Giftgasangriff in Syrien Obama geht auf Kriegskurs

Giftgasangriff in Syrien: Obama geht auf Kriegskurs
Foto: JASON REED/ ReutersEs war ein idyllischer Sonntag. Statt der üblichen August-Hitze genoss Washington ausnahmsweise mal Sommerwetter wie aus dem Bilderbuch. US-Präsident Barack Obama nutzte die Gelegenheit und ließ sich nach Fort Belvoir hinausfahren, einen Militärstützpunkt südlich der Stadt, um mit drei guten Freunden Golf zu spielen - viereinhalb Stunden lang.
Hinter den Kulissen jedoch herrschte Hochspannung: Methodisch und - so scheint es - immer unaufhaltsamer rüstet sich das Weiße Haus für einen Militärschlag gegen Syrien.
Von Obamas Krisensitzung mit dem Nationalen Sicherheitsrat am Samstag war zunächst nur wenig durchgesickert. Am Sonntag aber lancierte ein hochrangiger Regierungsberater ein schriftliches Statement an die Medien, das nach monatelangem Zögern und Zaudern neue und vor allem schärfere Töne anschlug.
"Willkürlicher Einsatz von Chemiewaffen"
Die Erklärung bezog sich auf die Horrorberichte über Giftgasangriffe aus der Region um Damaskus: "Zu diesem Zeitpunkt herrschen kaum Zweifel mehr, dass das syrische Regime bei diesem Vorfall eine Chemiewaffe gegen Zivilisten einsetzte." Das Angebot des syrischen Machthabers Baschar al-Assad, den Uno-Inspekteuren endlich Zugang zu verschaffen, lehne man als viel "zu spät" ab: Die verfügbaren Beweise seien "vom Dauerbeschuss durch das Regime und andere bewusste Aktionen" beschädigt.
Mit anderen Worten: Die Uhr ist abgelaufen.
Zwar betonte das Weiße Haus, es prüfe weiter alle Optionen, wie auf "diesen willkürlichen Einsatz von Chemiewaffen" zu reagieren sei. Doch die Weichen sind längst gestellt: Faktisch, politisch und moralisch bleibt Obama keine Wahl mehr.
Vor allem militärisch deutet alles auf einen baldigen Einsatz hin. Das Pentagon hat unter anderem vier Zerstörer mit Marschflugkörpern im östlichen Mittelmeer in Position gebracht. Die Liste ihrer Ziele umfasst mobile Einheiten und Kommandozentren der syrischen Armee. Als "Blaupause", so berichtet es die "New York Times", dienten die Luftangriffe, mit denen die USA 1999 im Kosovo-Konflikt intervenierten - mangels Uno-Votum mit dem Segen der Nato.
Suche nach der internationalen Koalition
Auch in der aktuellen Krise spielen die Vereinten Nationen nur noch eine Nebenrolle. Die lange verzögerte "Fact-Finding-Mission" ihrer Experten ist viel zu beschränkt: Sie prüfen nur, ob Chemiewaffen zum Einsatz kamen - doch nicht, durch wen.
Schon am Freitag hatte Obama einen Weg ohne die Uno angedeutet. Um ein anderes Land "ohne Uno-Mandat und klare Beweise" anzugreifen, sagte er in einem CNN-Interview, müsste sich Washington auf das Völkerrecht stützen - und eine internationale Koalition.
Diese Koalition könnte, wie im Kosovo, die Nato bieten. Darauf deutet auch hin, dass Obama am Wochenende mit dem britischen Premier David Cameron und Frankreichs Präsident François Hollande telefonierte. Beide Gespräche vermeldete das Weiße Haus fast wortgleich, was den Wunsch nach einer gemeinsame Linie vermuten lässt: Der mutmaßliche Einsatz von Chemiewaffen wecke "schwerste Befürchtungen", auf die die internationale Gemeinschaft reagieren müsse.
"Nicht auf die Vereinten Nationen warten"
Doch zuerst müssten die Ziele eines solchen Einsatzes definiert werden: Was genau soll damit erreicht werden? Wie groß wird der Aufwand sein? Rechtfertigen die Kosten die Mittel?
Vor allem Obama pocht auf klare Vorgaben. Er ist Militäreinsätzen von Natur aus abgeneigt. Das Desaster im Irak hat er als abschreckendes Beispiel vor Augen. Anders als Vorgänger George W. Bush scheut er großspurig-geopolitische Ansprüche, überlässt lieber den Alliierten das Kommando, wie zuletzt in Libyen. Zugleich zwingt ihn der Massenmord durch Chemiewaffen aber moralisch zum Handeln - zumal er an die "rote Linie" gebunden ist, die er vor einem Jahr zog.
Den US-Kongress hat er auf seiner Seite. Politiker beider Parteien forderten jetzt "chirurgische" Schläge gegen Syrien, etwa mit Marschflugkörpern. "Auf jeden Fall können wir nicht auf die Vereinten Nationen warten", sagte Eliot Engel, der führende Demokrat im Außenausschuss des US-Repräsentantenhauses, auf Fox News. "Die Russen blockieren alles mit ihrem Veto."
Dabei dürfte es Obama auch relativ egal sein, dass Amerikas Öffentlichkeit ein militärisches Einschreiten in Syrien eher skeptisch sieht. Nach einer jüngsten Reuters-Umfrage sind rund 60 Prozent gegen eine Intervention und nur neun Prozent dafür. Selbst wenn sich der Chemiewaffeneinsatz bestätigte, würden nur 25 Prozent eine US-Aktion befürworten. Die letzten Kriege haben ihre Wunden hinterlassen.
Edward Luttwak, außenpolitischer Experte am Center for Strategic and International Studies, warnte in einem Essay für die "New York Times" auch jetzt vor einem Angriff: "Die Obama-Regierung sollte der Versuchung widerstehen." Denn auch ein Sieg der Rebellen wäre "extrem gefährlich", da er Extremisten und Qaida-Elemente an die Macht bringen könnte. Wünschenswerter für US-Interessen sei "ein andauerndes Patt".