US-Dynastien im Wahlkampf Das Bush-Syndrom

Aufsteiger Jeb Bush: "Ich habe die Frage missinterpretiert"
Foto: JAMES GLOVER/ REUTERSIrgendwann würde er das W-Problem bekommen, das war klar. Irgendwann würde auf Jeb Bush der lange Schatten seines Bruders George W. fallen. Der eigenen Familienstory kann man nicht entkommen. Schon gar nicht, wenn man zur Bush-Dynastie gehört.
In dieser Woche ist es Jeb passiert.
Natürlich ging es um den Irak, gegen den schon Vater George H.W. in den Krieg gezogen war, mit Uno-Mandat. Bruder George W. dagegen scherte sich nicht ums Völkerrecht, marschierte ein - und begründete das mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen im irakischen Arsenal. Diese allerdings wurden nie gefunden.
Am Montag nun wurde Jeb, der sich wohl bald um die Präsidentschaftskandidatur bewerben wird, von Fox News zum Irak-Krieg gefragt:
Hätte er auch gehandelt wie sein Bruder - im Rückblick, mit dem Wissen von heute, also dem Wissen um die falschen Geheimdienstinformationen?
Seine Antwort:
"Ja, hätte ich. So hätte es auch Hillary Clinton gemacht, falls das irgendjemand vergessen sollte."
Eine irritierende Aussage. Hatte Bush etwa den Mit-dem-Wissen-von-heute-Teil der Frage überhört? Am Dienstag versuchte er die Sache zurechtzubiegen:
"Ich habe die Frage falsch verstanden. Ich bezog mich nicht auf das, was wir heute wissen."
Also im Rückblick keine Invasion, oder? Bush ziert sich:
"Ich weiß nicht, was ich damals entschieden hätte, das ist eine hypothetische Frage."
Am Mittwoch erklären seine republikanischen Rivalen, einer nach dem anderen: Irak-Invasion? Hätten sie nie gemacht, natürlich nicht. Am Donnerstag muss Bush ein letztes Mal nachbessern:
"Ich hätte den Befehl nicht gegeben. Ich wäre nicht in den Irak einmarschiert."
Fazit: Vier Tage lang konnte man Jeb Bush dabei zuschauen, wie er mit dem Familienerbe ringt. Seit Monaten versucht der 62-Jährige seine Eigenständigkeit zu demonstrieren. Dass seine Story, so formulierte er es im April, "ein bisschen anders ist als die meines Bruders und die meines Vaters". Und nun das.

Brüder George W. und Jeb Bush (im September 2003): Schweres Erbe
Foto: JASON REED/ REUTERSEine Dynastie im Rücken - das kann Fluch oder Segen sein. Jeb Bush hat beide Varianten zugleich im engeren Familienkreis. Das Erbe des Bruders belastet, der Vater hingegen wird respektiert. Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton hat ihren Ehemann Bill - und steht selbst seit Jahrzehnten auf der Politbühne. Auch das schafft das besondere Clangefühl.
Clinton-Clan gegen Bush-Dynastie: Im Wahljahr 2016 könnte es zu einem Kampf für die Geschichtsbücher kommen. Zöge Hillary ins Weiße Haus ein, wäre sie die erste Frau (und natürlich die erste Ex-First-Lady), der das gelingt. Wenn zum dritten Mal ein Bush gewinnt, dann hätte der Präsidentenvater gleich zwei Präsidentensöhne. Auch das wäre eine Premiere.
Diese Aussichten gefallen nicht allen, es gibt Kritik. Clinton und Bush müssen in ihren Parteien dem Vorwurf der Quasi-Monarchie entgegentreten.

Präsidentschaftsbewerbung: Hillarys Aufstieg
Diese Kritik wird vorangetrieben von Rivalen wie Martin O'Malley. Der meint: "Ehrlich gesagt, die Präsidentschaft ist doch keine Krone, die zwischen zwei Familien hin- und hergereicht wird." O'Malley war Gouverneur von Maryland, jetzt liebäugelt er mit der Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Gegen die Clinton-Maschine hätte er wohl keine Chance, O'Malley wäre ein Zählkandidat, mehr nicht.
Die US-Wähler scheinen dagegen kaum grundsätzliche Probleme mit Dynastien zu haben. Zwar mögen Amerikaner das Neue, die Konkurrenz, den Wandel. Aber sie lieben ebenso die großen Familien: deren Geschichten, Kämpfe, Siege, Niederlagen. Heißt: Auf die Kombination kommt es an. Eine Krone darf es nicht geben, Dynastien und Clans aber schon.

Familie Clinton bei Hillarys Vereidigung als Außenministerin (2009): Die Mischung macht's
Foto: JONATHAN ERNST/ ReutersSo ist es kein Zufall, dass Hillarys Berater einerseits von einer "Neuerfindung" ihrer Kandidatin sprechen, während sie andererseits stolz auf die politische Familienbilanz verweisen. Und ebenso kein Zufall, dass Jeb das Bush-Erbe verteidigt - in dieser Woche ging das schief - und zugleich von Eigenständigkeit redet.
In wohl keiner anderen westlichen Demokratie gibt es derart viele Söhne, Ehefrauen, Neffen, Enkel in der Politik wie in den USA, einem Land, das sich gründete im Kampf gegen das britische Königreich. Aber schon John Quincy Adams, der Sohn des zweiten US-Präsidenten, brachte es ebenfalls zum Präsidenten. Je älter die Nation wurde, desto stärker wurde sie geprägt von mächtigen Familien - wirtschaftlich, kulturell, politisch. Da sind die Roosevelts, die Rockefellers, die Kennedys, die Romneys, die Clintons, die Bushs.

US-Polit-Dynastie: Die Bushs
Manchmal trat das Neue gegen das Alte an und wurde dann aufgesogen: Bill Clinton gab sich als Herausforderer von Amerikas Polit-Aristokratie, bevor er ein Teil von ihr wurde. Barack Obama trat 2008 einerseits als Außenseiter an, ließ sich aber andererseits von JFK-Tochter Caroline als "nächster Kennedy" feiern. Gegenwärtig inszeniert sich der junge Republikaner Marco Rubio, Sohn kubanischer Einwanderer, als Vertreter einer neuen Generation und Gegenbild der Bushs und Clintons.
Amerikas Polit-Dynastien haben sich auch deshalb als langlebig erwiesen, weil sie ein selbsterhaltendes Element in sich tragen, das in den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg immer wichtiger geworden ist: ihr Markenimage. Eine Marke generiert mehr Spendengeld und ein größeres Netzwerk. Und mehr Geld bedeutet bessere Chancen auf die Macht. Machterhalt bedeutet Markenerhalt.
"Wir hatten zwei Roosevelts, wir hatten zwei Adams", hat Hillary Clinton im Gespräch mit dem SPIEGEL gesagt. Es könne sein, "dass bestimmte Familien eine besondere Form der Verpflichtung oder sogar Vorprägung haben, in die Politik zu gehen".
Die Bushs erwähnte sie in diesem Zusammenhang übrigens nicht.