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Großbritannien: Geheimdienstchefs im Kreuzverhör

Foto: AP/ Parliamentary Recording Unit

Anhörung im britischen Unterhaus Geheimdienst beschuldigt Snowden der Hilfe für al-Qaida

Bei einer live übertragenen Anhörung verteidigen die britischen Geheimdienstchefs ihre Rolle im NSA-Abhörskandal - und greifen Edward Snowden an. Sie behaupten: Al-Qaida saugt die Enthüllungen begierig auf.

Das Wort "Sorry" kam ihnen nicht über die Lippen. Andrew Parker, John Sawers und Iain Lobban, die Chefs der britischen Geheimdienste MI 5, MI 6 und GCHQ, mussten sich am Donnerstag vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Unterhauses erklären. Die erstmals im Fernsehen übertragene Sitzung sollte Einblicke in die Arbeit der Spione liefern. Dazu zählt auch ihre Rolle im NSA-Abhörskandal.

Wer Selbstkritik erhofft hatte, wurde enttäuscht. MI 5-Chef Parker, der die Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden vor einem Monat als "Geschenk für Terroristen" bezeichnet hatte, blieb bei seiner harten Linie. Die Veröffentlichung der geheimen NSA-Dokumente habe die Geheimdienstarbeit erschwert, sagte er.

MI 6-Chef Sawers - bislang vor allem dafür bekannt, dass private Fotos von ihm in Badehose auf Facebook auftauchten - wurde deutlicher. Ohne Snowden beim Namen zu nennen, sagte er, die Enthüllungen hätten britische Operationen gefährdet. "Unsere Gegner reiben sich die Hände, al-Qaida saugt es begierig auf", sagte er. Es sei klar, dass die beteiligten Journalisten nicht in der Lage seien, die Brisanz des Materials zu beurteilen.

GCHQ-Chef Lobban sagte, seine Leute belauschten "beinahe täglich" Diskussionen zwischen Terrorgruppen, wie sie aufgrund der veröffentlichten Techniken die Geheimdienste austricksen könnten. "Wir sind viel, viel schwächer als vor fünf Monaten." Im Juni hatte der "Guardian" die ersten NSA-Dokumente veröffentlicht.

Auf Nachfrage wollte das Trio jedoch keine konkreten Beispiele nennen, worin genau der Schaden der Veröffentlichungen bestehe. Er werde den Schaden nicht noch größer machen, indem er öffentlich Beispiele nenne, sagte Lobban. Er sei aber bereit, dem Gremium in geheimer Sitzung einige Fälle zu schildern.

Das Internet - wie ein großes Heufeld

Lobban wurde auch nach dem Eindringen in die Privatsphäre von Internetnutzern gefragt. Die NSA-Dokumente hatten gezeigt, dass der britische Abhördienst gemeinsam mit den US-Kollegen die privaten Daten von Millionen Internetnutzern weltweit absaugt und analysiert. Lobban sagte, es werde niemand belauscht, der nicht Kontakt zu Kriminellen oder Terrorverdächtigen habe. Das sei nicht nur illegal, sondern auch Zeitverschwendung. Er verglich das Internet mit einem großen Heufeld. Sie suchten nur nach der Nadel in bestimmten Heuballen. Den Vorwurf der willkürlichen Schnüffelei im Privatleben unbescholtener Bürger wies er zurück. "Ich stelle keine Leute ein, die sowas tun würden."

Beweise für alle diese Behauptungen gab es nicht. Der Informationsgehalt der Sitzung, die mit zweiminütiger Verzögerung übertragen wurde, war dürftig. So bleiben Zweifel, ob das Format in irgendeiner Weise die Aufsicht der Spione verbessert.

Die Live-Übertragung der Ausschusssitzung gehört zu einer Transparenzoffensive der Geheimdienste. Jahrzehntelang hatten die Spionagechefs die Öffentlichkeit gemieden. Erst seit den neunziger Jahren wird ihre Identität bekanntgegeben. Seit 2010 treten sie öffentlich in Erscheinung und halten Reden. Dem Parlamentarischen Kontrollgremium hatten sie bislang schon hinter verschlossenen Türen Auskunft gegeben. Die öffentliche Befragung sollte nun signalisieren, dass man die demokratische Kontrolle ernst nimmt. Der Auftritt war bereits geplant worden, bevor die Snowden-Enthüllungen im Juni begannen.

Die Möglichkeit, öffentliche Anhörungen abzuhalten, ist eine neue Befugnis des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Der neunköpfige Ausschuss, dessen Mitglieder vom Premierminister nominiert werden, war dieses Jahr mit mehr Geld und Macht ausgestattet worden. Kritiker fordern, dass die Aufsicht noch weiter gestärkt werden müsse. Doch sowohl der Ausschussvorsitzende Malcolm Rifkind als auch Premierminister David Cameron sind der Meinung, die Kontrolle der Geheimdienste sei ausreichend.

Die Geheimdienstchefs warnten davor, ihre Befugnisse zur Überwachung des Internets einzuschränken. Wenn die Politik die technischen Fähigkeiten der Dienste reduziere, so Sawers, schrumpfe auch deren Fähigkeit, das Land zu schützen.

Am Abend äußerte sich dann noch Außenminister William Hague zu den Berichten über eine angebliche Abhörstation in der britischen Botschaft in Berlin. "Ich werde Vorwürfe weder bestätigen noch dementieren, bei Dingen, die über unsere Geheimdienste behauptet werden", sagte er Channel 4 News. "Es gibt dafür sehr, sehr gute Gründe, selbst wenn es Dinge sind, die nicht einmal den Tatsachen entsprechen."

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