
Gianfranco Fini Der Mann, der Berlusconi stürzen kann
Berlin - Erst lobte er Diktator als größten Staatsmann des 20. Jahrhunderts. Dann nannte er bei einem Israel-Besuch den Faschismus die "Verkörperung des absolut Bösen".
Er führte eine rechtsextreme Jugendorganisation in den Straßenkampf mit Linken. Später lobte er den linken Widerstand im Zweiten Weltkrieg.
Einst boxte er ein ausländerfeindliches Einwanderungsgesetz durch. Dann kämpfte er für die Wahlrechte von Immigranten.
Gianfranco Fini, 58, der Vorsitzende des italienischen Abgeordnetenhauses, hat viele Häutungen hinter sich. Doch keine könnte die italienische Politik stärker erschüttern als seine neueste Wandlung. Fini, 16 Jahre lang treuer Bündnispartner von , will dem Regierungschef im Parlament das Vertrauen und damit die Mehrheit entziehen.
Er, der langjährige Kronprinz Berlusconis, will das erreichen, woran sich eine ganze Politikergeneration in Italien versucht hat: Silvio Berlusconi aus dem Amt zu jagen.
Einst oberster Neofaschist - jetzt die größte Hoffnung der Berlusconi-Gegner
Ausgerechnet Fini, lange Zeit oberster Neofaschist der Nation, ist damit plötzlich die größte Hoffnung der Berlusconi-Gegner und für Italiens Demokratie. Wer ist der Mann, der das System Berlusconi erst ermöglicht hat und ihm nun den Todesstoß versetzen will?
Fini ist ein unauffälliger Mann mit randloser Brille. Inmitten der Darsteller der italienischen Politik verbreitet der 58-Jährige eher den spröden Charme eines Bürokraten. Aber kaum jemand hat eine ähnlich schillernde Karriere hingelegt. Der Mann, der jetzt im Zentrum des Machtkampfs in steht, war lange eine Randfigur der äußersten Rechten. Schon mit 17 trat er einer faschistischen Jugendorganisation bei. Später machte er Karriere in der Partei MSI, die sich in der Tradition der Diktatur Benito Mussolinis sieht, und wurde schließlich Parteichef.
Dann wandelte er die MSI Schritt für Schritt in eine rechtskonservative Partei und öffnete sie zum Bürgertum. Er verbannte Schwarzhemden und den römischen Gruß. Als er Ende der Neunziger das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz besuchte, gab es noch einen Aufschrei in den eigenen Reihen. Nach seiner Israel-Rede von 2003 flüchtete aus der Partei. Und Fini - steuerte unbeirrt auf die Mitte zu.
Fini und Berlusconi verband der unbedingte Wille zur Macht
Mit Silvio Berlusconi gab er ein seltsames Paar ab: Dort der Lebemann Berlusconi, der mit ausufernden Festen und seinen Liebschaften prahlt und gegen Schwule hetzt. Und hier Fini, der studierte Pädagoge, den Bekannte als kühlen Analytiker und Melancholiker beschreiben, der mittlerweile für die Rechte homosexueller Paare eintritt. Zwei Männer, die vieles trennt, aber die ihr unbedingter Wille zur Macht einte.
Das Duo betrat 1993 die politische Bühne, als Fini für die Neofaschisten Bürgermeister in Rom werden wollte. Er scheiterte damals erst knapp im zweiten Wahlgang - dass er so weit kam, lag vor allem an der Unterstützung durch Medienmogul Berlusconi. Ein Jahr darauf ging Finis MSI ein Bündnis mit Forza Italia ein, der von Berlusconi über Nacht gegründeten Retortenpartei. Fini und Berlusconi gewannen die Wahl.
Fini brachte Berlusconi die Stimmen vom rechten Rand, ohne die er keine Mehrheit hatte, und Berlusconi löste die Neofaschisten aus der politischen Isolation, in der sie jahrzehntelang herumgedümpelt hatten. Das Bündnis mit Berlusconi machte Fini und seine Partei salonfähig.
Und so blieb Gianfranco Fini mehr als 16 Jahre treuer Partner Berlusconis, vor allem während der Regierungszeiten. In mehr als 30 Vertrauensabstimmungen hielten Finis Abgeordnete Berlusconi die Treue, Fini selbst zunächst als stellvertretender Ministerpräsident, dann zwei Jahre als Außenminister und seit 2008 als Präsident des Abgeordnetenhauses. Offiziell ist er drittmächtigster Mann im Staat, nach Präsident Napolitano und eben Berlusconi. Doch in der Realität ist sein Posten vor allem der eines Zeremonienmeisters. Zumal Fini die Partnerschaft so weit getrieben hat, dass er vor zwei Jahren seine Partei mit Berlusconis Forza Italia verschmelzen ließ. Zur Gründung des "Popolo Della Libertà" (Volk der Freiheit) komponierte man die Parteihymne "Gut, dass es Silvio gibt."
Fini will eine Rechtspartei, die auch links punktet
Doch auf dem Höhepunkt der Kooperation begann das Zerwürfnis. Berlusconi hatte seinem Kronprinz in Aussicht gestellt, ihn als Parteichef zu beerben. Doch nach der Fusion machte der Regierungschef keine Anzeichen mehr, die Macht zu übergeben. Fini suchten den Streit: Öffentlich warf er Berlusconi vor, sich als Alleinherrscher aufzuführen.
Ende Juli gründete Fini mit 33 Anhängern seine eigene Fraktionsgruppe, ohne die Berlusconi keine Mehrheit im Abgeordnetenhaus hat. Berlusconi schmiss ihn aus der gemeinsamen Partei. Der Premier und sein Kronprinz schoben sich in Videobotschaften gegenseitig die Schuld am Bruch zu. Jetzt baut Fini seine Truppe wieder zu einer eigenständigen Partei aus: "Futuro e Libertà per l'Italia" (Zukunft und Freiheit für Italien, FLI) lautet der programmatische Name. Am vergangenen Montag zog Fini seine Minister aus der Regierung ab. Auch in Berlusconis Reihen geht nicht alles reibungslos ab: Mara Carfagna, Ministerin für Gleichstellung und ehemaliges Showgirl, kündigte am Sonntag an, sofort nach den Vertrauensabstimmungen zurücktreten.
Berlusconis Macht bröckelt - seit der geläuterte Neofaschist Fini ankündigte, Gesetzen der Regierung, die zum persönlichen Vorteil Berlusconis fabriziert werden, nicht mehr zuzustimmen. Fini, in zweiter Ehe mit einer zwanzig Jahre jüngeren Anwältin verheiratet, präsentiert sich nun als Law-and-Order-Verfechter. Er hat gar verlangt, Politiker zu suspendieren, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt - eine undenkbare Position im System Berlusconi, dessen Spitzenleute regelmäßig im Visier der Fahnder stehen.
Finis Kalkül: Er will eine moderne Rechtspartei, die sich gegen und Berlusconis peinliche Äffaren stellt und so auch bei Berlusconi-Gegnern im linken Lager punktet. Fini hat das System Berlusconi erst möglich gemacht. Jetzt will er der erste Politiker werden, der die Spaltung überwindet, die das Land seit Jahren lähmt.