Gewalt in Gaza Scharon verlangt vom Militär hartes Vorgehen

Ariel Scharon will die seit Tagen anhaltende und mit äußerster Härte durchgeführte Militäroperation im nördlichen Gaza-Streifen noch ausweiten. Das Militär solle dort zum Schutz jüdischer Siedlungen eine Pufferzone schaffen. Einen Deutschlandbesuch sagte Israels Ministerpräsident kurzfristig ab.

Jerusalem - "Wir müssen das Einsatzgebiet ausweiten, um die Abschussrampen für die (palästinensischen) Raketen zu neutralisieren, deren Reichweite sich bis zu den jüdischen Ortschaften jenseits der Grenze erstreckt", sagte Scharon gestern Abend dem Sender Radio Israel.

Scharon rief die Streitkräfte zu einer härteren Gangart im nördlichen Gaza-Streifen auf. Er wies die Armee an, alle "notwendigen und möglichen Maßnahmen" zu unternehmen, um die palästinensischen Raketenangriffe auf Israel ein und für alle Mal zu beenden. Die augenblickliche Situation sei nicht mehr haltbar. "Es ist unbedingt erforderlich, dass wir die Situation im Gaza-Streifen ändern", betonte Scharon.

Dabei werden schon jetzt immer mehr Opfer gemeldet. Die Zahl der Toten wurde von beiden Seiten jedoch unterschiedlich beziffert. Seit Beginn der Offensive kamen nach Angaben der Armee mehr als 50 bewaffnete Palästinenser ums Leben. Palästinensische Krankenhauskreise berichteten heute von 67 Toten. Nach palästinensischer Darstellung handelt es sich nur bei weniger als der Hälfte der Toten um militante Palästinenser. Die anderen seien unbeteiligte Zivilisten.

Das Ziel der Offensive sei, sagte Scharon, auch für die Zeit nach dem geplanten Abzug aus dem besetzten Gaza-Streifen Sicherheit für die Siedlungen zu schaffen. Die Räumung des Gaza-Streifens soll 2005 erfolgen. Die nach Raketen-Angriffen palästinensischer Aufständischer von Israel eingeleitete Offensive ist jetzt schon die massivste in dem Gebiet, seit vor vier Jahren der zweite Aufstand gegen die israelische Besetzung begonnen hat. Durch die primitiv zusammengeschweißten Raketen von Freischärlern wurden vor wenigen Tagen zwei israelische Kinder getötet.

Israel führt den Militäreinsatz, an dem rund 200 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge sowie Kampfhubschrauber beteiligt sind, unter der Bezeichnung "Tag der Abrechnung".

Scharon steht mit seinem Abzugsplan aus dem Gaza verstärkt unter dem Druck aus rechtsgerichteten Siedlerkreisen. Diese werfen Scharon vor, der angekündigte Rückzug aus dem Gaza gebe den militanten Organisationen wie der Hamas Auftrieb. Hamas hat bereits damit gedroht, die Reichweite ihrer Kassam-Raketen könne erhöht werden, so dass diese Projektile auch weiter entfernt liegende israelische Städte treffen könnten. Scharon nannte diese Drohung "bedeutungslos". Israel werde aber alles tun, um sich gegen die Angriffe zu schützen.

Im Flüchtlingslager Dschabalja im Gaza-Streifen wurden heute Nacht weitere zwei Palästinenser von israelischen Soldaten erschossen. Bei den Toten soll es sich um Mitglieder der Extremisten-Organisation Islamischer Dschihad handeln, die sich wie die Organisation Hamas die Zerstörung Israels zum Ziel gesetzt hat. Zu dem Vorfall erklärte die israelische Armee, die Soldaten hätten zwei Palästinenser erschossen, die einen Bombenanschlag vorbereitet hätten. Palästinenser hatten zunächst berichtet, es habe einen Raketenangriff auf die Dschihad-Leute gegeben.

Scharon verschob wegen der Offensive eine geplante Reise nach Deutschland und in die Niederlande. Palästinenserpräsident Jassir Arafat forderte heute nach einer Dringlichkeitssitzung seines Kabinetts in Ramallah die Einberufung des Weltsicherheitsrats. Arafat nannte die israelische Offensive "barbarisch" und "kriminell". Der palästinensische Verhandlungsminister Sajeb Erekat forderte die Europäische Union heute zum Eingreifen auf. "Die fehlende Reaktion der Weltgemeinschaft führt dazu, dass Scharon diese Operation nach einem Gutdünken fortsetzen kann", kritisierte Erekat und warnte vor einem "Massaker" im Gazastreifen.

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