palästinenser verletzt. Zuvor hatten Palästinenser Lenkdrachen mit Brandsätzen auf die israelische Seite der Grenze fliegen lassen. Dadurch wurden mehrere Brände ausgelöst, begünstigt durch eine Hitzewelle in der Region.

ans/dpa
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