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Griechenland-Krise: Harte Worte und heftige Proteste

Foto: YIORGOS KARAHALIS/ REUTERS

Harte Sparauflagen Griechischer Rechtspopulist wirft Merkel Herrschsucht vor

Der Ton zwischen griechischen Politikern und den EU-Partnern wird schriller. "Europa leidet unter Deutschland", giftet Rechtspopulist Karatzaferis. Mehrere Minister seiner Partei traten wegen der harten Sparauflagen zurück. Euro-Gruppen-Chef Juncker droht mit einem Stopp der Geldhilfe.

Athen - Viele Griechen fühlen sich von den Sparauflagen der EU überfordert, jetzt hat der führende Rechtspopulist des Landes zum verbalen Rundumschlag ausgeholt. Vor allem über Bundeskanzlerin Angela Merkel zieht der Politiker her, dessen Partei an der Regierung in Athen beteiligt ist: "Die Europäische Union leidet unter Deutschland", sagte Giorgos Karatzaferis, der Chef der rechten Laos-Partei. Merkel wolle "mit dicker Brieftasche den Südeuropäern ihren Willen aufzwingen".

Die Schaltzentrale Europas sei nicht in Brüssel, sondern im Berliner Kanzleramt, schimpfte Karatzaferis. Die Niederlande, Österreich, Finnland und Luxemburg bezeichnete er als "Satellitenstaaten" Deutschlands, mit denen sich Merkel eng abstimme.

Dabei habe die Kanzlerin in Wirklichkeit weniger Macht, als ihr zugeschrieben werde. "Frau Merkel hat nur ein paar Luschen auf der Hand und gibt vor, vier Asse zu haben", sagte Karatzaferis. Schließlich könnten die anderen EU-Länder Griechenland nicht pleitegehen lassen. Wenn sein Heimatland falle, werde es letztlich den Rest Europas mit in den Abgrund ziehen, sagte Karatzaferis.

Er hatte zuvor seine Zustimmung zum Sparplan der griechischen Regierung verweigert. Damit droht dem Land nun womöglich wirklich die Pleite, denn ohne verbindliche Sparzusage aller in der Regierung vertretenen Parteien wollen Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäische Union (EU) ihr Rettungspaket über 130 Milliarden Euro nicht freigeben.

Noch am Donnerstag hatte die griechische Regierung eine Einigung auf weitere Einschnitte verkündet, um im Gegenzug internationale Finanzhilfen zu erhalten. Im Nachhinein jedoch stellte Karatzaferis klar, dass seine Partei die Einigung nicht mittragen werde.

Mehrere Minister treten zurück

Durch den Widerstand von Mitgliedern der Laos-Partei könnte nun die parteiübergreifende griechische Regierung zerfallen. Am Freitagnachmittag gab es mehrere Rücktritte in dem 50-köpfigen Gremium. Transportminister Makis Voridis und der für Handelsschifffahrt zuständige Vizeminister Adonis Georgiadis traten zurück, berichtete der staatliche Rundfunk. Auch der Vizeminister für Landwirtschaft, Asterios Rontoulis, legte sein Amt nieder. Alle drei Politiker gehören der rechten Laos-Partei an. Andere Minister kündigten an, die Sparmaßnahmen mitzutragen, offenbar gibt es einen Machtkampf innerhalb der Parteil. Mariliza Xenogiannakopoulou von der sozialistischen Partei scheidet ebenfalls aus der Regierung aus.

Durch die Rücktritte wird eine Regierungsumbildung unter dem parteilosen Ministerpräsidenten Loukas Papademos wahrscheinlich. Die Regierung könnte dann nach Meinung von Beobachtern nur noch aus Experten bestehen und somit freier agieren. Im Parlament hätte die Regierung auch ohne die Laos-Partei von Karatzaferis eine Mehrheit.

Papademos sagte mit Blick auf die Rücktritte der Minister, es sei klar, dass nicht alle Regierungsmitglieder die Last tragen könnten, die das Sparprogramm mit sich bringe. Ihm sei bewusst, dass die Einschnitte "harte Opfer seitens der Bevölkerung" bedeuteten und fügte hinzu: "Was wir nicht erlauben dürfen ist dass das Land Bankrott geht."

Für den Fall, dass die harten Sparmaßnahmen umgesetzt werden, hat Papademos ein baldiges Ende der Rezession versprochen: 2013 werde dann der Aufschwung kommen, sagte er am Freitag auf der Krisensitzung des Kabinetts.

Unterdessen erhöhen die EU-Partner den Druck auf die griechischen Parteien, den Sparkurs für das Land mitzutragen. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker sagte, die bisherigen Zusagen reichten nicht aus, um die nächsten Hilfsgelder an das Land freizugeben. Am Sonntag müsse das griechische Parlament das Sparprogramm beschließen, die Parteichefs müssten zudem ihre Zusage schriftlich vorlegen, und es fehlten noch konkrete Maßnahmen zur Einsparung von 325 Millionen Euro im laufenden Jahr. "Keine Auszahlung ohne Umsetzung", sagte Juncker. Sollte Griechenland die Forderungen erfüllen, wollen die Euro-Finanzminister am Mittwoch zusammenkommen, um den Weg für das Hilfspaket freizumachen.

Am Freitagabend hieß es in Berichten des staatlichen Fernsehens, dass sich die ursprünglich für Sonntag geplante Abstimmung des griechischen Parlaments über das Sparpaket verzögern könnte. Wahrscheinlich würden die Abgeordneten erst am Montag darüber abstimmen.

"Wir können nicht Milliarden in ein Fass ohne Boden gießen"

Finanzminister Wolfgang Schäuble verteidigte die Sparforderungen. "Das ist nichts Unzumutbares", sagte er in der Nachrichtensendung "RTL Aktuell". Auch Länder wie Irland und Portugal hätten im Gegenzug für Hilfen Bedingungen erfüllen müssen. "Es geht ja nicht darum, das griechische Volk zu quälen durch Sparmaßnahmen", sagte Schäuble. Es müssten Voraussetzungen geschaffen werden, dass Griechenland eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung nehme und irgendwann seine Schulden wieder bedienen könne. "Wir können nicht Milliarden in ein Fass ohne Boden gießen", sagt Schäuble.

In Athen gingen Tausende Menschen auf die Straße und protestierten gegen die Sparmaßnahmen. Diese sehen unter anderem die Streichung Tausender Stellen im Öffentlichen Dienst vor. Die Gewerkschaften riefen unter der Losung "Leistet Widerstand!" einen zweitägigen Generalstreik aus. Dutzende Demonstranten warfen am Freitag im Zentrum Athens Molotow-Cocktails und Steine auf Polizisten. Diese reagierten mit dem Einsatz von Tränengas, wie das griechische Fernsehen berichtete.

Das Chaos in Griechenland schlug sich auch an den Börsen und Devisenmärkten nieder. Der Euro   fiel unter die Marke von 1,32 Dollar. Der Dax   schloss mit 1,41 Prozent im Minus. Sorgen über eine Pleite Griechenlands drückten auch die Wall Street ins Minus. Der Dow-Jones-Index   gab zum Handelsauftakt 0,8 Prozent nach.

mmq/dpa/Reuters
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