Haiti nach Aristides Abgang "Als ob ein Hurrikan durch die Stadt gefegt wäre"
Port-au-Prince/New York - Auftrag der Friedenstruppe ist laut Resolution die Wiederherstellung von Stabilität und Ordnung in dem von Unruhen erschütterten Karibikstaat. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums landeten die ersten US-Marineinfanteristen in Port-au-Prince; Soldaten und Polizisten aus Frankreich, Kanada und mehreren Karibikstaaten sollen in den nächsten Tagen folgen. Eine kanadische Vorhut war bereits vor den Amerikanern eingetroffen.
In Port-au-Prince bot sich gestern ein Bild der Verwüstung. Die gefürchteten "Chimères", Aristides Schlägertrupps, hatten gestern wahllos um sich geschossen, Häuser ausgeraubt, Banken aufgebrochen, mindestens zwei Tankstellen angezündet und Hunderte kleine Geschäfte geplündert und damit die Existenzen der Händler vernichtet. Erst gegen Nachmittag sammelte sich die Polizei, um gegen die Plünderer einzuschreiten. Bis zum Abend war völlig unklar, wie viele Menschen durch den Terror der "Chimères" und den Polizeieinsatz gestern ums Leben kamen.
"Es sieht aus, als ob ein Hurrikan durch die Stadt gefegt wäre", sagte eine Bewohnerin des Vorortes Petion-Ville. Die Zerstörungen vom Sonntag seien schlimmer gewesen als während aller Unruhen der vergangenen Tage und Wochen zusammen. Auch Universitätsgebäude wurden geplündert. Die "Chimères" verwüsteten außerdem den privaten Kabelsender Télé Haiti sowie den Radiosender Vision 2000, und sie bedrohten ausländische Journalisten.
Uno-Generalsekretär Kofi Annan wertete die Entscheidung des Sicherheitsrats als Botschaft an das haitianische Volk, "dass die internationale Gemeinschaft es nicht vergessen hat. Wir verstehen seine Not und wir stehen ihm in der Stunde der Not bei", sagte Annan, der die Abstimmung im Sicherheitsrat verfolgte. Ihm sei bewusst, dass manche Haitianer denken würden, die Hilfe komme etwas spät. "Aber es ist immer besser spät als nie, und wir werden alles tun, um ihnen zu helfen", versicherte er.
Der Resolutionsentwurf sah zunächst einen zweimonatigen Einsatz vor. Annan bezeichnete dies als unrealistisch und forderte einen drei bis vier Monate langen Einsatz. Danach solle für eine längere Phase eine Stabilisierungstruppe in dem verarmten Karibikstaat stationiert werden. Wegen Annans Intervention verzögerte sich die Abstimmung; nach weiteren Beratungen wurde dann ein dreimonatiger Einsatz für die Einsatztruppe vereinbart.
Der chinesische Ratspräsident Wang Guangya teilte mit, er habe einen Brief des haitianischen Interimspräsidenten Boniface Alexandre erhalten, in dem um die Entsendung einer internationalen Streitmacht gebeten werde. Noch am Donnerstag hatten es Paris und Washington abgelehnt, ohne eine politische Lösung Soldaten nach Haiti zu entsenden. Nach Rücktritt Aristides beantragten die USA und Frankreich die Dringlichkeitssitzung zur Entsendung einer Eingreiftruppe.
Unklar war unterdessen, wo Aristide Asyl beantragen will. Panama und Costa Rica erklärten sich bereit, ihm befristet Zuflucht zu gewähren. US-Außenminister Colin Powell soll die panamaische Präsidentin Mireya Moscoso darüber informiert haben, dass Aristide nach Afrika ins Exil gehen wolle.
Nach Informationen aus Oppositionskreisen hatten Diplomaten Aristide mit einer Anklage wegen Drogenhandels gedroht, falls er nicht freiwillig gehe. Ein Mitarbeiter des Kontrollturms des Flughafens berichtete, Aristide sei in Handschellen zum Flugzeug geführt worden. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht.
Aristide soll inzwischen in der Zentralafrikanischen Republik angekommen sein. Nach Angaben des staatlichen Rundfunks in Bangui landete die Maschine des geflohenen Präsidenten dort am Morgen. Die Zentralafrikanische Republik war eines der Länder, über die als mögliches Exil für Aristide spekuliert worden war. Der Sender meldete, Aristide sei mit seiner Frau und drei weiteren Begleitpersonen angekommen. Quellen für die Meldung wurden nicht genannt.