Gaza-Offensive "Ab jetzt wird der Krieg auch uns wehtun"
Im Fernseher flackern grünstichige Bilder, israelische Soldaten rücken nach Gaza ein. Es ist Samstagnacht, in Tel Aviv verfolgen einige Journalisten gemeinsam die Nachrichten. Auf dem Couchtisch liegen ihre Handys: Alle hier haben gedient, der Anruf, der auch sie zu den Waffen ruft, kann jederzeit kommen. "Das ist beängstigend", sagt einer, als im TV leuchtend orangefarbene Explosionen die Nacht erhellen. "Von jetzt an wird der Krieg auch uns weh tun." Ein Kollege starrt düster auf die Bilder: "Mein Cousin ist 19 Jahre alt, er ist einer von denen, die jetzt gerade nach Gaza gehen. Wie mein Onkel und meine Tante die Angst aushalten, weiß ich nicht. Schlafen tun sie jedenfalls nicht mehr."
Die Angst um geliebte Angehörige erfasst seit Beginn der Gaza-Bodenoffensive viele Israelis, denn nun ist ein großer Teil der Bevölkerung direkt vom Krieg betroffen. Es sind Väter, Ehemänner und Söhne, die an die Front ziehen. Das Kabinett hat gebilligt, Zehntausende Reservisten zu mobilisieren, Tausende sind auf dem Weg zu ihren Stützpunkten. Fast alle Israelis haben Wehrdienst geleistet. Frauen zwei Jahre, Männer drei. Bis zum 45. Lebensjahr sind Männer Teil der Reserve.
Am Sonntag schwören israelische Zeitungen die Bevölkerung auf mögliche Verluste ein. "Israel ist in diese Bodenoperation hineingegangen, wie jemand, der ein kaltes Bad nimmt", schreibt Nahum Barnea in der größten Tageszeitung "Yedioth Ahronoth". "Die Erwartungen sind gering, die Ängste groß." Trotzdem sei die Offensive zu begrüßen - so sie denn ein klares Ziel verfolgt und nicht ausufert, schreibt Barnea, der zu den bekanntesten Kommentatoren Israels zählt. "Wir sind nicht nach Gaza einmarschiert, um einen neuen Nahen Osten zu kreieren. Wir sind nicht nach Gaza einmarschiert, um so viele Palästinenser wie möglich zu töten und die Zivilbevölkerung ins Elend zu stürzen. Wir gehen nach Gaza, um für uns (und damit auch für die Bevölkerung im Gaza-Streifen) für eine sehr lange Zeit Ruhe und Sicherheit herzustellen. Dies ist das Ziel, dies und nichts anderes."
In den ersten Tagen des Gaza-Krieges hatte in Israel noch Begeisterung geherrscht: Die Luftschläge setzten der Hamas hart zu. Verluste in der israelischen Armee waren nicht zu beklagen. Dies wird sich nun aller Voraussicht nach ändern: Schon in der ersten Nacht der Bodenoffensive wurden israelische Soldaten verletzt.
Die These, die Ben Caspit im Massenblatt "Maariv" formuliert, dürfte einem Großteil der jüdischen Bevölkerung Israels aus dem Herzen sprechen. Der Krieg gegen die Hamas sei absolut gerechtfertigt, schreibt er. Das größte Problem, dem Israel nun gegenüberstehe, sei die geringe Toleranz gegenüber den eigenen Verlusten. "Wenn wir leben wollen, an diesem Ort, dann müssen wir das ändern", so Caspit. "Wie sollten beten, dass die nächsten Tage nicht von Hysterie geprägt sind. Nicht in den Medien, nicht in der Öffentlichkeit. Es ist möglich, dass es schreckliche Bilder geben wird. Und es ist auch möglich, Gott behüte, dass es militärische Begräbnisse geben wird. So ist es während eines Krieges. Soldaten werden getötet." Israel dürfe die Armee nicht unter Druck setzen, müsse Geduld lernen und starke Nerven entwickeln. "Nicht nur der Nahe Osten sieht uns nun zu. Die ganze Welt schaut auf uns", schreibt Caspit.
Die Zustimmung für den Einsatz von Bodentruppen hat sich in der Bevölkerung langsam herausgebildet - als sich abzeichnete, dass die Möglichkeiten eines Luftkriegs erschöpft waren. In einer Meinungsumfrage, die "Maariv" am Donnerstag veröffentlicht hatte, gaben 42 Prozent, an, für einen Einmarsch in den Gaza-Streifen zu sein. 40 Prozent erklärten dagegen, Israel solle sich auf Luftangriffe beschränken. Nur etwa neun Prozent forderten einen sofortigen Waffenstillstand.
"Die erste Phase der Bodenoperation soll mehrere Tage dauern", schreibt Militärexperte Alex Fishman nun in der "Yedioth Ahronoth". Danach solle Israel mit internationalen Vermittlern die Komponenten eines Waffenstillstands mit der Hamas diskutieren. Israels Bedingungen seien dabei: Einstellung des Raketenbeschusses seitens der Hamas, Stopp der Aufrüstung der Islamisten, und internationale Sanktionen, falls die Hamas die Auflagen bricht, so Fishman.
Regierungschef Ehud Olmert hat sich am Sonntag an die Bevölkerung gewandt: Die Bodenoffensive sei "unvermeidbar" gewesen, sagte er. Seine Regierung habe keine andere Möglichkeit gehabt.