Georgien-Krise US-Kriegsschiff legt in Poti an
oti - Die "USS Mount Whitney" ankert nach Auskunft des Hafenmeisters Wachtang Tawberidse außerhalb des Hafens von Poti. Nach US-Regierungsangaben sollte das Schiff mehrere Tonnen Hilfsgüter für die georgische Bevölkerung bringen.
Russland steht der verstärkten Präsenz von US- und Nato-Schiffen im Schwarzen Meer ablehnend gegenüber. Andrej Nesterenko, Außenamtssprecher in Moskau, sagte jedoch, Russland plane keine militärische Reaktion auf diese Präsenz. Es sei jedoch fragwürdig, dass die USA Kriegsschiffe zur Lieferung von Hilfsgütern einsetzten, denn dafür seien die Frachträume nicht groß genug, so Nesterenko. Der Sprecher sagte vor Journalisten in Moskau weiter, der Einsatz könnte den Vertrag von Montreux von 1936 verletzen, der unter anderem den Einsatz von Kriegsschiffen im Schwarzen Meer regelt.
Seit ihrem Fünftagekrieg mit Georgien unterhalten die russischen Streitkräfte mehrere Kontrollpunkte in der Nähe von Poti. Russland bezeichnet sie als Teil einer Friedensmission, Tiflis dagegen sieht sie als Besatzungskräfte an und fordert ihren Abzug.
Entgegen früheren Angaben erklärte ein Sprecher des US-Kommandos für Europa, es sei nicht geplant, Russland eine Inspektion der Fracht "Mount Whitney" zu gestatten. Der Hafen von Poti sei souveränes georgisches Gebiet.
Die "Mount Whitney" ist das erste Schiff der US-Marine, das seit dem russisch-georgischen Konflikt vom August Poti anläuft. Poti war von russischen Truppen bombardiert worden, mehrere georgische Schiffe wurden versenkt. Zwei weitere US-Schiffe haben bereits Hilfsgüter in die weiter südlich gelegene Hafenstadt Batumi gebracht.
US-Außenministerin Condoleezza Rice sagte bei einem kurzen Aufenthalt in Lissabon, Russland vertiefe seine Isolation, indem es das Waffenstillstandsabkommen missachte. Der Westen kritisiert, dass drei Wochen nach Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens noch immer russische Truppen in Georgien stehen, zum Beispiel in Poti. Moskau hat erklärt, das Abkommen lasse Kontrollposten in Sicherheitszonen auf georgischem Gebiet zu.
Die Reaktion des Westens auf den Konflikt erschwere es Russland, seine mit der Invasion in Georgien angestrebten strategischen Ziele zu erreichen, sagte Rice. Der portugiesische Außenminister Luis Amado sagte, es sei wichtig, dass der Westen weiterhin eine einige Haltung gegenüber Russland einnehme.
Vor dem Hintergrund der Krise in Georgien wollten die EU-Außenminister über eine Anpassung der Sicherheitsstrategie der Gemeinschaft beraten. Auf der Tagesordnung des zweitägigen Treffens in Avignon steht außerdem die Frage, wie die EU Georgien verstärkt unterstützen kann.
Bush will ziviles Atomabkommen mit Russland aufkündigen
US-Präsident George W. Bush will Russland für seine Invasion in Georgien bestrafen. Aus Regierungskreisen in Washington verlautete, die US-Regierung plane, das im Mai unterzeichnete, aber noch nicht ratifizierte Abkommen über eine enge Zusammenarbeit in der zivilen Nutzung der Atomenergie mit Moskau aufzukündigen. Das könne schon in den nächsten Tagen geschehen, hieß es in Washington.
Der Schritt hätte allerdings zunächst wenig praktische Auswirkung und wäre eher symbolischer Natur, da Bush in seiner Amtszeit ohnehin kaum noch Aussicht hatte, im Kongress eine Mehrheit für das Abkommen zu bekommen. Der einst als "Meilenstein" begrüßte Vertrag hatte im Kongress schon vor der Georgien-Krise wegen der engen nuklearen Zusammenarbeit zwischen Russland und Iran Misstrauen hervorgerufen.
asc/AFP/AP
Konflikt im Kaukasus - Georgien, Südossetien, Abchasien
Zweimal - 1992 und 2006 - stimmten die südossetischen Einwohner für die Unabhängigkeit von Georgien. International wurden die Referenden jedoch nicht anerkannt. Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili will die abtrünnigen Regionen wieder unter Kontrolle der Zentralregierung in Tiflis bringen. Bislang haben lediglich Russland und Nicaragua die Unabhängigkeit der beiden Provinzen anerkannt, stoßen damit aber international auf scharfe Kritik.
Die Republik Abchasien mit der Hauptstadt Suchumi liegt am Schwarzen Meer. Mit rund 8600 Quadratkilometern ist der Landstrich etwa halb so groß wie Schleswig-Holstein. Zahlreiche Kämpfe zwischen Abchasen und Georgiern seit der Unabhängigkeitserklärung im Sommer 1992 haben die Wirtschaft weitgehend ruiniert. Die Einwohnerzahl liegt nach Schätzungen zwischen 150.000 und 200.000. Präsident ist seit 2005 Sergej Bagapsch.
