Geiseldrama in Algerien Kanadier koordinierte Angriff von Ain Amenas

Gasfeld bei Ain Amenas: Opfer stammen aus acht Ländern
Foto: AFP/ Canal AlgerieAlgier - Wenn es noch eines weiteren Anlasses für die von Frankreich geführte Intervention in Mali gebraucht hätte - die Geiselnehmer vom algerischen Gasfeld Ain Amenas haben ihn geliefert. Die Terroristen seien nämlich anders als zunächst vermutet nicht aus Libyen oder Niger nach Algerien eingedrungen, sondern aus dem Norden Malis. Dies erklärte der algerische Regierungschef Abdelmalek Sellal am Montag.
Die Aktion wurde nach Angaben Sellals zwei Monate lang geplant. Dabei hätten die Terroristen auf das Wissen eines in der Anlage beschäftigten Fahrers zurückgreifen können, sagte Sellal. Der Angriff war für den Fall vorbereitet, dass Algerien dem Drängen Frankreichs nach militärischer Unterstützung im Nachbarland Mali nachgibt und Überflugrechte gewährt.
Die Angreifer sollen auch geplant haben, ihre Geiseln auf einen Stützpunkt in Mali zu verschleppen, um so ein Ende des internationalen Militäreinsatzes zu erzwingen. Dies hätten die privaten Sicherheitskräfte der Gasunternehmen unterbunden, indem sie gleich zu Beginn des Angriffs am Mittwochmorgen die Entführung eines Busses verhinderten, in dem sich ausländische Arbeiter befanden.
Insgesamt kamen nach Angaben Sellals bei dem Anschlag mindestens 66 Menschen ums Leben - 37 Beschäftigte der Förderanlage und 29 Geiselnehmer. Drei Attentäter habe die Armee lebend fassen können. Sieben Ausländer werden noch immer vermisst. Die toten Geiseln kommen aus acht Ländern, die der Premier nicht namentlich nannte. Bislang haben die Regierungen der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Japans, Rumäniens, Norwegens und der Philippinen erklärt, dass Bürger aus ihren Ländern unter den Toten oder Vermissten seien. Viele Opfer seien mit Kopfschüssen getötet worden.
Nach US-Angaben wurden drei Amerikaner getötet. Man wisse von sieben amerikanischen Staatsbürgern, die überlebt hätten, sagte Victoria Nuland, Sprecherin im State Department, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Offizielle algerische Quellen hatten zuvor lediglich von einem toten Amerikaner gesprochen.
Bestätigt sind nach algerischen Angaben außerdem, dass ein Franzose, zwei Rumänen, ein Kolumbianer, drei Briten, sechs Philippiner und sieben Japaner umgekommen sind. Das Schicksal von drei weiteren Japanern ist laut japanischem Premierminister Shinzo Abe unklar.
Außerdem kam ein Algerier bei der von Mittwoch bis Samstag andauernden Geiselnahme ums Leben. Auf der Gasproduktionsanlage waren knapp 790 Menschen beschäftigt, darunter 134 Ausländer aus 26 Nationen.
Die Kidnapper stammten aus Algerien, Ägypten, Mali, Mauretanien, Niger und Tunesien, so Sellal. Mindestens zwei Terroristen besäßen zudem die kanadische Staatsbürgerschaft. Einer der beiden soll den Angriff koordiniert haben. Sein Name wurde nur mit "Chedad" angegeben. Die kanadische Regierung teilte mit, die Angaben würden untersucht, man gehe bisher aber nur von einem beteiligten Kanadier aus. Augenzeugen schildern, dass die Geiselnehmer genaue Ortskenntnisse besaßen und gezielt ausländische Arbeiter auf dem Gasfeld angegriffen hätten. Sellal sagte, unter den Geiselnehmern sei ein ehemaliger Fahrer der Betreiberfirma gewesen.
Französische Truppen rücken in Mali vor
Mokhtar Belmokhtar, Chef der Islamistengruppe al-Muwaqiun bi-l Dam ("Die mit dem Blut unterschreiben"), drohte in einer Videobotschaft weitere Anschläge an. Solange "die französischen Kreuzzügler" in Mali stationiert seien, werde seine Miliz weitere Angriffe auf westliche Ziele in Nordafrika durchführen, sagte Belmokhtar in seiner Rede, die auf den vergangenen Donnerstag datiert war.
Die Franzosen rücken in Mali weiter Richtung Norden vor. Offenbar stehen sie kurz vor der Einnahme der strategisch wichtigen Kleinstadt Diabali, die erst vor einigen Wochen von islamistischen Milizen erobert worden war.
Doch bis das gesamte Staatsgebiet wieder unter Kontrolle der Zentralregierung in Bamako steht, ist der Weg weit. Ein Gebiet, das größer ist als Frankreich, befindet sich derzeit noch immer in Rebellenhand. Mit den etwa 2500 Soldaten, die Paris für die "Opération Serval" bereitstellt, wird es kaum möglich sein, das Gebiet dauerhaft zu befrieden.
Der Anschlag von Ain Amenas beweist die Schlagkraft der islamistischen Terrorgruppen in der Sahara-Region. Und er macht deutlich, dass für die Vereitelung weiterer Attentate ein schnelles Handeln der Franzosen und ihrer Bündnispartner nötig ist.
Der britische Premier David Cameron sagte, London wolle Algerien bei der Untersuchung des Dramas unterstützen. Er bot Hilfe bei Aufklärung und Anti-Terror-Kampf an. Nordafrika, sagte Cameron, werde zum "Magnet für Dschihadisten".
Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi kritisierte bei einer Konferenz in Saudi-Arabien den französischen Militäreinsatz in Mali. "Wir lehnen die ausländische Militärintervention in Mali ab", sagte Mursi zu Beginn eines arabischen Gipfels in Riad.