Geisel-Krise Israel will Libanon von Außenwelt abschneiden
Beirut/Gaza - "Israel verhängt eine Blockade zu Luft, zu Wasser und zu Land im Rahmen der Operation zur Rückführung seiner zwei entführten Soldaten", teilte der Armeerundfunk heute unter Berufung auf den Generalstab mit. Für die Abriegelung des Landes sei die Marine in libanesische Gewässer eingedrungen, hieß es.
Die israelische Armee hatte das Land zuvor mit einer Welle von Luftangriffen überzogen. Die Luftwaffe feuerte auf Start- und Landebahnen des Beiruter Flughafens Rafik Hariri. Drei Raketen seien dort eingeschlagen, hieß es in Sicherheitskreisen. Der Flughafen wurde geschlossen. Mindestens zwei Flüge seien bereits zu anderen Zielen in Nahost umgeleitet worden.
Anschließend wurde auch ein Vorort der libanesischen Hauptstadt bombardiert. Das verlautete aus Kreisen der libanesischen Polizei und der radikal-islamischen Hisbollah Miliz. Das betroffene Viertel Haret Hriek, in dem sich auch der Hisbollah-Fernsehsender al-Manar befindet, gilt als Hochburg der Hisbollah, deren Milizionäre gestern im Südlibanon an der Grenze zu Israel zwei israelischen Soldaten verschleppt hatten.
Heute morgen und in der Nacht flog Israel auch Luftangriffe im Süden des Landes. Dabei wurde nach Polizeiangaben eine zehnköpfige Familie getötet. Es handele sich um den schiitischen Geistlichen Adel Akkasche, seine Frau und acht Kinder. Bei den Angriffen starben nach Angaben der libanesischen Polizei insgesamt 31 Menschen, 56 weitere wurden verletzt. Der Fernsehsender Al-Dschasira berichtete sogar von 41 Toten.
Die israelische Luftwaffe habe in der Nacht insgesamt rund 40 Luftangriffe geflogen, wie eine Armeesprecherin mitteilte. Ziele seien vor allem Verstecke gewesen, in denen die Hisbollah große Mengen Waffen und Munition aufbewahre. Den internationalen Flughafen von Beirut habe die Hisbollah als Waffenumschlagplatz genutzt.
Nach libanesischen Polizeiangaben flogen Kampfhubschrauber und -flugzeuge mehrere Angriffe rund um die Hafenstadt Tyrus im Südwesten des Landes. In einem Dorf südlich von Tyrus starb ein Mann, als Raketen auf seinem Haus landeten. Die libanesische Armee reagierte mit Flugabwehrraketen. Bei einem Luftangriff auf eine Brücke wurde nach Polizeiangaben ein Soldat getötet. Ein weiterer Soldat und ein Zivilist wurden bei dem Angriff verletzt.
Die israelische Armee hatte ihre Offensive im Süden des Libanon gestern gestartet. Die israelische Regierung machte die libanesische Regierung für die Entführung ihrer Soldaten verantwortlich.
Die Hisbollah-Miliz wiederum griff am Morgen Orte im Norden Israels mit Raketen an. Nach israelischen Militärangaben feuerte sie mehr al 60 Katjuscha-Raketen auf Ortschaften entlang der Grenze zum Libanon. In der Stadt Naharija am Mittelmeer wurde nach Angaben von Ärzten eine Israelin getötet. Nach Armeeangaben gab es zudem mehrere Verletzte. Die Menschen in den Grenzorten wurden aufgefordert, in ihre nächtlichen Unterschlüpfe zurückzukehren.
Die Hisbollah teilte in einer Erklärung mit, sie habe "als Vergeltung für die Massaker an Zivilisten im Südlibanon" die Ortschaft Naharija und den Flughafen von Kirjat Schmona in Nordisrael angegriffen.
Neben der Front im Norden des Landes zum Libanon setzte das israelische Militär in der Nacht auch seine Angriffe im Gaza-Streifen fort. Die Luftwaffe nahm das palästinensische Außenministerium in Gaza unter Feuer. Dabei seien zehn Kinder verletzt worden, teilten Ärzte im El-Schifa-Krankenhaus mit. Eines davon sei erst vier Monate alt. Nach Angaben von Augenzeugen lebten die Kinder in Häusern in der Umgebung des Ministeriums. Ihre Wohnhäuser wurden bei dem Raketenangriff schwer beschädigt.
Mit dem Außenministerium griff die israelische Armee die Behörde eines der prominentesten Hamas-Politiker an. Außenminister Mahmud al-Sahar ist ein seit langem bekannter islamischer Aktivist. Gestern hatte die israelische Luftwaffe das Haus des Chefs der Essedin-el-Kassam-Brigaden, des militärischen Arms der Hamas, angegriffen. Mohammed Deif wurde nach israelischen Angaben und nach Angaben aus einem palästinensischen Krankenhaus verletzt.
Ölpreise auf Rekordhoch
Die Spannungen im Nahen Osten trieben die Ölpreise auf neue Rekordstände getrieben. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der US-Sorte WTI kletterte in der Spitze bis auf 75,89 Dollar. Damit wurde die alte Rekordmarke vom vergangenen Freitag von 75,78 Dollar übertroffen.
als/AFP/Reuters/AP/dpa