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Aufstand gegen Assad: Gewalt in Syrien

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Uno-Bericht zu Syrien Assads Armee missbraucht Kinder als Schutzschilde

Das syrische Regime tötet und foltert Kinder und missbraucht sie als Schutzschilde. Das geht aus einem neuen Uno-Bericht hervor - die Vereinten Nationen haben das Land deshalb auf eine "Liste der Schande" gesetzt. Die Berichte der Beobachter vor Ort hätten "schreckliche Schilderungen" enthalten.

New York - Das syrische Regime lässt nach Einschätzung der Uno gezielt Kinder töten. Die Vereinten Nationen haben das Land deshalb erstmals auf eine Liste von Staaten gesetzt, in denen Kinder in bewaffneten Konflikten getötet, sexuell angegriffen und rekrutiert werden. Ebenfalls in die "Liste der Schande" wurden der Jemen und der Sudan aufgenommen, teilte die Uno-Sondergesandte für Kinder und bewaffnete Konflikte, Radhika Coomaraswamy, mit.

In Syrien hätten sich sowohl reguläre syrische Truppen als auch die mit ihnen verbündete Schabiha-Miliz solche Übergriffe zuschulden kommen lassen, hieß es in einem am Montag in New York vorgelegten Bericht. Selbst neunjährige Kinder seien unter den Opfern, seien getötet, verstümmelt, willkürlich verhaftet, gefoltert, sexuell misshandelt und als menschliche Schutzschilde missbraucht worden. "In fast allen aufgezeichneten Fällen waren Kinder unter den Opfern von Militäroperationen der Regierungstruppen - einschließlich der Streitkräfte, der Geheimdienste und der Schabiha-Miliz - im Konflikt mit der Opposition", schreiben die Autoren des Uno-Berichts über 2011, der von Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon vorgelegt wurde.

Ihr Team sei mit "schrecklichen" Schilderungen über gefolterte und massakrierte Kinder aus Syrien zurückgekehrt, sagte die Uno-Sondergesandte für Coomaraswamy dem britischen Sender BBC. So hätten Kinder erzählt, dass sie sich auf Panzer hätten setzen müssen, damit diese nicht von Aufständischen angegriffen würden. Sie habe es noch nie zuvor erlebt, dass Kinder nicht verschont würden, sondern in einem Konflikten sogar noch als Ziel dienten. "Wir haben Kinder gesehen, die gefoltert wurden und die noch die Spuren der Folter tragen", sagte Coomaraswamy. "Wir sind wirklich geschockt(...) Diese Folterungen von Kindern in Gefangenschaft, Kinder von gerade einmal zehn Jahren, das ist sehr außergewöhnlich, das haben wir woanders wirklich noch nicht gesehen."

Die Aufständischen sollen Kinder rekrutiert haben

Viele ehemalige Soldaten hätten von Schüssen auf Wohngebiete berichtet. Sie hätten Kinder und Kleinkinder gesehen, die getötet und verstümmelt worden sein.

Zugleich erhob sie Vorwürfe gegen die oppositionelle Freie Syrische Armee, die ebenfalls Kinder in Gefahr bringe. "Zum ersten Mal hörten wir auch, dass Kinder von der Freien Syrischen Armee rekrutiert werden, vor allem für medizinische und Hilfsarbeiten, aber immer noch an der Front", sagte Coomaraswamy.

Eine friedliche Lösung in Syrien rückt 15 Monate nach Beginn des Aufstandes gegen das Assad-Regime in immer weitere Ferne. Das Regime setzt schwere Waffen, darunter offenbar Kampfhubschrauber, gegen Aufständische ein, die wiederum selbst zunehmend besser ausgerüstet sind. Allein am Montag kamen syrischen Aktivisten zufolge landesweit mehr als hundert Menschen ums Leben. Die meisten Todesopfer habe es in der zentralen Provinz Homs, den Städten Haffa und Latakia sowie in Deir al-Sor im Osten des Landes gegeben.

