
Verhüllte Statuen in Rom für Rohani Kulant bis zur Unkenntlichkeit


Verhüllte Nacktstatuen: Auch europäische Kultur hat einen Wesenskern, der zu respektieren ist
Foto: Giuseppe Lami/ dpaStellen Sie sich einmal vor, Sie seien dafür verantwortlich, das Treffen zwischen Ihrem Staatsoberhaupt und dem indischen Präsidenten Pranab Mukherjee zu organisieren. Werden Sie ihm am Abend Rosmarinkartoffeln, Pastinaken und bestes Steak vom Angusrind servieren? Schön medium angebraten?
Natürlich nicht. Nicht nur in der Diplomatie, schon im alltäglichen Miteinander machen wir ganz selbstverständlich Konzessionen an kulturelle Empfindlichkeiten. Wir drängen unseren vegetarischen Gästen kein Fleisch auf und Hindus keine Rinder. Und wenn Angela Merkel mit der britischen Queen durch London flanierte, dürfte sie erwarten, keine Hass-Graffiti, anzüglichen Poster oder andere Unschönheiten zu sehen.
Das alles ist ein Gebot der Höflichkeit an den Gast. Gerade wenn zwei Kulturen auf teils voneinander abweichenden Wertekanons gründen, ermöglicht solche Rücksichtnahme erst, miteinander ins Gespräch zu kommen. Doch wie weit muss und wie weit sollte man dabei gehen? Kulanz ist eine Übung in Flexibilität, die von beiden Seiten erwartet wird.
Im Vorfeld des Besuches des iranischen Präsidenten Hassan Rohani kamen die für das Protokoll Verantwortlichen in Rom auf eine schräge Idee: Sie ließen klassische römische Statuen, die dort teils seit über 2000 Jahren notorisch nackt in der Gegend herumstehen, mit Blenden aus Holz verkleiden. Auf dass dem muslimischen Besucher der Anblick antiker Genitale erspart bleibe.
Das ist etwas anderes, als auf ein bestimmtes Fleisch zu verzichten, eine Kopfbedeckung zu tragen, die man sonst nicht trägt oder an Ritualen teilzunehmen, die nicht zum eigenen kulturellen Repertoire gehören. Es geht darüber hinaus.
Auch als Gast wissen wir, dass wir bestimmte Empfindlichkeiten nicht verletzen dürfen. Und als Gastgeber wird von uns erwartet, unserem Gast nichts zuzumuten, was ihn verletzen oder beleidigen könnte. Ein kultivierter Gastgeber tut dies, indem er auf manche Dinge verzichtet und das, was er dem Gast bietet, an dessen Bedürfnisse anpasst.
Unangenehm unsouverän
Allerdings in Maßen. Dass ein Gastgeber dem Hindu Pranab Mukherjee kein Steak serviert, bedeutet keineswegs, dass dieser automatisch indisches Essen zu erwarten hätte. Kanzler Helmut Kohl ließ ganze Generationen von Staatsgästen deutschen Saumagen erleiden, ohne dass deshalb die diplomatischen Verbindungen abgebrochen worden wären. Dass Rom anlässlich des Rohani-Besuches die eigene Kultur versteckte, erscheint unangenehm unsouverän. Rom ist für seine Statuen bekannt, nicht für seine Kisten.
Die römische Zensur des öffentlichen Raumes wirkt übereifrig im Bemühen um Milliardengeschäfte mit Iran. Dass die Italiener viel dafür tun, ist ihnen nicht vorzuwerfen. Aber schön wäre es, sie hätten dabei nicht selbst ihre Kultur nur darauf reduziert. Auch ein Gast muss es ertragen, wenn er mit Dingen konfrontiert wird, die anders sind als daheim. Auch europäische Kultur hat einen Wesenskern, der zu respektieren ist.
"Wenn du in Rom bist", lautet ein bekanntes Sprichwort, "verhalte dich, wie es die Römer tun." Es ist auch ein Leitsatz der Diplomatie, und er enthält einen Subtext für den Gast: Sollte da etwas sein, was dich stört, sieh einfach weg.