Regierungsbildung in Athen Entsetzen über linken Wahlgewinner

Er will das "barbarische Spardiktat" Europas kippen: Sollte der linke Parteichef Alexis Tsipras mit diesem Ziel binnen drei Tagen eine Regierung zustande bekommen, gerät die ganze EU-Krisenpolitik ins Wanken. Deutsche Politiker und die EZB sind besorgt. Die Börsen brechen ein.
Syriza-Parteichef Tsipras: "Vereinbarungen der Unterwürfigkeit kippen"

Syriza-Parteichef Tsipras: "Vereinbarungen der Unterwürfigkeit kippen"

Foto: Kostas Tsironis/ AP

Athen - Bei den Bemühungen um eine neue Regierung in Griechenland sind die Gegner des Sparkurses in die Offensive gegangen. Staatspräsident Karolos Papoulias beauftragte am Dienstag den Chef der linksradikalen Syriza-Partei, Alexis Tsipras, mit Gesprächen zur Bildung eines Kabinetts. Der 37-Jährige kündigte nach dem Treffen mit Papoulias an, eine Koalition der Linken schmieden zu wollen, um das "barbarische Spardiktat" und die "Vereinbarungen der Unterwürfigkeit" mit den internationalen Kreditgebern zu kippen.

"Wir wollen eine Regierung der linken Kräfte bilden, um den Folgen des Schuldenschnitts zu entgehen, der uns in den Bankrott führt", sagte Tsipras. Alle Verträge, die Griechenland mit den Geldgebern geschlossen habe, seien nach dem Ergebnis der Parlamentswahl null und nichtig. Bei der Abstimmung war am Sonntag das Bündnis der Radikalen Linken überraschend zweitstärkste Kraft geworden.

Tsipras kündigte für den Fall einer Regierungsübernahme ein "Rückzahlungsmoratorium" für griechische Schulden an. Ihm werden allerdings nur geringe Chancen eingeräumt, eine Koalition zu schmieden. Die linken Parteien sind untereinander zerstritten, eine linke Mehrheit daher unwahrscheinlich. Die Kommunistische Partei kündigte am Dienstag schon an, sie wolle nicht mit der Syriza zusammenarbeiten.

Eine geringe Chance hätte Tsipras, wenn er eine Koalition mit der Pasok eingehen würde, die von der Nea Dimokratia (ND) zumindest toleriert würde. Doch er hatte von Pasok und ND verlangt, sie müssten von ihren Zusagen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Europäische Union (EU) abrücken, falls sie sich an einer Regierung beteiligen wollten.

Konservative fürchten "Zerstörung Griechenlands"

ND-Chef Antonis Samaras reagierte empört auf die Forderungen. "Was Herr Tsipras da verlangt, führt direkt zum Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone", sagte Samaras. Er werde nicht wie von Tsipras verlangt mit seiner Unterschrift zur Zerstörung Griechenlands beitragen, sagte Samaras.

Er war zuvor mit seinem Versuch zur Bildung einer neuen Regierung gescheitert. Er gab den Auftrag zur Regierungsbildung am Montag nach nur wenigen Stunden zurück. Die Nea Dimokratia war trotz massiver Verluste als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl am Sonntag hervorgegangen.

Tsipras, seit 2008 an der Syriza-Spitze, ist der jüngste Parteichef Griechenlands. Er liebt die legere Pose - auch zum Staatspräsidenten kam er am Dienstag ohne Krawatte - und den schrillen Ton. Gerne wettert er gegen die deutsche Sparpolitik.

Sollte Tsipras binnen drei Tagen keinen Erfolg haben, geht das Mandat an Pasok-Chef Evangelos Venizelos als Drittplatzierten. Sollte bis 17. Mai keine Lösung gefunden sein, gibt es Neuwahlen.

Dax verliert 1,9 Prozent

Griechenland hängt im Zuge der Euro-Krise am Tropf internationaler Geldgeber und braucht dringend frisches Geld - bis Ende Juni sollen es 30 Milliarden Euro sein, andernfalls droht die Staatspleite.

Wirtschaftskreise in Athen reagierten alarmiert auf die Äußerungen Tsipras'. Der deutsche Aktienmarkt ging aus Sorge über die Zukunft Griechenlands auf Talfahrt. In Frankfurt ging der Dax mit einem Minus von 1,9 Prozent bei 6444 Punkten aus dem Handel. Auch in den USA gerieten wegen der Angst vor einem Wiederaufflammen der Euro-Schuldenkrise Werte unter Druck, die stark von der Konjunktur abhängig sind.

Politiker in Berlin und Brüssel äußerten sich besorgt, dass Griechenland seine internationalen Verpflichtungen im Kampf gegen die Schuldenkrise nicht einhalten könnte. "Ich sehe die Entwicklungen in Griechenland mit großer Sorge", erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). "Wir rufen jetzt die Verantwortlichen in Griechenland auf, schnell für stabile Verhältnisse zu sorgen und dafür, dass eine Regierung der Vernunft gebildet werden kann."

"Wir sind solidarisch, aber nicht doof"

Auch andere deutsche Politiker erklärten, weitere Hilfen für das Euro-Land seien strikt an die Einhaltung der Sparauflagen geknüpft. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen erklärte in einem Interview mit dem "Handelsblatt", Griechenland könne nicht mit der Bereitschaft der EZB rechnen, sein Sanierungsprogramm neu zu verhandeln. "Griechenland muss klar sein, dass es zu diesem vereinbarten Sanierungsprogramm keine Alternative gibt, wenn es Mitglied der Euro-Zone bleiben will."

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte in Berlin: "Wir sind solidarisch, aber nicht doof." Die deutsche Toleranz sei begrenzt. Europa habe Griechenland mit dreistelligen Milliardenhilfen die Hand ausgestreckt. Nach den Wahlen müssten die Parteien in Athen den Ernst der Lage endlich begreifen, so Brüderle.

Auch die EU-Kommission warnte Griechenland vor einem Abweichen vom vereinbarten Spar- und Reformkurs. Die einzige Alternative sei eine "ungeordnete Staatspleite", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel.

fab/dpa/dapd/Reuters
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