Parlamentswahl Georgiens Präsident Saakaschwili räumt Niederlage ein

Georgiens Präsident Saakaschwili: "Es ist klar, dass der 'Georgische Traum' eine Mehrheit gewonnen hat",
Foto: DAVID MDZINARISHVILI/ AFPTiflis - Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili hat die Niederlage seiner Partei bei der Parlamentswahl eingestanden. "Es ist klar, dass der 'Georgische Traum' eine Mehrheit gewonnen hat", sagte Saakaschwili in einer Fernsehansprache mit Blick auf das Oppositionsbündnis des Milliardärs Bidsina Iwanischwili. Saakaschwili erklärte, seine Partei gehe in die Opposition. Der Wählerwille werde akzeptiert.
Die erst im April gegründete Bewegung "Georgischer Traum" lag nach Auszählung von einem Viertel der Wahlzettel bei 53,0 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission mitteilte. Wahlbeobachter berichteten von mehreren Zwischenfällen bei der Auszählung.
Das gegnerische Lager von Saakaschwili kam demnach auf 41,7 Prozent der Stimmen. Aufgrund der Besonderheiten des Wahlgesetzes und der Direktmandate war lange unklar, ob die Zahlen auch tatsächlich den Sieg für die Opposition bedeuteten. Es galt jedoch als sicher, dass das Machtmonopol von Saakaschwili neun Jahre nach der unblutigen Rosenrevolution von 2003 gebrochen ist. Bisher amtierte der Staatschef mit einer Zweidrittelmehrheit und regierungstreuen Parteien im Parlament.
"Als Oppositionskraft werden wir an die Zukunft des Landes denken und dafür kämpfen, dass alles, was in Georgien in den vergangenen Jahren aufgebaut wurde, bewahrt wird", sagte Saakaschwili. Die Ansichten von "Georgischer Traum" seien zwar fundamental inakzeptabel für ihn. "Aber Demokratie funktioniert so, dass Entscheidungen von der Mehrheit des georgischen Volkes getroffen werden. Und wir respektieren diese Wahl", sagte der Präsident.
Die Hauptstadt Tiflis ging komplett an die Opposition, die bisher nicht im Parlament vertreten war. In der Metropole feierten Zehntausende die ganze Nacht mit Europaflaggen, Autokorsos und Hupkonzerten den vermeintlichen Sieg der Opposition. Die Saakaschwili-Gegner erhielten aus Sicht von Kommentatoren vor allem durch einen Folterskandal Auftrieb. Mitte September veröffentlichte Videos zeigten, wie Wärter Gefangene vergewaltigen und misshandeln.
Wahlbeobachter lobten Abstimmung
Die Opposition rechnet mit mindestens 93 der 150 Sitze im Parlament. Der bisherigen Regierungspartei Vereinte Nationale Bewegung gestand sie 46 Sitze zu, wie es in der Mitteilung hieß. Die Verteilung von elf Mandaten war demnach noch unklar.
Der 56 Jahre alte Iwanischwili, der neuer Premierminister und damit der mächtigste Mann im Staat werden will, rief Saakaschwilis Lager zur Zusammenarbeit auf. "Es gab Gewalt, es gab Lügen. Heute müssen wir uns zusammenschließen und ein neues einiges Georgien aufbauen", sagte der reichste Mann des Landes mit einem strahlenden Lächeln. Iwanischwili strebt wie sein Gegner eine Mitgliedschaft des verarmten Landes in der EU und Nato an.
Wahlbeobachter berichteten von zahlreichen Zwischenfällen bei der Auszählung. In Chaschuri im zentralen Teil des Landes hätten maskierte Spezialeinheiten Wahllokale gestürmt, Beobachter vertrieben und Wahlprotokolle zugunsten der Regierung gefälscht, berichtete der Oppositionskanal TV9. Die Wahlzentrale teilte mit, dass dort die Ergebnisse annulliert würden. Zudem hieß es, dass die Internetseite der Wahlkommission in der Nacht von Hackern attackiert worden sei. Diese funktionierte am Morgen wieder normal.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) lobte die Parlamentswahl in Georgien als demokratisch und frei. Die Wahlbeobachter beklagten aber auch eine Atmosphäre der Einschüchterung. Der Wahlkampf sei äußerst konfrontativ und von persönlichen Angriffen geprägt gewesen, sagte Tonino Picula, der die OSZE-Kurzzeitbeobachtermission leitete, in der Hauptstadt Tiflis. Sein Kollege Luca Volontè rief die Lager von Saakaschwili und seinem Gegner Iwanischwili zur Zusammenarbeit im künftigen Parlament auf. Es gelte, die demokratischen Reformen in der Ex-Sowjetrepublik fortzusetzen.
Insgesamt waren am Vortag 3,6 Millionen Wähler aufgerufen, das Parlament zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei mehr als 60 Prozent. Das alte Parlamentsgebäude in Tiflis ist nach Angaben des Machtlagers verkauft worden. Das neue Parlament liegt in der zweitgrößten Stadt Kutaissi etwa 220 Kilometer westlich von Tiflis.