Die kleine Bergregion Südossetien mit der Hauptstadt Zchinwali liegt am Südhang des Kaukasus an der Grenze zur russischen Teilrepublik Nordossetien. Das Gebirgsland hat eine Fläche von rund 3900 Quadratkilometern und ist damit etwas größer als die spanische Mittelmeerinsel Mallorca. Die Zahl der Einwohner, die von Moskau großzügig mit russischen Pässen versorgt wurden, liegt nach unterschiedlichen Angaben zwischen 50.000 und 100.000. Südossetien hatte sich Ende 1991 für unabhängig erklärt. Seitdem kam es mehrfach zu Kämpfen mit Hunderten Toten. Ein Referendum, bei dem die Bevölkerung Ende 2006 fast einmütig für die Unabhängigkeit stimmte, wird von Georgien nicht anerkannt. Präsident ist seit 2001 Eduard Kokoity.
Nach wechselseitigem Beschuss südossetischer und georgischer Ortschaften hatte der georgische Präsident Micheil Saakaschwili zunächst eine Waffenruhe angeordnet, dann aber starteten seine Truppen überraschend einen Angriff gegen Zchinwali, die Hauptstadt der abtrünnigen Provinz Südossetien. Eine Großoffensive mit Panzern, Kampfjets und Raketen begann. Russland schlug zurück, Flugzeuge griffen auch die georgische Stadt Gori an. Der bewaffnete Konflikt griff auf die ebenfalls nach Unabhängigkeit strebende Provinz Abchasien am Schwarzen Meer über. Unter Vermittlung Frankreichs unterzeichneten die Konfliktparteien schließlich nach einer Woche ein Waffenstillstandsabkommen. Russische Truppen haben sich inzwischen aus dem georgischen Kerngebiet zurückgezogen, behalten sich aber noch immer die Besetzung von Pufferzonen und Kontrollpunkten vor.
Schon in den Monaten vor der Eskalation hatten sich die Spannungen zwischen Russland und Georgien um die Kontrolle über die Kaukasus-Regionen verschärft. Georgien hatte Russland vorgeworfen, sich Südossetien und Abchasien selbst einverleiben zu wollen.
Russland befindet sich durch die Anerkennung der Provinzen allerdings nun in einer schwierigen Lage. Als es darum ging, den Druck auf die westlichen Staaten in der Kosovo-Frage zu erhöhen, hatte der Kreml stets vor einer Welle von Unabhängigkeitserklärungen auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion gewarnt. Die russische Argumentation, nach der Südossetien ein Recht auf Eigenstaatlichkeit haben soll, galt aber nie für Tschetschenien.
Die USA stehen in dem Konflikt auf der Seite Georgiens. Präsident Micheil Saakaschwili gilt als treuer Verbündeter der Amerikaner und wird deshalb auch von US-Militärberatern unterstützt. Immer wieder hat die US-Regierung - auch schon vor Beginn der Kampfhandlungen - von Russland ein "Ende der Provokationen" gefordert. Georgiens "territoriale Integrität und Souveränität" müsse gewahrt bleiben. Andernfalls drohte Washington mit "Konsequenzen".
Als Antwort auf den Einmarsch russischer Truppen in Georgien hat die Nato die Beziehungen zu Russland vorerst auf Eis gelegt. Die Russen ihrerseits sehen die Maßnahme gelassen. Präsident Medwedew sagte, die Nato müsse ein größeres Interesse an stabilen Beziehungen zum Kreml haben als umgekehrt.
Russland und die Nato arbeiteten bislang in verschiedenen Bereichen eng zusammen. Beim einzigen gemeinsamen Militäreinsatz handelt es sich um die Marineoperation "Active Endeavour", mit der die Schifffahrt im Mittelmeer vor Terrorismus geschützt und der Transport von Waffen kontrolliert werden soll. Die Nato hat nach dem russischen Einmarsch in Georgien die geplante Teilnahme eines in einem türkischen Hafen bereitliegenden russischen Schiffes abgesagt.
Wichtigstes gemeinsames Gremium ist der 2002 gegründete Nato-Russland-Rat. Die Nato-Außenminister haben beschlossen, dass dieser erst wieder tagen soll, wenn Georgien nicht mehr von russischen Soldaten "besetzt" sei. Zu den Bereichen zur Zusammenarbeit zwischen Russland und der Nato gehören die Terrorismusbekämpfung, die Bekämpfung des Drogenanbaus und -handels, vor allem in Afghanistan und Asien, Transiterlaubnisse nach Afghanistan über russisches Gebiet sowie die Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen.
Eine enge Zusammenarbeit mit gemeinsamen Übungen gibt es beispielsweise im Bereich der Abwehr von Kurzstreckenraketen und bei Bemühungen, russische und westliche Systeme miteinander zu verbinden. Hohe russische Offiziere und deren Nato-Kollegen haben auch die bessere Kommunikation zwischen den Generalstäben geübt. Manöver gab es auch zur Rettung von U-Boot-Besatzungen oder im Bereich des Katastrophenschutzes. Russische Offiziere haben in Großbritannien und Frankreich auch Atomwaffenanlagen besucht.
Russland hat eine Botschaft bei der Nato und ist auch im militärischen Europahauptquartier der Nato in Mons mit einer hochrangigen Militärmission ständig vertreten. In einem Vorgängergremium des Nato-Russland-Rats, dem "Ständigen Gemeinsamen Rat" (PJC), hatte Russland 1999 aus Protest gegen den Nato-Einsatz in Serbien und im Kosovo für mehrere Monate die Mitarbeit ruhen lassen, anschließend jedoch russische Soldaten in die von der Nato geführte Kosovo-Friedenstruppe entsandt.