Sexismus-Skandal in Großbritannien Rücktritt ihres Ministers könnte auch May in Bedrängnis bringen

Sexismus-Skandal in Großbritannien: Rücktritt ihres Ministers könnte auch May in Bedrängnis bringen
Foto: OLI SCARFF/ AFPMichael Fallon ist am Mittwoch nach Vorwürfen sexueller Belästigung von seinem Amt als Verteidigungsminister zurückgetreten. Seine Erklärung für sein Verhalten damals klingt wenig einsichtig: "Was vor zehn, fünfzehn Jahren akzeptabel war, ist es heute nicht mehr", sagte der 65-Jährige Vater zweier Kinder dem Fernsehsender BBC. Er gab zu, 2002 einer Radiomoderatorin bei einem Dinner die Hand wiederholt aufs Knie gelegt zu haben.
Fallons Rücktritt ist der erste in einem seit Tagen andauernden Skandal um sexuelle Belästigung im britischen Parlament. Offenbar hatte über Jahrzehnte in Westminster und auch in den Parteien ein Gesetz des Schweigens geherrscht.
Laut Medienberichten soll im Parlament eine Liste mit den Namen von rund 40 konservativen Abgeordneten kursieren, denen sexuelle Belästigung nachgesagt wird. Unter ihnen sollen auch sechs Minister sein. Die Liste stammt demnach von ehemaligen Mitarbeitern.
May dankt Fallon für "lange und beeindruckende Ministerkarriere"
Theresa May dankte ihrem Verteidigungsminister für seine "lange und beeindruckende Ministerkarriere". Sie begrüße, dass er mit seinem Rücktritt den Soldaten ein gutes Beispiel geben wolle. Erst am Wochenende war bekannt geworden, dass die Besatzung des Atom-U-Bootes "HMS Vigilant" wilde Drogenpartys gefeiert und der Kapitän des Schiffes eine unerlaubte sexuelle Beziehung zu einer Untergebenen hatte.

Rücktrittsgesuch Fallons
Foto: Prime Minister's Office/ APDie vom Fall Fallon betroffene Journalistin Julia Hartley-Brewer reagierte auf Twitter mit dem Satz: "Mein Gott. Sir Michael Fallon ist gerade als Verteidigungsminister zurückgetreten" und erfand prompt den Hashtag #Kneegate - "obwohl ich bezweifle, dass mein Knie der Grund war".
Welche Fälle sind bekannt?
Fallons Eingeständnis ist der vorläufige Tiefpunkt einer beispiellosen Reihe von Sexismus-Skandalen in der britischen Politik, die infolge der durch den Fall Harvey Weinstein angestoßenen Debatte ans Licht gekommen sind. Der Überblick:
- Ins Rollen kam die Diskussion um sexuelle Übergriffe, nachdem Außenhandels-Staatssekretär Mark Garnier eingeräumt hatte, seiner Sekretärin den Kauf von Vibratoren aufgetragen zu haben.
- Den bisher schwerwiegendsten Vorwurf erhebt eine frühere Labour-Mitarbeiterin: Bex Bailey beschuldigte einen ranghohen Parteipolitiker, sie als 19-Jährige vergewaltigt zu haben.
- Eine weitere Frau warf einem ebenfalls ungenannten Abgeordneten vor, sie während einer Auslandsreise sexuell bedrängt zu haben. Obwohl sie nach dem Vorfall zur Polizei gegangen sei und auch der Parlamentsverwaltung davon berichtet habe, sei nichts passiert.
- Weitere Vorwürfe betreffen einen Abgeordneten sowie den amtierenden konservativen Vize-Regierungschef Damian Green. Dieser wies die Anschuldigungen am Mittwoch zurück. Theresa May ordnete eine Untersuchung an.
Die Premierministerin steht angesichts dieser Anschuldigungen - und möglicher weiterer gegen Mitglieder ihrer Partei - nun unter Druck. Sie führt seit der Neuwahl im Juni eine Minderheitsregierung an und ist auf die Hilfe der erzkonservativen nordirischen DUP (Democratic Unionist Party) angewiesen.
May erklärte nun, sie wolle angesichts der von den britischen Medien als "Sex-Pest" beschriebenen Skandalserie einen "Code of Conduct", also einen Verhaltenskodex, aufstellen. Zudem soll es künftig spezielle Ansprechpartner für Opfer von sexuellen Übergriffen im Parlament geben.