Handel mit Kleinwaffen Deutschlands unrühmliche Spitzenposition

Deutschland nimmt beim Milliardengeschäft des legalen Handels mit Kleinwaffen eine Spitzenposition ein. Laut einem neuen Bericht zählt die Bundesrepublik nach Russland, den USA und Italien zu den Hauptexporteuren von Pistolen, Gewehren und anderen kleineren Waffen.

New York - Laut einem Bericht des Graduate Institute of International Studies sind auch Brasilien und China führende Länder auf der Liste der Ausfuhrländer. Auf der Basis der vorliegenden Daten aus dem Jahr 2003 führen bei den Importen die USA, Zypern und Deutschland die Liste an. Allerdings sei selbst der legale Handel mit Kleinwaffen schwer zu erfassen, schränkten die Verfasser des Berichts ein, die ihn am Rande der Uno-Kleinwaffen-Konferenz in New York vorlegten. Viele Staaten lieferten keine verlässlichen Informationen.

Schätzungen zufolge hat der globale Handel mit kleinen Waffen ein Volumen im Wert von vier Milliarden Dollar (3,2 Milliarden Euro). Etwa ein Viertel davon entfällt auf illegale Geschäfte. 60 bis 90 Prozent aller gewaltsamen Todesfälle bei Konflikten geht den Studien zufolge auf den Einsatz von Kleinwaffen zurück.

Waffengegner forderten auf der Uno-Konferenz schärfere Maßnahmen gegen die unerlaubte Verbreitung gefährlicher Kleinwaffen. Die "Kampagne zur Waffenkontrolle" legte Uno-Generalsekretär Kofi Annan eine von einer Million Menschen unterzeichnete Petition für ein internationales Abkommen zur Kontrolle des Handels mit Kleinwaffen vor. Damit soll die Verbreitung etwa von Kalaschnikow-Sturmgewehren besser kontrolliert werden.

Kalaschnikow äußert Bestürzung

Annan mahnte gestern zu Beginn des zweiwöchigen Treffens die 191 Uno-Mitgliedstaaten, ihre nationalen Gesetze zum Waffenhandel zu verbessern. Die Länder sollten sicherstellen, dass Waffen aus legalen Beständen nicht auf den Schwarzmarkt gelangten. Zudem verlangte der Uno-Generalsekretär, dass der Kauf beim letzten Empfänger einer legal erworbenen Waffe beurkundet werden müsse. "Unser Ziel bleiben skrupellose Waffenhändler, korrupte Beamte, Drogensyndikate, Kriminelle und andere, die Tod und Chaos in unsere Städte bringen", sagte er.

Die vorgelegte Petition will den Verkauf von Waffen unterbinden, die zu Massenmord oder der Verletzung von Menschenrechten oder eines Uno-Waffenembargos eingesetzt werden könnten. Einem Abkommen zur Kontrolle des Kleinwaffen-Handels müsste die Uno-Vollversammlung zustimmen, die im September zu ihrer nächsten Jahressitzung zusammenkommt. Zahlreiche Staaten haben sich für einen Vertrag ausgesprochen. Die USA lehnen dies als unnötig ab.

SPD-Chef Kurt Beck hatte sich gestern auf einer Abrüstungskonferenz seiner Partei für eine verstärkte Kontrolle von Kleinwaffen ausgesprochen. Die Bundesregierung solle dies auf ihre Agenda setzen, wenn sie 2007 die EU-Ratspräsidentschaft und den G8-Vorsitz übernehme, so Beck.

Unterstützung erhielten die Befürworter von Handelsbeschränkungen auch von Michail Kalaschnikow, dem Erfinder der nach ihm benannten russischen Waffe. In einer Erklärung für die Konferenz äußerte er seine Bestürzung darüber, dass gerade seine Gewehre überall auf der Welt so viel Unheil anrichteten.

Weil sie so einfach zu beschaffen sind, werden Kalaschnikow-Schnellfeuergewehre noch in den nächsten 20 Jahren das "beliebteste Mordwerkzeug" weltweit bleiben, behaupten Amnesty International, Oxfam und das Internationale Aktionswerk zu Kleinwaffen (IANSA) in einer Studie. Nach ihren Schätzungen sind weltweit zwischen 50 und 100 Millionen Kalaschnikow-Gewehre oder Nachbauten im Umlauf.

Nicht nur fast die Hälfte aller Streitkräfte weltweit haben laut der Studie AK-Schnellfeuergewehre in ihrem Arsenal; wegen ihrer einfachen Handhabung und ihrer Robustheit seien sie auch das bevorzugte Kampfmittel von Rebellen, Milizen und bewaffneten Banden. Die massenhafte Verbreitung habe dazu geführt, dass AK-47 in "solch unterschiedlichen Ländern wie Afghanistan, Großbritannien, der Demokratischen Republik Kongo, Irak, Mexiko, Sierra Leone, den USA, Venezuela und Jemen" eingesetzt würden. "Massaker, Verstümmelungen, Vergewaltigungen und Misshandlungen sind die Folge", heißt es in der Studie weiter.

Vor allem in den Entwicklungsländern sei das AK-47 zum "Inbegriff für Zerstörung, Terror und Menschenrechtsverletzungen aller Art geworden". In den Händen marodierender Banden und Kindersoldaten werde das Sturmgewehr schnell zu einem unberechenbaren und wahllosen "Mordwerkzeug". In Konfliktgebieten in Afrika sei eine gebrauchte Kalaschnikow bereits ab 30 Dollar zu bekommen.

Das halbautomatische Schnellfeuergewehr AK-47 wurde während des Zweiten Weltkriegs für die sowjetischen Streitkräfte entwickelt. Zur Serienreife gelangte es aber erst 1947.

lan/AP/Reuters/AFP

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