Athen und das Euro-Problem Hintergründe zur Griechenlandkrise - endlich verständlich

Wie kam es überhaupt zur Schuldenkrise? Wie viel hat Deutschland bisher gezahlt? Verweigert Athen Reformen? In unserem Hintergrundformat "Endlich verständlich" finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Finanzkrise in Griechenland.
Foto: YANNIS BEHRAKIS/ REUTERS

Hintergründe zur Griechenlandkrise - Endlich verständlich

Im April 2010 gab der damalige Premierminister Georgos Papandreou die Horrornachricht bekannt: Seinem Land drohe die Zahlungsunfähigkeit. Dass es so weit kommen konnte, hat mehrere Ursachen:

  • Unsolide Haushaltspolitik: Papandreou musste bereits kurz nach Amtsantritt 2009 einräumen, dass das Defizit nicht 6 Prozent betrage wie von der konservativen Vorgängerregierung mitgeteilt, sondern 13 Prozent. Es war nicht das erste Mal, dass die Griechen mit geschönten Zahlen und kreativer Buchführung ihre Zahlen frisierten. War die Staatsverschuldung in den Achtzigerjahren zunächst massiv angestiegen, schien sie in den Neunzigerjahren plötzlich zu schrumpfen. Bei der Aufnahme in die Eurozone im Jahr 2000 meldete Athen ein Defizit von unter zwei Prozent. Die Zweifel an der wundersamen Entwicklung waren groß in Europa, dennoch durfte Griechenland in die Währungsunion. Mit dem harten Euro aber wurde den Hellenen das Schuldenmachen erst richtig leicht gemacht. Der Staat musste für Kredite deutlich niedrigere Zinsen zahlen, denn die Investoren gingen nun davon aus, dass die Euro-Partner den Griechen bei Problemen mit der Zahlungsfähigkeit schon zur Seite springen würden – so kam es dann ja auch.

  • Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit: Die Lohnstückkosten, die beschreiben, wie viel Lohn ein Produkt kostet, und die als Gradmesser für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft gelten, waren bis zum Ausbruch der Krise viel zu hoch. Das heißt: Die Arbeit war im Verhältnis zur Produktivität zu teuer. Auch die Handelsbilanz, bei der Warenausfuhren und -einfuhren gegenüber gestellt werden, zeigt ein grundlegendes Problem: Griechenland hat zu wenig Produkte, die im Ausland begehrt sind. Jahrzehntelang wurde deswegen weit mehr importiert als exportiert. Um die Einfuhren zu bezahlen, musste das Land sich im Ausland immer mehr Geld leihen. Der Schuldenberg wuchs und wuchs, bis Zweifel an der Kreditwürdigkeit Griechenlands aufkamen. 2014 war die Leistungsbilanz erstmals seit 1948 wieder positiv. Das lag an einer guten Tourismussaison - aber auch an der Krise: Die Griechen haben weniger Geld zum Ausgeben, als Folge sinken die Importe.

  • Klientelismus und Vetternwirtschaft: Sozialistische wie konservative Regierungen machten sich über Jahrzehnte ihre Wähler und Parteigänger gewogen, zum Beispiel indem sie diese in großem Stil - kompetent oder nicht - mit Posten im öffentlichen Dienst versorgten und so den Staatsapparat aufblähten. Das ist nicht nur teuer, sondern auch ineffizient.

  • Korruption und Schattenwirtschaft: Der österreichische Ökonom Friedrich Schneider hat errechnet, dass dadurch fast ein Viertel der Wirtschaftsleistung am Fiskus vorbeiläuft. Im Korruptionsindex von Transparency International rangiert Griechenland auf dem drittletzten Platz. Immerhin überholte das Land inzwischen Rumänien und Italien, was Transparency auch auf die Reformen der jüngsten Zeit zurückführt.

  • Ineffiziente Finanz- und Steuerbehörden: Die Haushaltsdaten wurden in der Vergangenheit nie von unabhängiger Seite kontrolliert. Steuerhinterziehung ist in Griechenland ein Volkssport, auch weil sie bisher nicht angemessen verfolgt wird. Der inzwischen zurückgetretene Finanzminister Yanis Varoufakis hatte die Steuerschulden griechischer Bürger und Unternehmen Anfang 2015 auf 76 Milliarden Euro beziffert.

  • Folgen der Bankenrettung: Nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers stützte Griechenland wie viele andere Länder seine Finanzinstitute mit umfassenden Garantien. Die damit übernommenen Risiken verschlechterten in den Augen von Investoren die Kreditwürdigkeit des griechischen Staates. Neue Kredite wurden für Athen immer teurer. Die Staatseinnahmen reichten bei Weitem nicht mehr, um die Staatsausgaben und Kredite zu decken.

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