Britischer EU-Ausstieg Drei Gründe, warum der Brexit wohl wirklich kommt

Parlament in London
Foto: Stephen Chung/ dpaAm Ende ihrer Brexit-Rede stürzt Theresa May in Richtung Ausgang, als sei ihr peinlich, was sie da soeben vertreten hat. Ja, Britannien will den Brexit, aber irgendwie auch nicht so richtig. "Wir verlassen den gemeinsamen Markt, das Leben wird anders", sagte sie am Freitag. Doch auf der anderen Seite wünsche sie sich so umfassende Beziehungen zur EU wie nur möglich.
Werden die Briten es wirklich tun? Sie können doch nicht diese Wahnsinnsentscheidung umsetzen, den Brexit. Es gibt in Brüssel, Deutschlandund anderen Orten der EU noch immer diese Vorstellung, dass alles am Ende doch gut ausgeht, dass Großbritannienin der Union bleibt.
Erst Mitte Januar hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk zuletzt ein Angebot gemacht: "Unsere Herzen sind immer noch für Euch offen." Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fügte später hinzu, er hoffe, das werde in London "deutlich gehört".
Doch es gibt entscheidende Gründe, die den Exit vom Brexit mehr als unwahrscheinlich machen.
Die Stimmung hat sich nicht geändert
17,4 Millionen - etwa so viele Briten votierten am 23. Juni 2016 für den Brexit. Eine denkbar knappe Mehrheit für diesen historischen Schritt: 51,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. 48,1 Prozent wollten lieber in der EU bleiben.
In den vergangenen Monaten ist viel passiert. Die Briten haben den Ausstieg offiziell beantragt. Sie haben Verhandlungen mit der EU aufgenommen, mit Brüssel über Lösungen für die irische Grenze, die Migranten, die Brexit-Kosten gerungen. Sie haben sich zutiefst zerstritten, in Fragen etwa, ob man sich in Zukunft EU-Regeln unterwerfen will und was das Parlament zu sagen hat.

Boris Johnson im Brexit-Wahlkampf 2016
Foto: Christopher Furlong/ Getty ImagesAllein: An der Stimmung in der Bevölkerung hat sich kaum etwas getan. Der "Guardian" veröffentlichte Ende Januar die Ergebnisse einer umfassenden Studie. Das Ergebnis: Bei einem erneuten Referendum würden 49 Prozent für den Brexit stimmen, 51 dagegen. Der Unterschied zur 2016 liegt innerhalb der Fehlertoleranz - viel zu wenig, um daraus eine Trendwende abzulesen. Das Land bleibt gespalten, die Lager verhärtet.
An den Motiven der EU-Gegner hat sich auch wenig geändert. Noch immer verbinden viele ihre Ausländerfeindlichkeit mit der Europäischen Union. Noch immer treibt eine diffuse Sehnsucht nach alter Größte die Brexiteers an, noch immer geben gerade in sozial schwachen Gegenden Menschen der EU die Schuld an ihrer Misere.
Klar, niemand kann sicher sagen, ob sich die Stimmung nicht doch noch dreht, wenn es am Ende keine Einigung mit Brüssel über den Scheidungsvertrag gibt, wenn die Wirtschaft zusammenbricht. Umfragen zeigen sogar, dass eine Mehrheit mit finanziellen Nachteilen nach dem Ausstieg ohnehin rechnet - an der Grundhaltung zum Brexit ändert das bislang kaum etwas.
Die Hürden für eine Kurswende sind hoch
Selbst wenn sich die Stimmung doch noch einmal grundsätzlich ändert: Es wären eine Reihe von Schritten notwendig, um Großbritannien doch noch in der EU zu halten - allesamt keine Selbstläufer.
Politisch ginge es wohl nicht ohne offizielle Rückendeckung aus der Bevölkerung. Am sichersten wäre das zweite Referendum, in dem sich diesmal eine Mehrheit gegen den Brexit aussprechen müsste. Voraussetzung: Das Parlament macht den Weg für eine solche Abstimmung frei. Laut einigen Experten könnte jedoch auch von Neuwahlen ein entsprechendes Signal ausgehen - sofern die Sieger zuvor mit dem klaren Ziel in den Wahlkampf gezogen sind, den EU-Ausstieg abzuwenden.

Britisches Unterhaus
Foto: Uncredited/ dpaIn der Folge könnte die britische Regierung den Stopp des Austrittsverfahrens in Brüssel beantragen - genauso wie sie im März 2017 Artikel 50 des Lissabon-Vertrages aktiviert hat, um den Brexit einzuleiten: mit einem Brief an den Europäischen Rat.
Wie es dann weiterginge, ist unter Juristen umstritten. Doch es gilt als wahrscheinlich, dass die verbliebenen 27 EU-Staaten der Rücknahme des Brexit-Antrags zustimmen müssten. Nicht ausgeschlossen, dass zumindest ein Land sein Veto einlegt - oder Bedingungen stellt, die für die Briten nicht akzeptabel sind. Am Ende könnte die Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof fallen - ausgerechnet jener Institution, die die EU-Gegner in Großbritannien besonders hassen.
Der politische Wille fehlt
Zwar halten auch viele Abgeordnete den Brexit nach wie vor für falsch - doch im Parlament ist keine Mehrheit in Sicht, die sich für eine Abkehr vom Brexit einsetzen würde. Zu schwer wiegt der Volksentscheid vom Sommer 2016. Wer jetzt daran rüttelt, missachte das demokratische Votum - so sehen es viele Politiker auch heute noch.
Nicht nur bei den konservativen Tories: Auch bei Labour-Linken gibt es seit jeher scharfe EU-Kritiker. Dazu kommt: Vor allem in traditionellen Arbeiter-Wahlkreisen sind besonders viele Menschen für den Brexit. Und mit ihren Wählern vor Ort wollen es sich die Abgeordneten nicht verscherzen. Selbst wenn Labour in möglichen Neuwahlen an die Macht kämen - es wäre längst nicht ausgemacht, dass sie für eine echte Kurswende beim Brexit sorgen würden.

Selbst kein überzeugter EU-Anhänger: Labour-Chef Jeremy Corbyn
Foto: Jane Barlow/ dpaDazu kommt: Die meisten Brexit-Gegner konzentrieren sich mittlerweile auf das Ziel, nach einem Ausstieg möglichst enge Beziehungen zur EU zu bewahren. Ihre Sorge: Sollte sich die Brexiteers bei einem erneuten Referendum wieder durchsetzen, könnte das die Hoffnungen auf einen solchen "weichen Brexit" zunichtemachen.
Es gibt nur eine Partei im Parlament, die den Brexit wirklich noch stoppen will - und offensiv für eine neue Volksabstimmung wirbt: Die Liberaldemokraten. Im Unterhaus haben sie allerdings nur zwölf Sitze, in den Umfragen verharren sie bei rund sieben Prozent.
Am Ende dürfen die Parlamentarier über den Deal mit Brüssel abstimmen, das haben sie sich im Streit mit der Regierung ausbedungen - ein Achtungserfolg. Lehnen sie ab, ist jede Ordnung dahin, Großbritannien drohte aus der EU ohne jegliche Absicherung zu fallen. Neuwahlen wären wahrscheinlich. Ein gewaltiges Risiko - das wissen auch die Abgeordneten.