Gerüchte um Aristide-Entführung Karibik-Staaten fordern Aufklärung

Unruhige Zeiten in Haiti. Gestern ein neuer Präsident, heute ein neuer Premierminister, bald eine neue Regierung. Ein Uno-Team kommt, um die Uno-Friedensmission vorzubereiten, und die Vorwürfe gegen die USA, Ex-Präsident Aristide entführt zu haben, ziehen Kreise.

Port-au-Prince - Haitis Übergangspräsident Boniface Alexandre wurde gestern im Nationalpalast feierlich in sein Amt eingesetzt, während draußen Anhänger des geflohenen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide "Aristide oder Tod!" skandierten. Militärhubschrauber kreisten über dem Gebäude und US-Marines patrouillierten in gepanzerten Wagen die Straßen der Hauptstadt. Der Richter Alexandre war bereits wenige Stunden nach Aristides Flucht am 29. Februar eingeschworen worden.

Aristide verkündete derweil wiederholt aus dem Exil in der Zentralafrikanischen Republik, er sei nach wie vor der rechtmäßige Präsident Haitis und von den USA entführt worden. Die USA weisen die Vorwürfe zurück. Wenn Aristide seinem Land wirklich helfen wolle, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, in Washington, müsse er die Vergangenheit ruhen lassen. Mittlerweile fordert jedoch die aus 15 Staaten bestehende Karibische Gemeinschaft eine internationale Untersuchung der Entführungs-Vorwürfe.

Heute soll ein neuer Premierminister bestimmt werden, der anschließend gemeinsam mit Aristides Lavalas-Partei und einer Koalition aus verschiedenen Oppositionsgruppen eine Übergangsregierung bilden wird. Ein siebenköpfiger sogenannter "Rat der Weisen" wird den neuen Premier, der den noch von Aristide berufenen Yvon Neptune ablösen wird, aus drei Kandidaten auswählen.

Der Geschäftsmann Smarck Michel war bereits 1994-1995 Premierminister unter Aristide. Er trat zurück wegen Differenzen mit Aristide in der Wirtschaftspolitik. Der ehemalige Generalleutnant Herard Abraham übergab als Militärchef 1990 die Macht einer Zivilregierung und ermöglichte damit Haitis erste freie Wahlen im selben Jahr. Der dritte Kandidat, Gerard Latortue, ein ehemaliger Uno-Beamter und Wirtschaftsberater, war 1988 Außenminister seines Landes unter dem früheren Präsidenten Leslie Manigat. Manigat wurde in einem von 32 Militärputschen in Haitis Geschichte entmachtet.

Unterdessen erhob nach den schwersten Ausschreitungen seit Aristides Flucht auch Rebellenführer Guy Philippe Vorwürfe gegen die US-geführte multinationale Truppe. Bei den Gewalttaten starben vorgestern sieben Menschen. Tausende Aristide-Gegner hatten sich in der Hauptstadt Port-au-Prince versammelt, um dafür zu demonstrieren, dass Aristide vor Gericht gestellt wird, als mehrere Männer in die Menge schossen. Rebellenführer Philippe sagte, es wäre nie so weit gekommen, wenn die ausländischen Militärs seine Männer nicht aufgefordert hätten, die Waffen niederzulegen. Er warnte, dass er wieder zu den Gewehren greifen werde, wenn die Friedenstruppe militante Aristide-Loyalisten nicht entwaffne. Aristide-Anhänger werden für die Morde vom Sonntag verantwortlich gemacht. "Warum sind die Amerikaner hierher gekommen?" fragte Philippe. "Da können noch so viele Panzer und Flugzeuge kommen, das Problem lösen sie so nicht. Dies ist ein haitianisches Problem, das nur Haiti lösen kann."

Neben der Entscheidung, wer neuer Premierminister wird, wird heute auch die Ankunft eines Uno-Teams erwartet. Es soll die Uno-Friedensmission vorbereiten, die spätestens am 1. Juni ihren Einsatz auf der Karibikinsel beginnen wird. Das Team wird sich drei Monate in Haiti aufhalten, eine seiner ersten Aufgaben ist es, bis zum Monatsende Generalsekretär Kofi Annan Empfehlungen zu geben zu Größe und Organisation der Mission. Die Friedensmission ist vom Uno-Sicherheitsrat in einer Resolution vom 1. März beschlossen worden. Kofi Annan muss laut der Resolution innerhalb eines Monats ein Programm vorlegen, das erläutert, wie die Uno helfen wird, eine neue Regierung in Haiti einzusetzen, humanitäre und wirtschaftliche Hilfe zu leisten sowie die Menschenrechte zu schützen. Uno-Beamte haben betont, dass dieser Uno-Einsatz auf Haiti ein langfristiger sein werde.

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