Guantanamo-Gefängnis Gefesselt bei grellem Licht und dröhnender Rap-Musik

Wer in dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba nicht mit Verhörspezialisten kooperieren wollte, war offenbar schlimmen Repressionen ausgesetzt. In den USA werden jetzt schwere Vorwürfe erhoben. Die Zustände erinnern an die Folter in Abu Ghureib, doch das Pentagon schweigt dazu.

Berlin - Die "New York Times" schildert Guantanamo in ihrer Sonntagsausgabe nach umfangreichen Recherchen als einen Ort, wo mit Zuckerbrot und Peitsche geherrscht wird. Kooperationswillige Häftlinge - also solche, die Angaben machten und die Aussage nicht verweigerten - genießen im US-Knast auf Kuba offenbar Privilegien. Sie durften beispielsweise einen Raum betreten, der von der Wärtern "the love shack" genannt wurde und dort Magazine lesen, Bücher ausleihen und sogar fernsehen. Ein Videogerät und einige nicht jugendfreie Filme standen zur Verfügung, außerdem Tabak und eine Wasserpfeife.

Doch diese clubähnliche Atmosphäre, die auch Journalisten gerne präsentiert wurde, galt nicht für diejenigen, die eine Zusammenarbeit verweigerten oder sich ihr zumindest widersetzten. Auf der Grundlage von Zeugenaussagen - die NYT befragte ehemalige Häftlinge, Wachsoldaten und Mitarbeiter von Geheimdiensten - wurde nun ein höllisches Bild des Gefängnisses gezeichnet, auf dem angeblich in Afghanistan festgenommene al-Qaida-Kämpfer eingesperrt worden sind.

Viele Gefangene wurden danach bis auf die Unterwäsche ausgezogen, ihre Hände und Füße an einen Stuhl gefesselt. Bis zu 14 Stunden lang mussten die Männer in grellem Licht bei dröhnender Rock- und Rap-Musik ausharren. Um ihre Widerstandskraft zu brechen, wurden die Klimaanlagen voll aufgedreht, die Gefangenen mussten eisige Kälte aushalten, denn die Wachmänner drehten die Klimaanlagen bei solchen "Verhören" voll auf.

Damit sind erstmals Details aus der Häftlingspraxis von Guantanamo dokumentiert worden. Menschenrechtsorganisationen hatten freilich seit langem auf die skandalöse rechtlose Situation der Gefangenen hingewiesen und Verbesserungen verlangt. Die geschilderten Missbrauchsfälle waren keine Einzelerscheinungen sondern ganz offensichtlich Teil einer Strategie. Das Pentagon wollte zu dem Bericht keine Stellung beziehen.

Die Interviewten bestanden aus Angst vor Repressalien auf Anonymität. Ein Geheimdienstoffizier sagte der NYT, die harten Verhörmethoden seien vor allem bei einer Häftlingsgruppe angewandt worden, die man die "Dirty 30", die "dreckigen Dreißig", genannt habe. Sie standen in dem Verdacht, über detaillierte Terror-Insiderinformationen zu verfügen, waren aber nicht bereit, sie ohne weiteres preiszugeben. Die Exzesse häuften sich vor allem Anfang dieses Jahres, kurz vor dem Irakkrieg.

Im August hatte Donald Rumsfeld in einem Pentagon-Bericht noch behauptet, solche "Techniken" seien "kaum" angewandt worden. Der Bericht der NYT beweist das Gegenteil, die aggressiven Verhörmethoden waren anscheinend bei bestimmten Gefangenen absolut üblich. Damit haben die Wachleute gegen ihre eigenen Vorschriften verstoßen, in denen Übergriffe dieser Art eindeutig untersagt sind.

Auch außerhalb von Verhörsituationen ist es offenbar zu höhnischen, zum Teil grausamen Aktionen der Wachleute gekommen. So sei in kleine Ölflaschen, die einige Gefangene offenbar aus rituellen Gründen bei sich trugen, chemischer Reiniger gemengt worden.

Auf Kuba in Guantanamo werden seit dem Januar 2002 mutmaßliche Taliban und al-Qaida- Kämpfer festgehalten. Die Genfer Konvention wird zwar nicht den Taliban, aber den Qaida-Kämpfern verweigert. Alle Häftlinge werden nicht als Kriegsgefangene, sondern "feindliche Kämpfer" behandelt, ein Sonderstatus, den sich die Bush-Administration ausgedacht hat. Sie werden seit fast zwei Jahren ohne Anklage und den Zugang zu Anwälten festgehalten.

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