Kriegsverbrechen Menschenrechtler prangern Rolle der Türkei im syrischen Bürgerkrieg an

Syrische-türkische-Grenze: "Wir wollen nicht, dass Terror auf türkisches Territorium übergreift"
Foto: ? Stringer . / Reuters/ REUTERSIm August töteten Rebellen in der syrischen Provinz Latakia mindestens 190 Zivilisten. Sie brüsteten sich mit dem Blutbad, dokumentierten die Taten auf YouTube, Facebook und Twitter. Ziel ihrer Angriffe waren Alawiten, die Dschihadisten wollten damit ein Massaker an sunnitischen Familien rächen, für das sie den Diktator Baschar al-Assad verantwortlich machen. Die Dschihadisten sehen Alawiten pauschal als Unterstützer Assads.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat an diesem Freitag einen 89 Seiten starken Bericht veröffentlicht, in dem sie dieses Blutbad in Latakia anprangert. "Ihr könnt immer noch ihr Blut sehen", ist er überschrieben. Untertitel: "Exekutionen, außergesetzliche Tötungen und Geiselnahmen durch oppositionelle Kräfte in Latakia."
In dem Bericht wird auch Nachbarland Türkei scharf kritisiert für die Unterstützung von Aufständischen. Die Menschenrechtler berufen sich dabei auf Angaben von Sicherheitskräften, Journalisten, westlichen Diplomaten und Entwicklungshelfern.
- Demnach würden die meisten ausländischen Kämpfer, die im nördlichen Syrien operierten, ihre Einreise über die Türkei organisieren. Ein Entwicklungshelfer berichtete, manche Aufständischen würden direkt in die türkische Stadt Hatay fliegen und dort von anderen Kämpfern abgeholt und nach Syrien gebracht.
- Ebenso würden sie ihre Waffen, Geld und sonstigen Nachschub von dort bekommen.
- Verletzte Kämpfer würden in der Türkei behandelt.
Diplomaten äußerten sich besorgt über diese Rolle der Türkei. Einer sagte gegenüber Human Rights Watch, es würden weit mehr Kämpfer mit einer europäischen Staatsangehörigkeit nach Syrien gehen als nach Afghanistan oder Irak. Dass die Türkei dies ermögliche, sei problematisch. Unter die Oppositionellen, die gegen Assad kämpfen, haben sich im Laufe der Zeit mehrere islamistische Gruppierungen gemischt. Dazu zählen mindestens zwei Organisationen, die mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbunden sind.
Human Rights Watch fragte per Brief beim türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu an, welche Maßnahmen sein Land eigentlich treffe, um sicherzustellen, dass keine Kämpfer die Grenze zu Syrien überschritten und dort Kriegsverbrechen begingen. Außerdem wolle man wissen, welche Schritte Ankara bei der Ermittlung und Strafverfolgung solcher Kriegsverbrecher unternehme. Die Anfrage war bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts nicht beantwortet worden, teilte die Menschenrechtsorganisation mit.
Ankara will notfalls Truppen nach Syrien schicken
Das vor Beginn des Bürgerkriegs in Syrien vor zweieinhalb Jahren noch freundschaftliche Verhältnis zwischen Syrien und der Türkei hat sich inzwischen in Gegnerschaft gewandelt. Präsident Assad warnte den türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan vor "schwerwiegenden Folgen" seiner rebellenfreundlichen Politik.
Die Türkei werde "sehr bald einen sehr hohen Preis dafür zahlen", dass sie die "Terroristen" unterstütze, wie Assad die Rebellen vergangene Woche im türkischen Fernsehsender Halk TV nannte. "Terrorismus kann man nicht wie eine Spielkarte in der Tasche bereithalten. Denn Terrorismus ist wie ein Skorpion, der nicht zögert, bei erster Gelegenheit zuzustechen", warnte er. Über Erdogan sagte Assad, er verbreite "einen Haufen Lügen" über Syrien. "Erdogan macht nichts anderes, als die Terroristen zu unterstützen."
Kürzlich hat das türkische Parlament Plänen zugestimmt, notfalls Truppen nach Syrien zu schicken. Denn tatsächlich bereitet die Entwicklung in Syrien den Politikern in Ankara zunehmend Sorge. "Wir müssen uns überlegen, wie wir unsere Grenze besser schützen", sagte ein Abgeordneter der regierenden AK-Partei. Dabei ging es ihm aber nicht darum, dass Kämpfer nicht mehr in Syrien einsickern könnten, sondern vielmehr darum, ihre Rückkehr in die Türkei zu verhindern. "Wir wollen nicht, dass Terror auf türkisches Territorium übergreift."
