Erst Brexit-Minister David Davis, nun auch der Außenminister: Boris Johnson ist zurückgetreten. Premierministerin Theresa May habe das Rücktrittsgesuch ihres Ressortchefs akzeptiert, teilte die britische Regierung mit. Die Nachfolge werde in Kürze bekannt gegeben.
Davis und Johnson zählen beide zu den Hardlinern bei der Frage über die Ausgestaltung des EU-Austritts Großbritanniens. Davis hatte am späten Sonntagabend im Streit über die neue Brexit-Strategie von Premierministerin Theresa May seinen Rücktritt erklärt. Der 44-jährige Dominic Raab soll Davis ersetzen.
Warum genau Johnson nun seinen Rückzug erklärte, ist offen. Allerdings hat Nigel Farage von der europafeindlichen Ukip-Partei dem bisherigen Außenminister bereits angeboten, sich nun gemeinsam gegen May zu wenden.
Johnson gilt als einer der Hauptkritiker Mays - und hatte ihren Brexit-Kurs immer wieder als zu weich angegriffen. Am Freitag hatte sich May gegen seinen Willen mit ihrer Entscheidung für eine Beibehaltung einer engen wirtschaftlichen Anbindung an die Europäische Union durchgesetzt.
Bei dem Treffen auf dem Landsitz Chequers soll Regierungschefin May äußerst rabiat vorgegangen sein, um den Abschied vom harten Brexit-Kurs durchzusetzen. Johnson bezeichnete Mays neue Brexit-Pläne Berichten zufolge als "Scheißhaufen". Durch seinen Rücktritt ist Mays Regierung nun noch stärker geschwächt. Nur knapp neun Monate vor dem EU-Austritt im März 2019 steckt Mays Regierung nun in einer massiven Regierungskrise.
May stellt derweil ihre Brexit-Pläne im Parlament vor. Dort verfügt sie seit der Neuwahl im vergangenen Jahr aber nur noch über eine äußerst knappe Mehrheit - und muss mit weiterem Widerstand aus dem Brexit-Flügel der Tories rechnen.
Am Abend wird May vor einer Gruppe einflussreicher Hinterbänkler aus ihrer Fraktion erwartet, dem sogenannten 1922-Komitee. Das Treffen gilt als entscheidend. Der erzkonservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg warnte May zuvor bereits, sich bei ihren Brexit-Plänen auf die Unterstützung der Opposition zu verlassen.
Der ehemalige Londoner Bürgermeister Johnson war das Gesicht der Brexit-Kampagne und der Wortführer der Europagegner in Großbritannien. Der exzentrische Konservative hatte nach dem Brexit-Votum 2016 gesagt, die EU sei "eine noble Idee für ihre Zeit" gewesen, doch "nicht länger richtig für dieses Land".
EU-Ratspräsident Donald Tusk reagierte zurückhaltend auf die Rücktritte der britischen Minister. "Politiker kommen und gehen, aber es bleiben die Probleme, die sie für ihr Volk geschaffen haben", sagte Tusk. "Das Durcheinander aufgrund des Brexits ist das größte Problem in der Geschichte der Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Es ist immer noch weit von einer Lösung entfernt."
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Knapp neun Monate vor dem EU-Austritt Ende März 2019 steckt die Regierung von Premierministerin Theresa May in einer massiven Regierungskrise. Denn nun erklärte auch Außenminister und Brexit-Hardliner Boris Johnson seinen Rücktritt. "Der Brexit-Traum stirbt, erstickt von unnötigen Selbstzweifeln", heißt es in seinem Rücktrittsschreiben an May.
Nur Stunden zuvor war der britische Brexit-Minister David Davis im Streit über den Kurs der Regierung beim EU-Austritt zurückgetreten. Er zweifle, ob der EU-Austritt überhaupt noch stattfinden werde, sagte Davis. Die Pläne Mays seien "gefährlich".
Verteidigungsminister Michael Fallon war der Erste aus dem Kabinett von Theresa May, der über einen Skandal stolperte. Er gab zu, 2002 einer Radiomoderatorin bei einem Dinner die Hand wiederholt aufs Knie gelegt zu haben. Anfang November 2017 erklärte er seinen Rücktritt.
Nur einige Tage später erklärte auch Entwicklungsministerin Priti Patel ihren Rücktritt. Grund war eine Reihe von Gesprächen mit politischen Vertretern in Israel. Darüber hatte sie Theresa May nicht informiert.
Alastair Grant/ AP
Am 20. Dezember 2017 ging der britische Vizepremier und Kabinettschef Damian Green. Er soll einer Journalistin während eines Pub-Besuchs ans Knie gefasst und ihr später eine anzügliche Nachricht geschickt haben. Zudem soll Porno-Material auf seinem Dienstrechner gespeichert gewesen sein. Green trat wegen der Vorwürfe zurück.
Bildungsministerin Justine Greening weigerte sich, ins Arbeitsressort zu wechseln, und warf kurzerhand hin. Das war im Januar 2018.
Ende April dieses Jahres folgte der Abgang von Innenministerin Amber Rudd: Sie stolperte unter anderem über Falschaussagen im Parlament im Zusammenhang mit der Abschiebung von Migranten der "Windrush"-Generation.
Nach den Rücktritten von Boris Johnson und David Davis steht Theresa May nun umso mehr unter Druck. Sie muss mit weiterem Widerstand aus dem Brexit-Flügel ihrer Partei rechnen. Etwa 60 Abgeordnete in ihrer Fraktion werden dazugezählt.
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