Griechen-Hilfe Kanzlerin buhlt um Gunst der Steuerzahler

22,43 Milliarden Euro bekommt Griechenland aus Deutschland, jetzt muss die Regierung bei den Bürgern um Verständnis werben. Kanzlerin Merkel gibt die Parole aus, dass die Deutschen von den Hilfskrediten profitieren werden - und so eine Notaktion nie wieder vorkommen darf.
Kanzlerin Angela Merkel: Entscheidung ist eine "Ultima Ratio, eine Notlösung"

Kanzlerin Angela Merkel: Entscheidung ist eine "Ultima Ratio, eine Notlösung"

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ REUTERS

Angela Merkel

Berlin - Plötzlich ging alles sehr schnell: die Entscheidung des Kabinetts, die Unterrichtung der Fraktionsspitzen - nun müssen noch Bundestag und Bundesrat über das Milliardenhilfspaket für Griechenland entscheiden. Und die Deutschen selbst müssen überzeugt werden. Kanzlerin gab sich jedenfalls alle Mühe, den Beschluss des Kabinetts zu erläutern, nach dem Deutschland dem kriselnden EU-Staat Griechenland Notkredite in Höhe von gut 22 Milliarden Euro zur Verfügung stellt.

Griechenland

Merkel nannte die Hilfen für Griechenland alternativlos. Die Christdemokratin sagte am Montag, das Gesetz sei von "enormer Tragweite, politisch wie ökonomisch". Die Entscheidung für das Milliardenpaket sei eine "Ultima Ratio, eine Notlösung". habe faktisch keinen Zugang mehr zu den Finanzmärkten gehabt. Deshalb sei der Euro als Gemeinschaftswährung bedroht gewesen. Die Kanzlerin kündigte für Mittwoch eine Regierungserklärung dazu an.

Mit dem Gesetz werde nicht nur Griechenland geholfen, sondern dem gesamten Euro-Raum und damit auch Deutschland selbst. "Denn eine stabile europäische Währung ist ein außerordentlich hohes Gut", sagte die Kanzlerin. Der deutsche Anteil am Rettungspaket seien Kredite in Höhe von 22,34 Milliarden Euro in drei Jahren. Als erste Tranche würden 8,4 Milliarden Euro fällig. Merkel betonte, dass das Geld nicht aus dem Bundeshaushalt komme, sondern von der Staatsbank KfW ausgegeben werde. Der Bund übernehme nur die Garantie dafür.

Griechenland-Krise

Die Kanzlerin sagte, aus der müssten Lehren in zwei Richtungen gezogen werden. Es müsse noch strenger gegen Finanzmarktspekulationen vorgegangen werden. Darüber hinaus solle der Stabilitätspakt so ausgestaltet werden, dass er "strikt eingehalten" werden müsse. Sie werde dem Europäischen Rat am Freitag dafür Vorschläge unterbreiten.

"Wir bekämpfen ein Feuer, das in Griechenland entstanden ist"

Guido Westerwelle

Außenminister und Vizekanzler sprang der Kanzlerin bei. "Der Schutz der Währung ist eine politische Angelegenheit von hoher Bedeutung", sagte er. Das Bundeskabinett habe jetzt den Weg für "Hilfe zur Selbsthilfe" für Griechenland freigemacht, sagte der Liberale. Es sei kein Blankoscheck ausgestellt worden. Die Griechen hätten sich zu einem strikten Anpassungsprogramm verpflichtet.

"Wir bekämpfen ein Feuer, das in Griechenland entstanden ist", sagte der FDP-Vorsitzende. Es dürfe nicht auf den Euro übergreifen. Aber auch die Ursachen für die griechische Finanzmisere würden bekämpft. Wenn ein Land lange Zeit nicht solide wirtschafte, müssten auch finanzielle Strafen folgen können. Westerwelle sprach sich ebenso wie Merkel für die Schaffung einer europäischen Rating-Agentur aus.

