Einigung von Hamas und Fatah Die Palästinenser jubeln, Israel grollt

Hamas und Fatah wollen ihren Bruderkrieg nach zehn Jahren offiziell beenden. Beide Parteien versprechen den Palästinensern einen Neuanfang. Doch wichtige Streitfragen bleiben offen.
Palästinenser in Gaza-Stadt

Palästinenser in Gaza-Stadt

Foto: SUHAIB SALEM/ REUTERS

Am Ende von zehn Jahren Streit ging alles viel schneller als erwartet. Gerade einmal zwei Tage verhandelten Unterhändler der rivalisierenden palästinensischen Organisationen Hamas und Fatah in Kairo, dann stand die Einigung. Hamas und Fatah wollen ihren seit 2007 schwelenden Bruderkrieg endgültig beenden. Damals vertrieb die Hamas, die im Jahr zuvor die Parlamentswahlen in den palästinensischen Gebieten gewonnen hatte, die Fatah gewaltsam aus dem Gazastreifen. Seither gab es praktisch zwei nebeneinander regierende palästinensische Verwaltungen: Die Hamas in Gaza und die Fatah im Westjordanland.

Bei den Gesprächen im Hauptquartier des ägyptischen Geheimdienstes in Kairo verständigten sich beide Parteien auf eine weitgehende Machtteilung: Hamas-Mitglieder sollen in einer Einheitsregierung wichtige Ministerposten bekommen. Die Fatah verpflichtet sich zudem, die rund 30.000 von der Hamas-Regierung in Gaza eingestellten Bediensteten vorerst weiter zu beschäftigen und zu bezahlen.

Außerdem wollen beide Gruppierungen bis zum 1. Dezember gemeinsam eine neue Polizeitruppe im Gazastreifen einsetzen und ebenso gemeinsam die Grenzübergänge von und nach Gaza kontrollieren - möglicherweise zusammen mit der EU-Mission Eubam, deren Beamte von 2005 bis 2007 an den Übergängen die Arbeit der palästinensischen Behörden prüfte. Die Weigerung der Hamas, die Hoheit über diese Kontrollposten aufzugeben, ist bislang einer der Gründe für die Blockade des Gazastreifens durch Israel und Ägypten.

Politiker von Hamas und Fatah (am 2. Oktober im Gazastreifen)

Politiker von Hamas und Fatah (am 2. Oktober im Gazastreifen)

Foto: AFP PHOTO / HO / Ismail Haniyas office

Was passiert mit den Qassam-Brigaden?

Die Vereinbarung ist nach zehn Jahren der bislang aussichtsreichste Versuch, die Palästinenser wieder zu einen. Entsprechend euphorisch äußerte sich Hamas-Chef Ismail Hanija am Donnerstag: "Wir werden alles tun, um die Vereinbarung umzusetzen und das Kapitel der Spaltung zu beenden", sagte Hanija in Kairo.

Doch auch wenn beide Parteien ihre Einigkeit und ihren Willen zur Versöhnung zur Schau stellen: Wichtige Streitfragen bleiben erstmal weiter ungeklärt: Mahmud Abbas, Fatah-Mitbegründer und Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, hatte verlangt, dass die Qassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, ihre Waffen abgeben müssten. "Alles muss in den Händen der Palästinensischen Autonomiebehörde liegen", forderte Abbas. Doch die Islamisten lehnen das ab. Bislang hat die Hamas lediglich vage in Aussicht gestellt, die Fatah über den Einsatz ihrer Waffen mitbestimmen zu lassen.

Auch die generelle politische Strategie der palästinensischen Führung gegenüber Israel ist längst noch nicht geklärt. Seit rund 30 Jahren verfolgen beide Parteien komplett gegensätzliche Ansätze, dem Ziel eines unabhängigen, souveränen palästinensischen Staates sind sie damit jedoch nicht näher gekommen:

  • Die Fatah setzt auf Verhandlungen mit Israel, verpflichtet sich zur Zweistaatenlösung, hat dafür auch breite internationale Unterstützung - ein eigener Staat für die Palästinenser ist dennoch nicht in Sicht.
  • Die Hamas setzt auf den bewaffneten Kampf gegen Israel. Das Ergebnis waren drei Kriege gegen Israel seit 2008 und eine Blockade des Gazastreifens, unter der rund zwei Millionen Zivilisten leiden.

Gemein ist beiden Gruppen, dass sie derzeit noch nicht einmal demokratisch legitimiert sind. Die letzte reguläre Präsidentenwahl, bei der Fatah-Kandidat Abbas gewann, fand 2005 statt. Die letzte Parlamentswahl, bei der die Hamas siegte, gab es 2006. Einen Termin für Neuwahlen gibt es noch nicht.

Das sogenannte Nahost-Quartett, bestehend aus Uno, EU, USA und Russland, das im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern vermittelt, hat drei Anforderungen an die palästinensische Regierung gestellt: Anerkennung des Existenzrechts Israels, Gewaltverzicht, Anerkennung bestehender Verträge zwischen Israel und der Autonomiebehörde.

Die Hamas hat bislang nicht erkennen lassen, dass sie dazu bereit ist. Zwar heißt es im überarbeiteten Parteiprogramm vom Mai dieses Jahres, dass man gewillt sei, einen unabhängigen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 - also in Gaza, im Westjordanland und in Ost-Jerusalem - als Provisorium zu akzeptieren. Gleichzeitig bekräftigt die Partei ihre Entschlossenheit zum bewaffneten Kampf gegen Israel.

Wie gehen USA und EU mit der Hamas künftig um?

Solange sich an dieser Haltung nichts ändert, werden die USA und auch die europäischen Staaten kaum einen Schritt auf eine palästinensische Regierung zu machen, an der die Hamas beteiligt ist. Als Anfang 2007 Hamas und Fatah eine gemeinsame Regierung gebildet hatten, war nur Norwegen bereit, diese anzuerkennen. Die anderen europäischen Staaten, einschließlich der Bundesrepublik, boykottierten die Regierung unter Führung der Hamas, die von Israel, den USA und der EU als Terrororganisation gelistet wird. Ob sich dieses Szenario nun unter ähnlichen Vorzeichen wiederholen wird, bleibt abzuwarten.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte schon vor Bekanntgabe der Einigung angekündigt, dass er mit einer möglichen palästinensischen Einheitsregierung nicht kooperieren werde. "Wir akzeptieren keine Versöhnung der Palästinenser auf unsere Kosten", sagte Netanyahu.

Die Aussöhnung zwischen den Palästinensern ist an diesem Donnerstag nähergerückt. Die Einigung zwischen Palästinensern und Israelis bleibt in weiter Ferne.

Anmerkung: In einer früheren Version des Textes wurde der Eindruck erweckt, Norwegen sei Teil der EU. Wir haben die missverständliche Textstelle geändert.

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