Guantanamo 23 Häftlinge versuchten kollektiven Selbstmord
Guantanamo - Die Selbstmordversuche waren abgesprochen. Eine verzweifelte Protestaktion. Zwischen dem 18. und dem 26. August 2003 versuchten insgesamt 23 Häftlinge sich umzubringen - allein zehn von ihnen an einem Tag, dem 22. August. Das bestätigte das US-Militär der Nachrichtenagentur AP. Mit Kleidungsstücken wollten sie sich demnach erhängen oder strangulieren. Die Militärs vermuten als Ziele der Aktion, die Abläufe im Camp zu stören und neue Wärter zu verunsichern.
Die US-Armee wollte laut AP keinen Kommentar dazu abgeben, warum sie den Vorfall erst nach anderthalb Jahren veröffentlichte. Zudem stuften die Verantwortlichen die Selbstmord-Versuche mit zwei Ausnahmen lediglich als Selbstverletzung ein. Das Ziel der Gefangenen sei Aufmerksamkeit gewesen und nicht der Suizid. Die beiden Männer, die sich wirklich das Leben hatten nehmen wollen, hätten anschließend psychiatrische Hilfe bekommen, berichtet die Agentur unter Berufung auf Militär-Angaben.
Allerdings hat es im Jahr 2003 insgesamt eine relativ hohe Rate an autoaggressiven Handlungen gegeben. Die US-Armee spricht von 120 Suizid-Versuchen und 230 Selbst-Verstümmelungen in Guantanamo. Diese Zahlen nannte der US-Offizier Leon Sumpter, Sprecher des Haft-Einsatzes, gegenüber AP. Damals hatte General-Major Geoffrey Miller das Kommando über den Stützpunkt übernommen, mit der Aufgabe mehr Informationen als zuvor aus den mutmaßlichen al-Qaida- und Taliban-Kämpfern herauszuholen. Offenbar ging der Mann dabei nicht zimperlich vor. Menschrechtsorganisationen sprechen davon, dass die Verhörtechniken und die Haftbedingungen verschärft worden seien.
Für das vergangene Jahr, Miller war da bereits wieder abgelöst, spricht das US-Militär von 110 Selbstverletzungsfällen.
Insgesamt werden in Guantanamo mehr als 550 Gefangene festgehalten. Die meisten von ihnen seit mehr als drei Jahren. Die US-Armee verweigert ihnen den Kontakt zu Anwälten, weil sie die Männer nicht als Kriegsgefangene einstuft, sondern als illegale Kämpfer.
Die Bekanntgabe des Massenselbstmord-Vesuchs fällt zusammen mit dem Tag, an dem die letzten vier britischen Guantanamo-Häftlinge in ihre Heimat zurückkehren. Die Männer im Alter zwischen 24 und 37 Jahren hatten ohne Anklage drei Jahre in dem US-Gefängnis auf Kuba verbracht. Sie waren nach einem Bericht der britischen Zeitung "Independent" mehrfach vom britischen Geheimdienst MI 5 vernommen worden. Nach ihrer Landung am Nachmittag werden sie in die Hochsicherheits-Polizeiwache Paddington Green im Westen Londons gebracht. Dort werden dem Bericht zufolge ihre Fingerabdrücke genommen und sie erhalten erstmals Kontakt zu ihren Anwälten. Auch Besuch von ihren Familien sei ab morgen erlaubt.
Das britische Terrorismus-Gesetz erlaubt den Behörden die Verdächtigen 14 Tage lang ohne Anklage festzuhalten. Bis zum Ablauf dieser Frist muss für jeden einzelnen der vier geklärt werden, ob es zur Anklage oder zur Freilassung kommt.
Möglicherweise sind die Männer aber schon viel früher frei. Vorausgesetzt die Polizei schlägt denselben Kurs ein wie im März vergangenen Jahres, als fünf Briten aus Guantanamo nach Großbritannien gebracht wurden. Damals dauerte das Prozedere nur knapp 24 Stunden. Laut "Independent" haben die amerikanischen Behörden allerdings dieses Mal verlangt, dass jedes Sicherheitsrisiko, dass von den Männern ausgehen könnte, genau überprüft werden müsse.