Tote in Kairo USA rufen Ägyptens Armee zur Mäßigung auf
Kairo - Mindestens 72 Tote und Hunderte Verletzte - das ist die traurige Bilanz nach den Ausschreitungen zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des abgesetzten Präsidenten Mohammed Mursi am Samstag in Kairo und Alexandria. Weltweit wächst angesichts des harten Vorgehens von Polizei und Militär gegen Unterstützer des Ex-Staatschefs die Sorge, dass Ägypten an dem blutigen Konflikt zu zerbrechen droht. Hochrangige US-Politiker verlangen von der Armee Zurückhaltung.
Außenminister John Kerry forderte die ägyptische Führung auf, das "Land vom Abgrund wegzuziehen". Er habe in Gesprächen mit Vizepräsident Mohamed ElBaradei und Außenminister Nabil Fahmi seine tiefe Bestürzung über die Gewaltausbrüche in Kairo und Alexandria ausgedrückt. "Das ist ein entscheidender Moment für Ägypten", sagte Kerry. Die Sicherheitskräfte rief er dazu auf, das Recht auf friedliche Proteste zu respektieren, dazu gehörten auch anhaltende Sitzblockaden.

Straßenkämpfe in Ägypten: Mauern als Barrikaden, Steine als Waffen
"Schutz aller Ägypter sicherstellen"
Verteidigungsminister Chuck Hagel telefonierte mit dem ägyptischen Armeechef Abdel Fattah al-Sisi, den er dazu aufforderte, "weiteres Blutvergießen und den Verlust von Leben zu verhindern".
Uno-Chef Ban Ki Moon verurteilte das Blutvergießen und rief die Übergangsregierung auf, "den Schutz aller Ägypter sicherzustellen". An die Demonstranten appellierte er, Zurückhaltung zu üben und die friedliche Natur ihres Protests beizubehalten. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton rief zum Gewaltverzicht auf.
Besorgte Stimmen waren auch von den Außenministern Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs zu hören. "Alles muss getan werden, um eine Gewaltspirale zu vermeiden", teilte das Außenministerium in Paris mit.
Zum zweiten Mal schwere Ausschreitungen in diesem Monat
Nach Angaben der Muslimbruderschaft, die Mursi unterstützen, starben am Samstag mindestens 120 Menschen. Einheiten der Bereitschaftspolizei hätten Demonstranten am Rande ihres Protest-Camps in Nasr City angegriffen. Rund 4000 Menschen seien verletzt worden. Das Gesundheitsministerium sprach dagegen von mindestens 72 Toten und 411 Verletzten.
Es ist bereits das zweite Mal in diesem Monat, dass es zu einem derart schweren Zusammenstoß von Polizei und Unterstützern des inhaftierten Ex-Staatschefs gekommen ist. Am 8. Juli hatten Sicherheitskräfte 53 Mursi-Anhänger erschossen.
Regierung spricht von "Trick der Muslimbruderschaft"
In Ägypten selbst gab es kaum Kritik am erneuten brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte. Die Nationale Rettungsfront von Übergangsvizepräsident ElBaradei brachte zwar in einer Erklärung ihr "tiefstes Bedauern" über den Tod der Menschen bei den Zusammenstößen zum Ausdruck und forderte eine Untersuchung, wie die staatsnahe Zeitung "Al-Ahram" berichtete. Zugleich warf sie aber der Muslimbruderschaft vor, für das Blutvergießen verantwortlich zu sein. Die Muslimbruderschaft hätte ihre Anhänger zur Gewalt angestachelt.
Auch Innenminister Mohammed Ibrahim machte die Muslimbrüder für das Blutvergießen verantwortlich. Er sagte auf einer Pressekonferenz in Kairo: "Es war ein Trick der Muslimbruderschaft, um einen Zwischenfall zu provozieren und Sympathien für sich zu gewinnen." Er kündigte zudem eine baldige Räumung der islamistischen Protestlager in Nasr City im Osten Kairos an. Dort campieren Tausende Mursi-Anhänger seit mehr als drei Wochen. Sie protestieren gegen die Absetzung des Staatschefs durch das Militär am 3. Juli.
Die Muslimbrüder machten die Sicherheitskräfte für das Blutvergießen verantwortlich. "Sie (die Polizisten - d. Red.) schießen nicht, um zu verwunden, sondern um zu töten", schrieb Mohammed al-Beltagi, ein Mitglied der Führung der Organisation, auf seiner Facebook-Seite.