Geisel-Deal Italien verteidigt Verhandlungen mit Taliban
Rom - Es sei immer das Ziel der italienischen Regierung gewesen, Menschenleben zu retten, sagte der italienische Außenminister Massimo D'Alema heute in der italienischen Abgeordnetenkammer. "Die Rettung Mastrogiacomos wiegt nicht den Tod des afghanischen Übersetzers und des afghanischen Fahrers auf - dass Mastrogiacomo freikam, ist dennoch ein positives Resultat, auf das wir unsere Bemühungen gerichtet haben", so D'Alema. Zu Beginn der heutigen Sitzung hatte das Parlament in einer Schweigeminute der beiden von den Taliban ermordeten Afghanen gedacht.
Der Reporter Daniele Mastrogiacomo, sein Übersetzer Naschkbandi und sein Fahrer Hagha waren am 5. März in der afghanischen Provinz Helmand von Taliban entführt worden. Am 19. März wurde der Journalist im Austausch für fünf Taliban-Gefangene befreit, seine beiden afghanischen Mitgeiseln hingegen wurden von den Taliban hingerichtet. Der Ausgang des Entführungsfalls sei "sehr schmerzhaft", so D'Alema heute.
Zu einer Erklärung über die Umstände der Geiselbefreiung hatte sich die italienische Regierung entschlossen, nachdem es nach der Ermordung des Übersetzers am Sonntag zu einem heftigen innenpolitischen Streit kam. Die Opposition wirft der italienischen Regierung vor, die beiden afghanischen Männer im Stich gelassen zu haben, und kritisiert die Freilassung von Talibanhäftlingen im Austausch für Mastrogiacomo.
Bei der Befreiung sei von Anfang an auch der italienische Geheimdienst involviert gewesen, sagte D'Alema. Es sei richtig gewesen, mit den Taliban zu verhandeln. Diese Praxis werde "von vielen anderen westlichen Regierungen betrieben - mit unterschiedlichen Ausprägungen".
Afghanische Regierung sagte Unterstützung zu
Auch die Kooperation mit der afghanischen Regierung legte D'Alema dar: Nachdem die italienische Regierung am 6. März eine Bestätigung über die Entführung Mastrogiacomos bekommen hatte, habe sie die Karzai-Regierung um Zusammenarbeit gebeten. Diese habe ihre volle Unterstützung bis zum Ende der Entführung zugesagt.
Die Forderung der Entführer nach der Freilassung inhaftierter Taliban sei bei der afghanischen Regierung nicht auf großen Widerstand gestoßen - drei der Freigelassenen wurden als nicht sehr gefährlich betrachtet,weil sie nach Angaben der afghanischen Behörden Sprecher der Taliban und keine Kämpfer seien, erläuterte D'Alema. Die italienische Regierung habe die Forderung der Taliban nach der Freilassung dreier Talibanhäftlinge im Austausch für die drei Geiseln an die afghanische Regierung weitergegeben.
"Wir mussten uns entscheiden: Beenden wir die Möglichkeiten weiter zu verhandeln oder übergeben wir der afghanischen Regierung die Forderung der Taliban", sagte D'Alema. Man habe sich für letzteres entschieden. Am 17. März, so D'Alema, habe sich die afghanische Regierung schließlich entschlossen, zwei der drei Häftlinge freizulassen. Die Taliban indes hätten sich nicht an die Abmachungen gehalten, als sie nur Mastrogiacomo freiließen und Übersetzer Naschkandi weiter gefangen hielten.
EU-Kommissar: "Italien nicht im Geist der europäischen Solidarität"
Die Rolle der italienischen Nichtregierungsorganisation Emergency, die den Deal mit den Taliban mit ausgehandelt hatte, nannte D'Alema "wertvoll". Im Fall des afghanischen Emergency-Unterhändlers Rahmatullah Hanefi, dem afghanische Behörden Zusammenarbeit mit den Taliban vorwerfen und der deshalb seit Ende März im Gefängnis sitzt, sagte der Außenminister, die italienische Regierung werde sich weiter dafür einsetzen, dass Hanefi gut behandelt werde und - wenn nötig - einen fairen und schnellen Prozess bekomme. Über eine Freilassung könne aber die italienische Regierung nicht entscheiden. Die Hilfsorganisation Emergency hatte gestern ihre ausländischen Mitarbeiter aus Afghanistan aus Protest gegen die Gefangennahme von Hanefi abgezogen.
Die internationale Gemeinschaft müsse über Regeln diskutieren, die für die Freilassung bei Entführungen anzuwenden seien, forderte der italienische Außenminister. Diese Frage müsse sowohl in der Nato als auch in der Uno diskutiert werden.
Franco Frattini, Vizepräsident der Europäischen Kommission, hatte zuvor in einem Zeitungsinterview gesagt, eine gemeinsame europäische Linie, die Verhandlungen mit Terroristen ein für alle mal ausschließe, sei ein unvermeidlicher Schritt. Im europäischen Ausland sei das Verhalten der italienischen Regierung im Entführungsfall Mastrogiacomo nicht "in Übereinstimmung mit dem Geist der europäischen Solidarität" gesehen worden, so Frattini.
Nach der Erklärung Massimo D'Alemas konnte die Opposition Stellung nehmen. Gianfranco Fini, Vorsitzender der Alleanza Nazionale, warf dem Außenminister vor, viele Dinge nicht beim Namen genannt zu haben. "Ich werfe Ihnen vor, dass sie nicht gesagt haben, dass die afghanischen Behörden nicht willens waren, die gefangenen Terroristen freizulassen", sagte Fini.
D'Alema wies die Vorwürfe als haltlos zurück.