
Georgiens Präsident Saakaschwili Geliebt, gehasst, geschasst
Einmal noch filmte ein Kamerateam Georgiens scheidenden Präsidenten in jener Pose, die er so liebt: als nimmermüden Warner vor einer russischen Invasion. Micheil Saakaschwili, 45, stand vor den Toren der Hauptstadt Tiflis, Wind zauste sein im Amt ergrautes Haar, und der Staatschef zeigte auf die "südlichen Befestigungen" der Hauptstadt, einen Gras bewucherten Graben.
Nach dem Fünf-Tage-Krieg mit Russland im August 2008 habe er die Gräben ausheben lassen, als Schutz vor Moskaus Panzern. Sein Widersacher aber, der Premier, lasse die Verteidigungsanlagen der Hauptstadt verkommen. "Und der Feind weiß bereits davon", beschied Saakaschwili in dramatischem Ton.
Die Hauptstädter aber lässt das kalt. Viele glauben inzwischen ohnehin, dass es keinen besseren Schutz vor Moskaus Zorn geben kann, als Saakaschwili los zu werden. Am Sonntag ist es so weit. Dann wählt das Fünf-Millionen-Volk im Kaukasus einen neuen Präsidenten. Saakaschwili darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
Mit Saakaschwilis Präsidentschaft endet eine Ära. Mit Ausnahme der baltischen Länder hat kein Staat der Ex-Sowjetunion sich so gründlich gemüht, das sowjetische Erbe abzuschütteln. Saakaschwili hat Georgien wachgeküsst, geweckt aus langer, dumpfer Lethargie. Die Polizei war chronisch korrupt bei seinem Amtsantritt, also feuerte der Präsident 2005 die komplette Truppe von 30.000 Mann und baute sie neu auf. Er holte junge Georgier aus dem Ausland zurück, die waren weltgewandt und sehr gut ausgebildet.
Effizient, beseelt, besessen
Er reformierte die Steuerbehörde und die öffentliche Verwaltung mit einer Entschlossenheit, der auch Beobachter aus dem Westen bis heute Respekt abnötigt. "Hätte Griechenland einen ähnlich effizienten Staatsapparat wie Georgien, Europa hätte weniger Probleme", sagt Mathias Huter von Transparency International. Im Geschäftsklimaindex der Weltbank hat Georgien seit 2005 103 Plätze gut gemacht und liegt auf Rang neun, einen Platz hinter Südkorea, aber elf vor Deutschland.
Micheil Saakaschwili war gerade einmal 36 Jahre alt, als ihn die Rosenrevolution 2003/2004 ins Amt trug. Als Präsident war er beseelt von dem Gedanken, den rückständigen Kaukasus-Staat endlich nach Westen zu führen, in EU und Nato. Er war aber auch besessen von der Vorstellung, Russland wolle ihn mit Waffengewalt stürzen - oder "an den Eiern aufhängen", wie sein Erzfeind Wladimir Putin während des August-Kriegs gesagt haben soll.
Der Kaukasus ist ein Pulverfass: viele Völker auf engstem Raum. Das macht die Lage zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer kompliziert und explosiv. Als die Sowjetunion zerbrach, erklärte sich nicht nur Tiflis für unabhängig von Moskau. Die Gebiete Südossetien und Abchasien erklärten sich ihrerseits für unabhängig von Georgien. Zu Sowjetzeiten waren sie Teil der Georgischen Sowjetrepublik gewesen, forderten aber Selbstbestimmung. Krieg brach aus, Georgier auf der einen Seite, Abchasen, Süd-Ossetien und russische Freischärler auf der anderen. Am Ende vertrieben Osseten und Abchasien georgische Minderheiten. Gräueltaten verübten beide Seiten, das macht Verhandlungen bis heute schwierig.
Den Krieg angezettelt
Wenn es um die Lösung administrativer Probleme ging, war Saakaschwili beeindruckend innovativ. Weil Geschäftsleute in Georgien keine Mehrwertsteuer abführten und Verkäufe meistens schwarz abwickelten, griff seine Regierung zu einer List. Sie führte eine Lotterie mit hohen Geldgewinnen ein, als Lose fungieren offiziell ausgestellte Quittungen. Seitdem wachen die Kunden selbst darüber, dass sie korrekt ausgestellte Rechnungen bekommen.
Saakaschwilis Strategie gegenüber Abchasien und Südossetien war leider schlichter. Er drohte mit Waffengewalt, und 2008 wandte er sie auch an. Nachts ließ er Artillerie auf die Zchinwali schießen, die schlafende Hauptstadt der Osseten.
In den Tagen zuvor hatte es Schießereien an der "administrativen Grenzlinie" zu den Separatistengebieten gegeben. Saakaschwili aber rechtfertigte den Angriff mit einer angeblichen Panzerinvasion der Russen. Das war gelogen. Saakaschwili hatte den Krieg vom Zaun gebrochen, zu diesem Ergebnis kam auch eine EU-Untersuchung.
Innenpolitisch war der Held der Revolution schon früher auf einen härteren Kurs eingeschwenkt. Als Ende 2007 50.000 Anhänger der Opposition gegen ihn protestierten, ließ er die Demonstranten mit Schlagstöcken, Gummigeschossen und Tränengas auseinandertreiben, staatliche Schlägertrupps stürmten die Zentrale des oppositionellen TV-Senders Imedi. Am Ende hasste ihn das eigene Volk kaum weniger, als zuvor Präsident Eduard Schewardnadse, den er gestürzt hatte.
Saakaschwili hatte mit einem Wechsel auf den Premierposten geliebäugelt. Er hatte eine Verfassungsänderung durchgesetzt, sie wertete das Amt des Regierungschefs auf und beschnitt Befugnisse des Präsidenten. Die entscheidenden Parlamentswahlen vor einem Jahr aber verlor er krachend. Seitdem sitzt sein Widersacher auf dem Premiersessel, der Milliardär Bidsina Iwanischwili.
Saakaschwilis Vertrauter Davit Bakradse liegt bei der anstehenden Präsidentschaftswahl in Umfragen weit abgeschlagen hinter Iwanischwilis Kandidaten Georgi Margwelaschwili. Saakaschwili hat geschworen, er wolle nach der Wahl Oppositionsführer seiner Partei werden. Wahrscheinlich ist das nicht.
Nach dem Verlust der Macht droht dem "United National Movement" der Zerfall und dem Anführer das Gefängnis. Saakaschwilis Gegner wollen ihn am liebsten vor Gericht stellen. Sie machen ihn verantwortlich für den Tod von seinem Regierungschef. Surab Schwanija war 2005 unter mysteriösen Umständen gestorben, vergiftet durch Gas, das aus einem defekten Ofen ausströmte.