Haiti Aristide will Frankreich verklagen

In Haiti formiert sich eine neue Regierung. Trotzdem gibt Ex-Präsident Aristide keine Ruhe. Sein Vorwurf an Frankreich und die USA: Er sei gewaltsam entmachtet und entführt worden. Rückhalt bekommt er jetzt von der Afrikanischen Union und anderen Karibikstaaten.

Bangui/Port-au-Prince - Haitis Ex-Präsident Jean-Bertrand Aristide beschuldigt jetzt auch Frankreich, an seiner angeblichen Entführung mitgewirkt zu haben. "Die Regierung Bush wollte Aristide aus Haiti entfernen, und Frankreich hat im Verstoß gegen internationales Recht dabei geholfen", sagte sein französischer Anwalt, Gilbert Collard, heute im französischen Rundfunk. Aristide will gegen den französischen Botschafter in Haiti Klage erheben, "der die Entführung eingefädelt hat".

Aristide, der Haiti vor zehn Tagen verlassen hat und sich jetzt in der Zentralafrikanischen Republik aufhält, sieht sich nach wie vor als rechtmäßiger, weil gewählter Präsident Haitis. Dagegen steht Frankreich auf dem Standpunkt, dass sein Rücktritt verfassungsmäßig erfolgte.

Gestern machte ein weiterer Anwalt Aristides in Miami US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, US-Außenminister Colin Powell und weitere Beamte der Bush-Regierung für den Sturz Aristides verantwortlich. Anwalt Ira Kurzban forderte Generalstaatsanwalt John Ashcroft auf, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten.

Unterstützung erhielt Aristide jetzt auch von der Afrikanischen Union (AU) und der Gemeinschaft der Karibikstaaten. Die 53 Staaten umfassende AU erklärte gestern an ihrem Hauptsitz Addis Abeba, die Entfernung Aristides aus seinem Amt sei verfassungswidrig. Dabei gehe es nicht um Personen, sondern um die Grundsätze der Demokratie, sagte AU-Vorsitzender Alpha Oumar Konare. Aristide war in Haitis ersten freien Wahlen, die allerdings unter extrem geringer Beteiligung und Manipulationsvorwürfen stattfanden, zum Präsidenten gewählt worden.

Außerdem forderte die aus 15 Staaten bestehende Karibische Gemeinschaft eine internationale Untersuchung der Entführungsvorwürfe.

Latortue neuer Premier

Unterdessen hat in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince ein siebenköpfiger "Rat der Weisen" einen neuen Premierminister bestimmt. Gerard Latortue löst zehn Tage, nachdem Aristide das Land verlassen hat, Yvon Neptune ab, der noch von Aristide ernannt worden war. Der 69-jährige Latortue hat unter anderem die Aufgabe, eine neue Übergangsregierung zu bilden, deren wichtigstes Ziel die Vorbereitung von Wahlen ist.

Latortue war 1988 Außenminister Haitis unter dem damaligen Präsidenten Leslie Manigat. Auch Manigat wurde entmachtet, in einem der 32 Militärputsche seit Haitis Unabhängigkeit vor 200 Jahren. Für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) arbeitete Latortue als hochrangiger Diplomat in den westafrikanischen Staaten Togo und Elfenbeinküste. Latortue, der aus der Hafenstadt Gonaives im Nordwesten Haitis stammt und bis zu seiner Berufung im Exil in Florida lebte, gilt als Wirtschaftsfachmann mit internationalen Verbindungen.

In einem Interview mit der US-amerikanischen Zeitung "South Florida Sun Sentinel" sagte er, seine Prioritäten hießen Sicherheit, Recht, Arbeit und Versöhnung. "Ich bin glücklich, dass mir die Chance gegeben wird, am Wiederaufbau Haitis mitzuwirken. Und ich hoffe, dass es mir gelingt, Haitianer aus allen Parteien und sozialen Gruppen zu vereinen, und die Leute stolz darauf zu machen, dass sie aus Haiti kommen."

Einige Mitglieder der Armee zeigten sich jedoch enttäuscht über die Wahl Latortues. Der ehemalige Oberst Himler Rebu sagte, der "Rat der Weisen" habe einen taktischen Fehler begangen, sich nicht für Herard Abraham zu entscheiden, den ehemaligen Oberbefehlshaber der haitianischen Armee. Die unmittelbare Priorität müsse sein, bewaffnete Unruhen zu vermeiden, und dafür sei Abraham der bessere Mann. Rebu, der selbst in den späten achtziger Jahren einen Putsch anführte, sagte weiter, Latortue müsse nun eine starke Persönlichkeit finden, die das Amt des Verteidigungs- und Innenministers ausfüllen könne.

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