Hilfe für Oppositionsarmee Warum die Türkei sich gegen Syrien wendet

Türkischer Premier Erdogan: Unterstützung der Freien syrischen Armee
Foto: Riza Ozel/ dpaDie arabische Revolution wirkt längst über die Völker hinaus, die sich gegen ihre langjährigen Herrscher auflehnen. Im Sog der Aufstände werden die Machtverhältnisse in der gesamten Region neu tariert. Eine wichtige Rolle in dem neuen Gefüge spielt dabei die Türkei. Angefangen von den islamischen Wahlgewinnern in Tunesien über den libyschen Übergangsrat bis hin zu diversen islamischen Bewegungen in Ägypten beteuern alle, die türkische Regierungspartei AKP sei ihr großes Vorbild.
Premier Erdogan möchte aus dieser günstigen Lage politisches Kapital schlagen - und sein Land als Vorbild und Partner für die kommenden Regierungen in den Ländern des Arabischen Frühlings empfehlen. Halten kann er diese Position allerdings nur, wenn er auf Distanz zum syrischen Machthaber Assad geht und die langjährige enge Partnerschaft mit Syrien beendet.
Nach Informationen der "New York Times" beschränkt sich Ankara dabei nicht mehr allein auf Rhetorik und Symbolik. An der Grenze zu Syrien wird der politische Schwenk offenbar konkret: Die türkische Armee gewähre dort Mitgliedern der sogenannten Freien syrischen Armee Schutz und lasse sogar Operationen der oppositionellen Soldaten über die Grenze nach Syrien hinein zu.
Nach Informationen des Blattes hält sich eine Gruppe der Freien syrischen Armee von 60 bis 70 Mann unter dem Kommando von Oberst Riad al-Asaad in einem schwer bewachten Camp im Grenzgebiet zu Syrien auf. Unter der Aufsicht von Vertretern des türkischen Außenministeriums durfte die "New York Times" ein Interview mit Asaad führen.
Darin behauptet der Oberst, dass seine Gruppe in jüngster Zeit von der Türkei aus einen Angriff in Syrien durchgeführt habe, bei dem neun syrische regimetreue Soldaten getötet worden seien. Das türkische Außenministerium bestreitet allerdings, die Gruppe mit Waffen zu versorgen oder sie sonst wie militärisch zu unterstützen. Für die Türkei gehe es lediglich um humanitäre Hilfe.
Erdogans Ermunterung an die syrische Opposition
Das wird das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad sicher anders sehen. Für Damaskus sind die Soldaten der Freien syrischen Armee Deserteure, die mit allen Mitteln bekämpft werden müssen. Mit der Unterstützung für diese "Deserteure" hat die Türkei deshalb endgültig ihren Bruch mit dem Assad-Regime vollzogen.
Hatte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu noch vor gar nicht allzu langer Zeit betont, die Regierung würde alles dafür tun, mit Assad im Gespräch zu bleiben, um durch diplomatische Bemühungen Reformen in Syrien durchzusetzen, haben Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und sein Außenminister ihren einstigen engen Partner jetzt endgültig abgeschrieben.
Diese Neuorientierung hatte sich allerdings schon länger angedeutet. Zunächst beschränkte sich die Türkei auf verbale Kritik an dem brutalen Vorgehen der Assad-treuen Truppen gegen die demonstrierende Bevölkerung. Dann gab es Nachrichten, dass die türkische Armee und der Geheimdienst Waffentransporte von Iran nach Syrien gestoppt hätten.
Das bislang deutlichste Signal gab Ankara dann, als Premier Erdogan die syrische Opposition ermunterte, in Istanbul einen Nationalrat zu bilden, in dem die gesamte Opposition repräsentiert sein soll.
Retourkutsche an die Adresse Teherans
Der Konflikt hat eine weitere Dimension: Offenbar versucht Nachbar Iran, über die Kurden-Problematik Druck auf Ankara auszuüben. Als vor einigen Wochen die Meldung durch die türkische Presse geisterte, iranische Truppen hätten den amtierenden Chef der PKK-Rebellen, Murat Karayilan, gefangen genommen, bestand für einen Augenblick die Chance auf eine Annäherung. Karayilan ist nach dem inhaftierten PKK Chef Abdullah Öcalan der wichtigste Mann der kurdischen Guerilla, gegen die die Türkei seit fast 30 Jahren einen blutigen Krieg führt. Seine Auslieferung wäre ein großer politischer Erfolg gewesen.
Doch Iran soll verlangt haben, dass die Türkei wieder zu einer kooperativen Haltung Assad gegenüber zurückkehrt, was Erdogan offenbar abgelehnt hat, denn Karayilan wurde freigelassen und kehrte in das zentrale PKK Lager im Nordirak zurück.
Als die PKK dann Mitte des Monats einen Großangriff startete, bei dem 24 Soldaten getötet wurden, sprach Erdogan im Parlament anschließend davon, dass die PKK nur mit Unterstützung ausländischer Staaten in der Lage sei, solche Offensiven durchzuführen. Gemeint waren Iran und Syrien.
Die Unterstützung der Freien syrischen Armee erscheint deshalb wie eine Retourkutsche, nach dem Motto: wenn ihr die PKK unterstützt, unterstützen wir die bewaffnete Opposition in Syrien.
Der Vertreter der syrischen Opposition, Oberst Asaad, betonte in seinem Gespräch mit der "New York Times" dann auch prompt, wie wichtig es wäre, dass sie vom Ausland mit Waffen unterstützt würden. Mit 10.000 Bewaffneten, erklärte der Kommandeur der Freien syrischen Armee, könne er das Assad-Regime in wenigen Wochen stürzen.