Insgesamt habe die Gewalt mit wechselnder Taktik der Konfliktparteien zugenommen, heißt es in einer vom Sprecher des Uno-Generalsekretärs Ban Ki Moon verbreiteten Erklärung. Die Militäroperationen der Regierung führten dabei zu hohen zivilen Opfernzahlen und Menschenrechtsverletzungen. Allerdings beobachte man auch koordinierte Angriffe der Rebellen auf Regierungstruppen und zivile Einrichtungen.

Uno-Generalsekretär Ban äußerte sich "tief besorgt über die gefährliche Zunahme der Gewalt in ganz Syrien" und die Gefahr für die Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten. "Das Blutvergießen und die Kämpfe müssen sofort aufhören", forderte Ban nach Angaben seines Sprechers. Angesichts von Berichten über einen Aufmarsch der Regierungstruppen um Haffa forderte Ban ungehinderten Zugang für die Uno-Beobachter zu der Stadt.

Zuvor hatte bereits der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan seine "ernste Sorge" über den Einsatz schwerer Waffen bei Angriffen der Regierungstruppen auf Rebellenhochburgen und über Berichte von zwischen den Fronten eingeschlossenen Zivilisten geäußert. Annan, der für die Vereinten Nationen und die Arabische Liga in dem Konflikt vermittelt, rief alle beteiligten Seiten auf, Zivilisten zu schonen und für ihre Sicherheit zu sorgen. Jüngste Berichte über den Einsatz von Artillerie, Hubschraubern und Panzern in den Städten Haffa und Latakia sowie die Angriffe in der Region Homs seien beunruhigend.

Die bewaffnete Opposition in Syrien setzt inzwischen verstärkt auf eine militärische Lösung des Konflikts. Auch mehren sich die Hinweise darauf, dass die Bewaffnung der Assad-Gegner jetzt deutlich besser ist als noch vor etwa zwei Monaten. Ein Nachrichtenportal der Aufständischen schrieb unter Berufung auf eine Brigade der Freien Syrischen Armee, in der Provinz Homs hätten Deserteure am Montag mehrere gepanzerte Fahrzeuge der Truppen von Präsident Baschar al-Assad zerstört. Außerdem hätten sich auf einem Stützpunkt der Luftwaffe zahlreiche Soldaten und Offiziere den Deserteuren angeschlossen.

Regime behindert Flucht in die Türkei

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, am Montag seien in Duma außerhalb von Damaskus zahlreiche "Terroristen" getötet worden. Auch ein Angehöriger der Sicherheitskräfte sei bei dem Gefecht in Duma ums Leben gekommen. Während eines weiteren Gefechts in der Provinz Latakia seien fünf Polizisten getötet worden. Im Damaszener Viertel Birse hätten die Regimegegner zwei Autos in die Luft gesprengt. Insgesamt drei Fahrzeuginsassen seien dabei ums Leben gekommen.

US-Verteidigungsminister Leon Panetta sagte am Montag, es gebe "keinen Königsweg" zur Lösung des Konflikts in Syrien. Den Truppen Assads warf Panetta "abscheuliche Gewalt" vor. Die Situation in Syrien sei "von jedem Blickwinkel aus enorm komplex und tragisch", sagte Panetta laut vorab verbreitetem Redetext für eine Ansprache vor dem Amerikanisch-Türkischen Rat. Washington werde sich gemeinsam mit der Türkei und der internationalen Gemeinschaft für einen Rücktritt Assads und einen geordneten politischen Übergang einsetzen.

Ein ranghoher arabischer Beamter, der anonym bleiben wollte, forderte Annan auf, zu entscheiden, ob dessen Sechs-Punkte-Plan noch umsetzbar sei, wenn das Mandat der Uno-Beobachter im kommenden Monat ausläuft. Annans Friedensplan könne nicht auf unbestimmte Zeit angelegt sein.

Unterdessen behindert das Regime in Syrien die Flucht in die benachbarte Türkei offenbar massiv: Laut der Nachrichtenagentur Reuters legen Sicherheitskräfte gezielt Waldbrände entlang der Grenze. Bereits vor Monaten hatte die Armee damit begonnen, das Gelände zu verminen.

anr/dpa/dpad/Reuters/AFP
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