Georgien Tausende fliehen aus Angst vor russischen Invasoren

In Georgien wächst die Angst vor einer Invasion der Russen. Nach einer Warnung der Behörden fliehen Tausende Menschen aus den Grenzregionen zu Südossetien. Berichten zufolge bringen die russischen Truppen Panzer und Raketenwerfer in Stellung.

Hamburg - Panik in Gori: Tausende Einwohner verlassen die Stadt an der Grenze zu Südossetien in aller Eile - nachdem das georgische Innenministerium eine offizielle Warnung herausgegeben und die Stadt für nicht mehr sicher erklärt hatte. Eine Invasion der Russen stehe möglicherweise bevor, hieß es in der Erklärung.

Die Anzeichen dafür sind aus georgischer Sicht jedenfalls deutlich. Russische Kampfflugzeuge haben am Montag nach georgischen Angaben Ziele am Rande der Hauptstadt Tiflis und des Schwarzmeerhafens Poti angegriffen. Dutzende russischer Kampfjets hätten außerdem zivile Ziele in Gori attackiert. Gleichzeitig seien russische Panzer auf Gori vorgerückt. Diese seien zunächst jedoch von georgischen Soldaten zurückgedrängt worden. Ob man die Stadt halten könne, sei unklar.

Ein BBC-Reporter berichtet von chaotischen Szenen aus Gori. Der Verkehr auf der Hauptstraße nach Tiflis staue sich wegen der vielen Autos voller Flüchtlinge. In der Gegenrichtung seien nur Militärfahrzeuge und Krankenwagen unterwegs. Ständig seien heulende Sirenen zu hören, die Menschen seien in Panik.

Einem Bericht der Online-Ausgabe der britischen "Times" zufolge bringt die russische Armee Tausende Soldaten, Dutzende Panzer und Raketenwerfer in Stellung. Doch die Schuld für die Eskalation liegt aus russischer Sicht bei den Georgiern. Das Land habe seine Zusage eines Waffenstillstands gebrochen und die südossetische Hauptstadt Zchinwali erneut beschossen.

Der russische Generalmajor Marat Kulachmetow, Kommandeur der in Südossetien stationierten russischen Friedenstruppen, warf den georgischen Streitkräften vor, sie hätten russische Stellungen über Nacht mit schwerer Artillerie beschossen und auch Kampfflugzeuge eingesetzt. Nach russischen Angaben kam es am Sonntag zu einem Seegefecht im Schwarzen Meer, bei dem vier georgische Patrouillenboote versenkt worden seien, weil sie die russische Flotte bedroht hätten. Georgien wies dies zurück.

Nach russischen Angaben sind seit Beginn der Kämpfe am Freitag schon mehr als 2000 Menschen getötet worden. Bei den meisten Opfern soll es sich um Südosseten mit russischem Pass handeln. Eine unabhängige Bestätigung dieser Angaben liegt bisher nicht vor.

Auch in Abchasien schien sich der Konflikt nach einem russischen Ultimatum an georgische Truppen zuzuspitzen. Der Kommandeur der russischen Friedenstruppen in Abchasien, General Sergej Tschaban, forderte die georgischen Truppen am Rande dieser abtrünnigen Region ultimativ zur Niederlegung ihrer Waffen auf, wie der georgische Sicherheitsratschef Alexander Lomaia erklärte. Andernfalls würden russische Soldaten von dort aus auf georgisches Territorium vorrücken. Abchasien hatte am Wochenende angesichts des Konflikts in Südossetien eine militärische Mobilmachung verfügt. Beide Regionen haben sich 1992 von Georgien abgespalten und werden von Russland unterstützt, international aber nicht anerkannt.

US-Präsident George W. Bush nannte die Gewalt in Georgien inakzeptabel und kritisierte das militärische Vorgehen Russlands als unverhältnismäßig. Die Europäische Union begann derweil eine Vermittlungsmission. Dazu trafen die Außenminister Frankreichs und Finnlands, Bernard Kouchner und Alexander Stubb, am Sonntagabend in Tiflis ein.

Kouchner führte am Montag Gespräche mit dem georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili, um ihm den EU-Friedensplan zu unterbreiten. Dieser sei "ganz einfach", sagte Kouchner dem Sender RTL. Unter anderem seien ein sofortiger und bedingungsloser Waffenstillstand vorgesehen sowie Hilfen für die Opfer der Kämpfe. Saakaschwili unterzeichnete daraufhin eine einseitige Erklärung zur Waffenruhe. Kouchner und Stubb wollten noch am Montag nach Moskau weiterreisen.

Im Uno-Sicherheitsrat warf der amerikanische Uno-Botschafter Zalmay Khalilzad Russland vor, sich Friedensbemühungen zu widersetzen und den Sturz Saakaschwilis anzustreben. Der russische Außenminister Sergej Lawrow habe US-Außenministerin Condoleezza Rice am Sonntagmorgen in einem Telefonat gesagt, dass Saakaschwili verschwinden müsse. Ziel sei offensichtlich ein "Regimewechsel" in Tiflis. Der russische Uno-Botschafter Witali Tschurkin beschuldigte derweil Georgien, den am Sonntag verkündeten Waffenstillstand nicht einzuhalten und permanent auf russische Friedenstruppen zu schießen.

ffr/AP/dpa/AFP

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