Gefangene im Irak Auch die Briten haben gefoltert

Die vom amerikanischen Fernsehsender CBS aufgedeckten Misshandlungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten hat wohl nur die Spitze eines Eisbergs sichtbar gemacht. Nach einem Bericht des "Daily Mirror" haben auch britische Soldaten Gefangene gefoltert.

London/Washington - Das Blatt veröffentlichte in seiner Samstagsausgabe Fotos britischer Soldaten, die einen Iraker dem Anschein nach mit Gewehrkolben schlagen und auf ihn urinieren. Dem Zeitungsbericht zufolge war ein irakischer Mann - ein mutmaßlicher Dieb - acht Stunden lang von britischen Soldaten misshandelt worden. Sie hätten gedroht, ihn hinzurichten, und ihm mit ihren Schlägen den Kiefer gebrochen und Zähne ausgeschlagen. Er habe geblutet und sich übergeben. Das Opfer sei anschließend von einem fahrenden Wagen geworfen und liegen gelassen worden. Ob der Mann überlebt habe, sei nicht bekannt.

Das Verteidigungsministerium in London ordnete noch am Freitagabend eine Untersuchung an. General Sir Michael Jackson, der Oberkommandant des Heeres, bezeichnete das Geschehen als beschämend. "Wenn sich das bewahrheitet, sind die Täter nicht würdig, die Uniform der Königin zu tragen", sagte er. "Sie haben den guten Ruf des Heeres und seine Ehre in den Schmutz gezogen." Premierminister Tony Blair schloss sich dem an, wie einer seiner Sprecher mitteilte. Das Verhalten sei aber keineswegs typisch für die britischen Soldaten, sagte er.

Ähnlich hatte sich am Freitag auch US-Präsident George W. Bush über die Misshandlungen irakischer Häftlinge durch US-Soldaten geäußert. "Ich teile die tiefe Abscheu über die Art, wie die Häftlinge behandelt worden sind." Diese Behandlung entspreche nicht dem Wesen der Amerikaner, sagte der Präsident.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, kündigte eine genaue Untersuchung des Falles an. "Es tut uns sehr leid, dass dies Menschen angetan wurde, und wir werden alles in unserer Macht stehende tun, damit sich so etwas nicht wiederholt", sagte der Sprecher des US- Außenministeriums, Richard Boucher, am Freitag in Washington.

Unterdessen ist die Leiterin des Gefängnisses Abu Ghraib, Brigadegeneralin Janis Karpinski, vom Dienst suspendiert worden. Sie war die Vorgesetzte von sechs Soldaten, die an den Übergriffen beteiligt waren, wie eine Militärsprecherin am Freitag mitteilte. Neben Karpinski seien mindestens sieben weitere Personen von ihren Aufgaben im Militärgefängnis Abu Ghraib entbunden worden, erklärte Oberst Jill Morgenthaler.

Die Soldaten, gegen die ein Militärgerichtsverfahren eröffnet werden soll, haben nach Angaben Morgenthalers vor ihrem Einsatz in dem Gefängnis keine eingehende Unterrichtung über die Bestimmungen der Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen erhalten. Fotos, die vom amerikanischen Fernsehsender CBS veröffentlicht wurden, zeigen nackte Gefangene in demütigenden Stellungen

In New York zeigte sich Uno-Generalsekretär Kofi Annan von den Vorfällen beunruhigt. Er hoffe, dass sich so etwas nicht wiederhole. Annan betonte: "Ich lehnte die Misshandlung von Häftlingen ab - egal unter welchen Umständen und an welchem Ort." Damit bezog er sich nach Angaben seines Sprechers, Fred Eckhard, auch auf das Lager im kubanischen Guantanamo, in dem die USA hunderte mutmaßlicher El Kaida-Terroristen gefangen halten.

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