Wolfgang Schäuble

Bundesfinanzminister (CDU) stellte sich ebenfalls hinter die Kanzlerin. Er setzt zudem weiter auf einen freiwilligen Beitrag auch der Finanzwirtschaft. Innerhalb der Euro-Gruppe werbe jeder Finanzminister darum, dass sich der nationale Finanzsektor möglichst früh und stark an einer Weiterfinanzierung Griechenlands beteilige, sagte Schäuble. Dies habe nichts mit einer Umschuldung oder Restrukturierung der griechischen Schulden zu tun.

Schäuble sprach von einem realistischen Sanierungsprogramm für Athen. Es biete eine überzeugende Chance, damit Griechenland seine Schwierigkeiten überwinden könne. Kritik an einem zu zögerlichen Vorgehen der Bundesregierung in der Krise wies Schäuble zurück. Die gründlichen Verhandlungen hätten sich ausgezahlt.

Opposition hält sich Zustimmung zum Hilfspaket offen

Zumindest die Opposition hat die Kanzlerin nicht überzeugen können, denn die Fraktionen von SPD, Grünen und Linken wollen sich ihre Zustimmung zu dem Paket bis zuletzt offenhalten.

"Wir sind nicht beieinander, weil die Bundesregierung nicht hat erkennen lassen, wie weit sie sich bewegen wird bis zur Schlussabstimmung im Deutschen Bundestag", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nach dem Treffen, bei dem Merkel die Fraktionsspitzen über den deutschen Hilfsbeitrag unterrichtet hatte. Die Oppositionsvertreter kündigten an, ihre Forderungen in einem Entschließungsantrag in den Bundestag einzubringen.

Steinmeier betonte, die Bevölkerung erwarte, dass sich die Banken an dem entstandenen Schaden beteiligten und Vorsorge getroffen werde, dass sich eine solche Krise nicht wiederhole. "Wir können uns nicht vorstellen, an einer Entscheidung mitzuwirken, in der nur über eine nackte Ermächtigung der Bundesregierung entscheiden wird", sagte er. "Die Bundesregierung hat viel zu lange taktiert und gehofft, dass die öffentliche Aufmerksamkeit über den Wahltag in NRW hinaus geschoben wird." Steinmeier bekräftigte, die SPD fordere eine Finanztransaktionssteuer, stärke Kontrollen der Finanzmärkte und eine Zusammenarbeit der Rating-Agenturen auf europäischer Ebene.

Linke: "Retten und Regulieren gehören zusammen"

Parteichef Sigmar Gabriel sagte: "Wir wollen nicht, dass der deutsche Steuerzahler zum zweiten Mal das Zocken der Banken bezahlen muss." Über die Forderungen der Opposition werde es bis zur Verabschiedung des Gesetzes am Freitag im Bundestag Gespräche mit der Bundesregierung geben.

Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gesine Lötzsch, kritisierte, der Gesetzentwurf habe den "grundsätzlichen Konstruktionsfehler", dass es keinerlei Festlegung gebe, wie der private Bankensektor beteiligt werden solle. "Es muss immer den Zweiklang geben: Retten und Regulieren gehören zusammen", sagte Lötzsch. "Wenn das nicht der Fall ist, werden auch in Zukunft die Banken der Politik auf der Nase herumtanzen." Zudem kritisierte sie, dass der Etat für Rüstung in Griechenland prozentual doppelt so hoch wie in Deutschland sei.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verwies darauf, dass die Bundesregierung einen breiten Konsens zu suchen scheine. "Wir erwarten aber, dass neben dem Kreditentwurf auch Maßnahmen ergriffen werden, die die Gefahr einer Wiederholung der Krise mindern." Als Instrumente dafür nannte er unter anderem eine Finanzsteuer, eine eigene Form der Rating-Agentur sowie eine bessere Koordination der europäischen Wirtschaftspolitik. "Merkel hat das alles viel zu lange ausgesessen", sagte Trittin.

ffr/apn/dpa/Reuters
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