Österreichs Interimskanzler Löger Kürzer als Kurz

Nach der Amtsenthebung von Sebastian Kurz: Hartwig Löger ist neuer Interimskanzler in Österreich.
Foto: Leonhard Foeger/ REUTERSÖsterreich ist an politischen Kuriositäten wahrlich nicht arm.
Man denke an die Bundespräsidentenwahl 2016, bei der sich überraschend die Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ und der Grünen durchsetzten, die Stichwahl denkbar knapp ausging, dann vom Verlierer FPÖ aus formellen Gründen angefochten wurde, wiederholt werden musste, dann klebten die Wahlumschläge nicht richtig und die Wiederholung musste verschoben werden. Der Wahlkampf dauerte etwa ein Jahr, am Ende gewann der Grüne Alexander Van der Bellen.
Oder an den früheren österreichischen Bahnchef Christian Kern, der im Mai 2016 plötzlich Bundeskanzler und SPÖ-Chef wurde und nach nur eineinhalb Jahren bei der Wahl Sebastian Kurz von der bürgerlich-konservativen ÖVP unterlag. Kern, einstiger Hoffnungsträger, trat beleidigt von der politischen Bühne ab.
Nun also die nächste, neueste Kuriosität: Österreich wird im Jahr 2019 voraussichtlich vier Bundeskanzler erleben. Bis zum heutigen Dienstag, 11.30 Uhr, hieß der Regierungschef Sebastian Kurz. Der ist am Montag über ein Misstrauensvotum gestürzt. Heute Mittag übernahm der bisherige Finanzminister Hartwig Löger, der auf ÖVP-Ticket in die Politik kam, offiziell aber kein Parteimitglied ist, die Regierungsgeschäfte . Er soll solange im Amt bleiben, bis Präsident Van der Bellen den eigentlichen Übergangskanzler oder die eigentliche Übergangskanzlerin benannt hat. Es kursieren diverse Namen.
Idealer Mann für den Übergang
Van der Bellen will nach eigenen Angaben noch diese Woche jemanden bestimmen. Der oder die Auserwählte wiederum soll die Regierung verwalten, bis nach den vorgezogenen Neuwahlen im September ein neuer Bundeskanzler gewählt worden ist - und da möchte Kurz erneut als Spitzenkandidat der ÖVP antreten. Er besitzt gute Chancen, es wieder ins Bundeskanzleramt am Wiener Ballhausplatz zu schaffen.
Doch erst einmal übernimmt Löger. Dieser gilt, wie es in Wien aus allen politischen Richtungen heißt, als idealer Mann, den ersten Teil des Übergangs zu verwalten. Bereits vergangene Woche war er, der Finanzminister, als Vizekanzler eingesprungen, nachdem der bisherige Amtsinhaber von der FPÖ, Heinz-Christian Strache, in Folge der Ibiza-Affäre zurückgetreten war.
Im kleinen Kreis soll sich Löger selbst überrascht ob seines plötzlichen Aufstiegs geäußert haben. Zu verdanken hat er ihn Kurz, immerhin ist er dessen Wunschkandidat. Auch gehaltsmäßig macht Löger Sprünge: Als Minister bekam er 17.774,20 Euro im Monat, als Vizekanzler 19.551,60 und als Kanzler nun 22.217,80 Euro - zumindest für die Zeit, in der er das Amt innehat.
Löger, meist im grauen Anzug, wird als unauffällig, uneitel und kompetent beschrieben. Manche finden ihn "trocken", er habe aber "durchaus Humor". Obwohl er vor seinem Amtsantritt als Minister im Dezember 2017 Chef der Versicherung Uniqa Österreich war, eines der größten Versicherungsunternehmen des Landes, gab es bis dahin keinen Wikipedia-Eintrag über ihn.
Geboren wurde Löger 1965 als Sohn eines Eisenbahners in Selzthal in der Steiermark. Er absolvierte eine Ausbildung beim österreichischen Bundesheer, wollte Pilot beim Militär werden - bis eine Knieverletzung dazwischenkam. Stattdessen studierte Löger Wirtschaft in Wien und in St. Gallen. Er durchlief ein Training bei der Allianz-Versicherung, wo er später auch arbeitete. Löger ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Gablitz, im niederösterreichischen Wienerwald.
Im Video: Regierungskrise in Wien - Kanzler Kurz verliert Misstrauensvotum
Kritiker bemängeln, dass mit Löger der Einfluss von Unternehmen auf die Regierungspolitik gewachsen sei und eine Steuerpolitik zugunsten der Wirtschaft betrieben wurde. Unterstützer hingegen loben den politischen Quereinsteiger als "fachlich kompetent" und "den richtigen Mann als Finanzminister". Seine bisherigen Arbeitsschwerpunkte waren die Steuerreform, die 2020 in Kraft treten sollte, sowie ein Nulldefizit im österreichischen Haushalt. Tatsächlich schaffte Österreich 2018 den ersten Haushaltsüberschuss seit Jahrzehnten.
Lögers erste Aufgabe als interimistischer Regierungschef wird die Teilnahme am informellen Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel am heutigen Dienstag sein. Erfahrung hat Löger auch da: Österreich hatte im zweiten Halbjahr 2018 den EU-Ratsvorsitz inne.
Die EU-Agenda kennt Löger aus dieser Zeit also genau.