Gesetz gegen Verschleierung Belgien plant radikales Burka-Verbot

Fahrverbote in Bus und Bahn, Geld- und sogar Haftstrafen: Belgien will das öffentliche Tragen des Ganzkörperschleiers mit harschen Methoden einschränken. Ein Parlamentsausschuss stimmte für ein entsprechendes Anti-Burka-Gesetz - Muslime protestieren und warnen vor Stigmatisierung.
Streitfall Schleier: Muslimische Mädchen mit Kopftuch protestieren in Belgien gegen das geplante Burka-Verbot - das Tragen des Kopftuchs soll allerdings nicht untersagt werden

Streitfall Schleier: Muslimische Mädchen mit Kopftuch protestieren in Belgien gegen das geplante Burka-Verbot - das Tragen des Kopftuchs soll allerdings nicht untersagt werden

Foto: ? Reuters Photographer / Reuters/ REUTERS

Brüssel - Im belgischen Parlament ist ein Burka-Verbot auf dem Weg, das erstmals in Europa die von manchen muslimischen Frauen getragenen Ganzkörperschleier aus der Öffentlichkeit verbannen könnte. Der Innenausschuss der Abgeordnetenkammer billigte an diesem Mittwoch in Brüssel einstimmig einen entsprechenden Gesetzentwurf, der nun ins Plenum geht. Danach dürften Kleidungsstücke wie die Burka und der Nikab, die das Gesicht ganz oder fast ganz verhüllen, in der Öffentlichkeit nicht mehr getragen werden. Es geht nicht um das bloße Kopftuch.

Ohne die Burka zu nennen, soll das Verbot für jede Person gelten, die in der Öffentlichkeit "ihr Gesicht ganz oder teilweise verbirgt oder verschleiert, so dass man sie nicht mehr identifizieren kann", heißt es in dem Entwurf. Ausgenommen sind ausdrücklich Motorradfahrer oder Feuerwehrleute - also Menschen, die von Berufs wegen einen Helm oder eine Maske tragen müssen.

Das Verbot würde Straßen, Parks, Sportanlagen und öffentliche Gebäude einschließen, ebenso Busse und Bahnen. Nach Auskunft des Parlamentariers Denis Ducarme von den französischsprachigen Liberalen wären zudem beispielsweise Geschäfte und Restaurants betroffen, nämlich "alle Orte, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind". Dem Entwurf zufolge soll jede Person, die in der Öffentlichkeit ihr Gesicht bedeckt und nicht zu identifizieren ist, bis zu 25 Euro Strafe zahlen oder maximal sieben Tage in Haft kommen.

"Die Burka ist ein mobiles Gefängnis"

Zur Begründung führten die Parlamentarier vor allem die öffentliche Sicherheit sowie Frauenrechte und den Respekt vor der Demokratie ins Feld. "Die Burka widerspricht der Würde der Frau, das ist ein mobiles Gefängnis", sagte der Fraktionsvorsitzende der frankophonen Liberalen, Daniel Bacquelaine. Die öffentliche Sicherheit bedinge, dass Menschen jederzeit erkannt werden könnten. "Dies ist ein starkes Signal an Islamisten", sagte Denis Ducarme von der liberalen Partei MR. Der Sozialist Eric Thiebaut sagte: "Wir machen Schluss mit der Selbstverleugnung der Frau."

Das einstimmige Ergebnis im belgischen Innenausschuss, in dem alle großen Parteien vertreten sind, zeigt eine breite politische Unterstützung für das Gesetz. Zugleich warnten Befürworter des Verbots, dass es vor Gericht keinen Bestand haben könnte. Auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte könnte ein entsprechendes Gesetz angefochten werden.

Der Entwurf wird von der Regierungsmehrheit getragen, aber auch von Oppositionsparteien wie den Grünen und dem rechtsextremen Vlaams Belang. In Belgien regieren die flämischen Christdemokraten mit den flämischen Liberalen sowie den Liberalen, den zentristischen Humanisten und den Sozialisten aus dem französischsprachigen Lager.

Im April soll das Parlament über die Vorlage abstimmen. Es gibt aber Bedenken, dass das Gesetz gegen die Verfassung verstoßen könnte. Am Dienstag hatte der französische Staatsrat Bedenken gegen ein ähnliches Vorhaben in Frankreich geäußert. "Wir können nicht zulassen, dass manche das Recht für sich in Anspruch nehmen, andere anzuschauen, ohne selbst gesehen zu werden", sagte Daniel Bacquelaine, der das Gesetz vorgeschlagen hatte. Die Regierung müsse deshalb das Tragen von Ganzkörperschleiern unterbinden. Das Gesetz richte sich aber nicht gegen muslimische Frauen, die ein Kopftuch trügen, sagte der Abgeordnete.

Kritik übte bereits im Vorfeld der Dachverband Exekutive der Muslime in Belgien. Die Verschleierung liege im Rahmen "der Freiheit der Individuen", die vom belgischen, europäischen und internationalen Recht garantiert werde, sagte die Vizeverbandspräsidentin Isabelle Praile. Nordin Maloujahmoun, ehemaliger Präsident der Exekutive der Muslime Belgiens, erklärte: "Die muslimischen Einwanderer fühlen sich heute in Belgien schlecht gelitten und stigmatisiert." Das Bild des ehrlichen muslimischen Arbeiters sei "durch das des Verbrechers ersetzt worden".

Schon heute ist die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit in einer Reihe von Gemeinden des Königreiches verboten, darunter Antwerpen. Diese Regelungen gehen auf die Kommunen zurück.

hen/AFP/apn/dpa
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