Gespannte Ruhe Bewohner Kairos erwarten neue Zusammenstöße

Der Zorn der Ägypter über das Mubarak-Regime ist nicht erloschen: Rund tausend Demonstranten waren auch am Sonntagmorgen auf Kairos Tahrir-Platz versammelt, die Armee ist in der Stadt weiter massiv präsent - hält sich aber bisher zurück.
Ausgebranntes Autowrack in Kairo: Die Lage bleibt angespannt

Ausgebranntes Autowrack in Kairo: Die Lage bleibt angespannt

Foto: Amel Pain/ dpa

Die Nacht ist vorbei, und es war eine schlimme Nacht, mit Plünderungen, teils heftigen Schießereien zwischen Banden, spontan aufgestellten Bürgerwehren. Nun bricht der sechste Tag der Proteste an, und die Lage in Kairo scheint sich nicht zu beruhigen. Die ganze Nacht und auch am Sonntagmorgen harrten rund tausend Demonstranten auf dem zentralen Tahrir-Platz aus, zündeten Feuer an und skandierten Parolen gegen den amtierenden Präsidenten Husni Mubarak.

Besonders rund um das Innenministerium, nur einige hundert Meter vom Platz der Befreiung entfernt, kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. Das Militär, das die berüchtigte Sicherheitspolizei mittlerweile ersetzt hat, hielt sich dabei zurück. Zwar waren immer wieder Schüsse zu hören, allerdings feuern die Militärs meist nur in die Luft, um die drängenden Massen auseinanderzutreiben.

Das Innenministerium, bei den Kairoern als "Tempel des Todes" verschrien, gilt unter den Demonstranten als Symbol des despotischen Regimes von Mubarak. Tausende Häftlinge, vor allem aus politischen Gründen inhaftierte Aktivisten, sollen hier noch immer einsitzen, Folter und qualvolle Verhöre gelten als Standardmethoden der Polizei. Bisher aber gelang es den Protestierenden nicht, das schwer gesicherte Gebäude zu stürmen.

Die hektische Regierungsumbildung, Freitagnacht vom Präsidenten angekündigt und am Samstag vollzogen, wird in den Straßen Kairos kaum für Beruhigung sorgen. Der Protest richtet sich nicht nur gegen Mubarak, sondern auch gegen den neuen Vizepräsidenten Omar Suleiman, der bisher als Geheimdienstchef fungierte und ein enger Vertrauter von Mubarak ist.

Mubaraks Zukunft hängt vom Militär ab

Bei den Demonstranten zeigte die Regierungsumbildung wenig Wirkung. "Mubarak kann keine Reformen bringen, er will mit seinen Getreuen nur seine Macht sichern", sagte ein junger Demonstrant. Auf einem Schild vor seiner Brust prangte das Wort "Killer", gemeint waren die Sicherheitskräfte. Vor allem die Sicherheitspolizei war zu Beginn der Proteste brutal gegen den Aufruhr vorgegangen. Für die Demonstranten aber muss für echte Reformen im Land zuerst der Präsident abtreten, Gerüchten zufolge stehen für seine Flucht aus Ägypten am Flughafen bereits Jets bereit.

Es ist vor allem die Ernennung Suleimans, die für neuen Unmut und Proteste sorgt. Viele sehen die Wahl des 74-Jährigen als Zeichen, dass Mubarak den Aufstand mit harter Hand niederringen will. Suleiman ist seit fast zwei Jahrzehnten eine wichtige Figur in Mubaraks Machtapparat, sein Geheimdienst ist im ganzen Land gefürchtet.

Das Militär, seit Samstag überall in der Stadt präsent, bleibt zurückhaltend. In der Nacht zum Sonntag tanzten einige Demonstranten gar auf den Panzern, manche umarmten die Soldaten. Die Uniformierten ließen die Menschen gewähren. Ob dies von der Führung befohlen war oder die Soldaten schlicht nicht gegen die Demonstranten vorgehen wollen, ist derzeit schwer zu beurteilen.

Gleichwohl wird die ägyptische Armee beim weiteren Verlauf der Revolte wohl die entscheidende Rolle spielen. Das Schicksal Mubaraks wird davon abhängen, wie lange das Militär ihm noch die Treue hält.

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