May bei Trump Britin, 60, sucht neuen Handelspartner

Theresa May
Foto: NEIL HALL/ REUTERSDas Weiße Haus, der Rasen, das Oval Office - Generationen von britischen Regierungschefs waren hier schon zu Gast. Sie haben mit US-Präsidenten Hände geschüttelt, in Kameras gelächelt. Man kennt sich, man hilft sich - in Kriegen und im Frieden. Verlässlichkeit seit Jahrzehnten. Bis jetzt.
Seit Donald Trump in Washington an der Macht ist, weiß niemand mehr so recht, auf was man bei den Amerikanern noch zählen kann. Bei einem Mann an der Spitze, der Frauen und Minderheiten beleidigt, der die Öffentlichkeit belügt, der die Nato infrage stellt, der statt eines Zeichens des Friedens der Welt in seiner Antrittsrede eine kalte Botschaft sendet: "Amerika zuerst."
Wie soll man mit diesem Mann zusammenarbeiten? Eine Antwort darauf hat wohl auch Theresa May noch nicht. Ihr Problem ist: Sie muss sie finden. So schnell wie möglich.
Video: Trumps diplomatische Tiefpunkte
Erster Besuch bei Trump
Als erste ausländische Regierungschefin besucht die britische Premierministerin an diesem Freitag den neuen US-Präsidenten. Die Einladung ist ein Symbol des guten Willens der Amerikaner. Es werden aber, da muss man kein Prophet sein, schwierige Gespräche. May hat erklärt, dass sie Trump notfalls auch kritisieren werde - "wenn ich etwas inakzeptabel finde".
May steht vor einem Dilemma: Sie will sich Trump nicht anbiedern, das kommt auf der Insel nicht gut an. Verprellen darf sie ihn aber auch nicht. Sie braucht die Vereinigten Staaten künftig so dringend wie lange nicht. Dann nämlich, wenn sie ihr Mega-Projekt tatsächlich durchzieht - und mit Großbritannien der EU den Rücken kehrt.
May hatte kürzlich klargemacht, dass sie den Zugang zum europäischen Binnenmarkt opfern will, um in den Austrittsgesprächen der Union nicht zu viele Zugeständnisse machen zu müssen.
Auf der Insel fürchten sie nun, am Ende isoliert in der Welt zu stehen. Für May geht es jetzt darum, schnellstmöglich neue Partnerschaften zu knüpfen und bestehende zu stärken.
May will bilaterale Abkommen
In ihrer jüngsten Rede im Londoner Lancaster House skizzierte sie das Bild eines globalen Großbritanniens, das nach dem EU-Austritt weltweit Freihandelsabkommen abschließt. Auf diese Weise sollen mögliche wirtschaftliche Einbußen durch den Brexit zumindest ansatzweise ausgeglichen werden.
May will für all das jetzt die Grundlage legen. Sie betont das Netzwerk des alten Commonwealth, sie macht Indien Avancen, lenkt den Blick auf Australien oder Kanada. Ihr wichtigster Ansprechpartner abseits der EU aber heißt Trump. Schon jetzt geht der zweitgrößte Teil britischer Exporte, etwa 17 Prozent, in die USA.
Der Präsident empfängt May mit offenen Armen, scheinbar. Er nennt die Premierministerin scherzhaft "My Maggie" - eine Anspielung auf das enge Verhältnis von Ronald Reagan und Margaret Thatcher. Für ein bilaterales Abkommen zeigt er sich grundsätzlich offen. "Wir werden hart arbeiten, um das schnell hinzukriegen", sagte er kürzlich. Mit Trump im Rücken wäre für May vieles einfacher - auch in den bevorstehenden Gesprächen mit der EU.
Doch so einfach ist das nicht.
Unterschiedliche Welten
Wenn May den neuen US-Präsidenten besucht, treffen zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander: menschlich und politisch. Während May, die Nüchterne, den Brexit als Chance für noch mehr Globalisierung interpretiert, sieht Trump, der Hitzkopf, im Referendum der Briten und in seiner eigenen Wahl die Aufforderung, sich in den nationalen Grenzen einzuigeln.
Der Republikaner will internationale Vereinbarungen einstampfen oder gegebenenfalls radikal amerikanischen Interessen anpassen. Kaum im Amt, kassierte er bereits das transpazifische TPP. Auch die Nafta-Verträge mit Kanada und Mexiko sollen neu verhandelt werden.
Freihandelsabkommen aber sind nicht nur durch den Wegfall von Zöllen geprägt, sondern vor allem durch gemeinsame Regeln für Branchen und Produkte, etwa bei Lebensmitteln, in Umweltfragen oder in der Arzneimittelindustrie.
Es wird der Regierung in London viel politische Biegsamkeit abfordern, wenn sie unter diesen Umständen als Einzelkämpfer den mächtigen Amerikanern Zugeständnisse abtrotzen möchte - ohne jede Menge eigener Standards über den Haufen zu werfen. Die Opposition in London warnt bereits vor der Invasion amerikanischer Konzerne in das staatliche Gesundheitssystem.
Auch werden Trumps erste Amtshandlungen in Großbritannien mit einigem Entsetzen verfolgt. Die Interview-Äußerung, dass Waterboarding bei Verhören von Terrorverdächtigen wirksam sei, weckte unangenehme Erinnerungen an die Bush-Blair-Jahre und den Krieg gegen den Terror. Bis heute arbeiten Amerikaner und Briten militärisch eng zusammen und teilen Geheimdienstinformationen. Folter jedoch ist in Großbritannien gesetzlich verboten.
May wird sich jedoch wohl auf wirtschaftliche Belange konzentrieren. Ende 2016 hatte sie bereits zwei vertraute Berater nach Amerika geschickt, um sich mit Trumps Beratern über zukünftige Kooperationen abzustimmen. Jetzt also das erste Beschnuppern auf oberster Ebene. Gut möglich, dass vorerst nicht viel mehr herauskommt, als Händeschütteln, als Lächeln vor den Kameras. Es wäre wenigstens eine Konstante. Immerhin.