
S.P.O.N. - Im Zweifel links Die allerallerallerletzte Chance


Merkel: Steht vor den Scherben ihrer Griechenland-Politik.
Foto: Maurizio Gambarini/ dpaImmer wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt ein neuer Gipfel daher. So nähert sich das Stück um die Rettung Griechenlands seinem Höhepunkt. Die irre Wendung: Griechenland ist klein, schwach und pleite. Und dennoch, die Chancen stehen nicht schlecht, dass Alexis Tsipras und Gianis Varoufakis, die Helden aus Athen, den Sieg davontragen. Der erstaunte Zuschauer stellt fest: Auf der Bühne der Eurokrise finden absurdes Theater und griechische Tragödie zusammen. Angela Merkel ist die Regie entglitten. Wenn das noch richtig teuer wird, sollten die Deutschen die Schuld nicht in Athen suchen - sondern in Berlin.
Die griechischen Botschaften, so konnte man neulich lesen, wurden angehalten, ihre Bargeldbestände nach Hause zu schicken. Jeder Cent zählt. Aber das genügt natürlich nicht. Es sprudelt auch längst schon eine viel reichere Geldquelle: die europäische Zentralbank. Die erlaubt der griechischen Zentralbank, das Land bei Engpässen mit Bargeld aus der Notenpresse zu versorgen. "ELA" heißt das, "Emergency Liquidity Assistance". Für Staatsfinanzierung war das nicht gedacht - und die gehört ja eigentlich auch nicht zu den Aufgaben der Zentralbank. Aber ein Glück, dass es solche Instrumente gibt und dass die Euro-Bank sie souverän einsetzt. Mario Draghi lässt grüßen. Der Zentralbankpräsident springt ein, wo Angela Merkel fehlt.
Die Deutsche erhebt in Europa zwar den Führungsanspruch - aber sie löst ihn nicht ein. Sie hat sich zur Geisel eines antieuropäischen deutschen D-Mark-Nationalismus gemacht - denn bei dem sind wir ja geblieben, Euro hin oder her: Gierige Griechen greifen nach deutschem Geld. Anders lässt sich die Eurokrise hierzulande kaum noch vermitteln.
Deutschlands Rettungspolitik ist katastrophal
Der österreichische Journalist Robert Misik hat neulich darauf aufmerksam gemacht, dass der deutsche Diskurs von politischer Klasse und medialem Establishment sich weit jenseits der europäischen Normalität abspiele: "Während hier selbst in linksliberalen Medien ein Zerrbild vom "radikalen Finanzminister" Gianis Varoufakis gezeichnet wurde und ihm uralte und auch noch verfälschte Zitate in den Mund gelegt wurden, musste man schon die "New York Times", den "Guardian" oder auch den erzkonservativen "Telegraph" lesen, um die Wahrheit zu erfahren: Globaler Ökonomie-Superstar, ein Postkeynsianer, kein Linksradikaler, wird Finanzminister Griechenlands! Der Popstar unter den Ökonomen hängt seine cosy texanische Professur an den Nagel, um den härtesten Job der Welt zu übernehmen! Wie spannend! Wie bewundernswert! Aber hierzulande: ein völlig anderer Spin."
Natürlich muss Griechenland sich ändern. Aber der Balkan-Byzantinismus ist nicht so schnell kleinzukriegen. Was hatte man im Berliner Kanzleramt erwartet? Ein Dänemark am Mittelmeer? Wollte Angela Merkel in Athen ein Gyros-Konto eröffnen - und hat dann festgestellt, das ist da nicht Ouzo? Leider ist die deutsche Rettungspolitik für Griechenland kein Witz. Sondern eine Katastrophe. Das Rezept von Frau Dr. Merkel war Gift für Griechenland: die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent, die Schuldenquote ist seit Beginn der Krise von 124 auf 180 Prozent des Inlandsprodukts gewachsen. Aber wo Merkel nur zuschaut, müssen andere handeln. Das Leid der Griechen zwingt den Kontinent zum Kurswechsel.
Merkel steht vor den Scherben ihrer Politik
Kommissionpräsident Juncker hat gesagt, es gebe eine "humanitäre Krise" in Griechenland. Wer das nicht sehe, sei "blind und taub" für das, was vor Ort geschehe. Sein Kabinettschef Martin Selmayr ist noch deutlicher geworden: Das bisherige Rettungsprogramm habe sich "als unrealistisch und als sozial nicht ausgewogen herausgestellt", die griechische Bevölkerung habe "einen hohen Preis" für die Reformen gezahlt. Eine Ohrfeige für die Deutschen. Es ist Merkels Austeritätskurs, der da vor den Augen der Welt gescheitert ist.
Angela Merkel steht vor den Scherben ihrer Politik. Die Linken in Athen haben aus ihrer Schwäche eine Stärke gemacht. Sie halten sich eine Waffe an den Kopf und drohen mit Selbstmord. Nichts anderes bedeutet die Drohung, die Eurozone zu verlassen und die Schuldenzahlungen einzustellen. Aber das ist keine Frechheit. Das ist Verzweiflung.